Der Architekt in Der Frühen Neuzeit

Der Architekt in Der Frühen Neuzeit

3 ARCHITEKTEN IN BAUÄMTERN 3.1 Wege ins Bauamt Wie in Studien zu einzelnen Höfen festgestellt wurde,978 führte kein vorgezeichneter Weg zu einer Stelle bei Hof. »Am Wiener Hof des 18. Jahrhunderts gab es weder ein formalisiertes Bewerbungsverfahren noch offizielle Stellenausschreibungen.«979 Auch wenn viele Orte untersucht wurden, so bietet das Bauwesen dennoch keine so um- fangreiche Quellenbasis wie diese Einzelstudien, die Hofstaaten im 18. Jahrhundert an- nähernd im Ganzen oder zumindest größere Bereiche davon analysierten. Das ist im Hinblick auf eine qualitative Auswertung im Bauwesen aber auch nicht notwendig. Die untersuchten Beispiele sind Suppliken, also Bittschriften von Bewerbern, und Pro- mulgationen aus Bestallungsurkunden.980 Ihre Auswertung zeigt, dass sie sich wider- spruchslos in die bereits publizierten Beobachtungen einreihen lassen und dazu einige interessante, spezifische Einblicke in den Architektenberuf gewähren. Empfehlungen und Bewerbungen für Erstbestellungen und Beförderungen sind an allen großen und vielen kleineren Höfen überliefert. Hingegen finden sich kaum Hinweise darauf in reichsstädtischen Bauämtern, was sicherlich mit deren fehlender Attraktivität für Bau- leute und Planer zusammenhing.981 3.1.1 Die Empfehlung Eine Empfehlung scheint der sicherste Weg für den Einstieg ins Bauamt gewesen zu sein, denn sie kam am häufigsten vor. In einer Zeit, in der Ausbildungen schwer vergleichbar waren982 und es daher wenig Möglichkeiten gab, die Qualifikationen von Bewerbern angemessen zu vergleichen, war die Empfehlung durch eine ver - traute Person eines der wenigen zielführenden Mittel. Interessant ist, dass sich offensichtlich um die Mitte des 17. Jahrhunderts der Personenkreis der 978 Pöhnert 2014, 43 für Weimar und Kubiska-Scharl/Pölzl 2013a, 131 für Wien. Zur Bewerbung, Anfor- derung und Vermittlung von Werkmeistern in der Spätgotik siehe Bischoff 2009, 111–128. 979 Ebd. 980 Zur Erklärung und Charakteristik dieses Urkundenbestandteils siehe Kap. 3.3.2. 981 Siehe Kap. 3.4.1. Die Bestallungsbriefe in StadtA Augsburg, Selekt Bestallungsurkunden, 1649 April 10, Martin Hörman u. 1794 Mai 22, Johann Mehle weisen sehr formelhaft auf eine vorangegangene Be- werbung hin: Ersterer wurde »auf mein vleissiges bitten und begehrn« eingestellt und letzterer ganz ähnlich »auf mein unterthänig-gehorsamstes Anlangen und bitten«. 982 Siehe Kap. 2.2 und 2.3. 185 3 Architekten in Bauämtern Empfehlungsgeber vollständig änderte. Waren es bis dato vor allem die Reichsstäd- te,983 die ihre Fachleute für Gutachten und Zeichnungen984 oder zeitlich begrenzte Projekte ›verliehen‹985, waren es im 16. Jahrhundert eher die Landesherren, die als Werber oder Vermittler fungierten,986 gelegentlich auch die Lehrer987 der Architek- ten. Mit der verstärkten Bürokratisierung und Professionalisierung der Bauämter wurden zunehmend Empfehlungen leitender Amtsträger im Bauwesen für konkrete Stellen typisch.988 983 Vgl. StadtA Esslingen, Bestand Reichsstadt, Fasz. 132 und 133 sowie Heckmann 2000, 291, der be- schreibt, wie der Lübecker Rat nach Stadtbaumeistern des Handwerks in Amsterdam, Magdeburg und Güstrow suchte. 984 HStA Stuttgart, A 133, Bü 6. Bischof Julius von Würzburg bedankt sich 1586 bei Herzog Ludwig von Württemberg für die Sendung des Baumeisters Elias Gunzenhäuser zur Besichtigung der bischöflichen Bauten in Würzburg. 985 StA Ludwigsburg, B 90, Bü 1903; Balthasar Wolff (Rauch 1925, 208) sowie Hans Bien (Fleischmann 1991, 22). 986 Zum Beispiel die Empfehlung Salustio Peruzzis durch den Kardinal Morone nach Wien 1568 (Seidel 2002, 79). Johann Dominic de Prato war laut seiner Bestallung vor allem für Ausführung der Gebäude des Fürstbischofs Markus Sittikus in Ems zuständig, sollte aber auch für dessen Bruder Caspar, Graf zu Hohenems, tätig werden, »und wann von Ihme dergleichen verhinderungen auch nicht möchte remedirt werden, unß daßselbige trewlich und bey seinen Pflichten alwegen zeitlich umb unser fer- ner verordnung, gehorsamst zuwissen machen« (LA Salzburg, GA XXIII.36, 1v). »Der Kaiser höch- ststelbst bemühte sich [1567] durch seine Gesandten um einen [Nachfolger für Thebaldi] in Venedig und Rom«(Kohlbach 1961, 41) »Als [Georg] Robin sich Ende September 1583 gerade von Höchst nach Weikersheim auf den Weg machen wollte, erreichte ihn der Befehl seines Kurfürsten, zum Landgra- fen Wilhelm von Hessen-Kassel zu reisen« (Freeden 1943–1944, 37). »Der […] Architekt des Reichs- vizekanzlers Graf Kaunitz in Wien, Domenico Martinelli, lehnte die ihm […] 1697–1698 angetragene Berufung durch den Kurfürsten von Brandenburg trotz günstiger Bedingungen ab. Der Schwedische Hofarchitekt Nicodemus Tessin […] entschied sich […] ebenfalls zur Absage« (Keller 1985, 549). Eine sehr ausführliche Beschreibung, wie die Vermittlung Germain Boffrands an den bayerischen Kurfürs- ten vor sich ging, findet sich bei Pozsgai 2012, 34. 987 Beispielsweise Daniel Specklin (Fischer 1996, 27); Paul Buchner (Zeidler 2007, 42) sowie Blasius Ber- wart (Biller 1996, 158). 988 Hans Albrecht Graf von Sprintzenstern, eine ausgewiesene Kapazität auf dem Gebiet der Kriegs- und Festungsbaukunst, machte 1574 den Kurfürsten August von Sachsen auf Giovanni Maria Nosseni auf- merksam (saebi.isgv.de, letzter Zugriff 23.08.2017). Rochus Quirinus zu Lynar erhielt um 1577 Ange- bote des Prinzen von Condé, des Pfalzgrafen Johann-Kasimir und von kaiserlicher Seite von Lazarus von Schwendi (Biller 1991, 15). Bei seinem späteren Wechsel nach Berlin brachte Lynar Peter Kummer aus Sachsen mit (Kieling 2003, 226). Wolf Caspar von Klengel nahm bereits während seiner Italien- reise 1654 Kontakt über Wilhelm Dilichs Sohn, der Stallmeister war, zum sächsischen Hof auf und er- hielt die Zusage für die Stelle Wilhelm Dilichs d. Ä. als Oberlandbaumeister noch vor seiner Rückkehr (Passavant 2001, 19–20). In GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 36, Nr. 3593, 13r f., war der Empfehlungsgeber (1691) ein Leutnant im Militärbauwesen; in Nr. 3598, 20r und Heckmann 1998, 235 ist Baudirektor Schlüter der Empfehlungsgeber; in ebd., 216 wird geschildert, wie Jean de Bodt durch die Vermittlung Zacharias Longuelunes nach Dresden kam. Georg Anton Gumpp wurde Hofbaumeister in Innsbruck als Nachfolger seines Vaters und Großvaters im Amt (Krapf 1979, 155). Und auch in LA Salzburg, HK, HBA, AoD 1741–2 J erbat ein Sebastian Stumpfegger eine »Expectanz auf die Hofsteinmetzmeister- schaft« für seinen Sohn und einen Mathias Grüpler. 186 3.1 Wege ins Bauamt Die Stellen, für die die Bewerber vorgeschlagen wurden, verteilen sich über den gesamten Untersuchungszeitraum zwischen Handwerksstellen989 und vor allem lei- tenden technisch-künstlerischen Positionen, sprich Baumeistern.990 Empfehlungen für Verwaltungs- oder Finanzverwaltungsstellen sind in den einschlägigen Bauamts- quellen nicht überliefert, da sie fachlich nicht zwangsläufig ans Bauwesen gebunden ­waren.991 Es ist schon festgestellt worden, dass neben der ›Bekanntheit‹992 bei Hof durchaus auch die fachliche Qualifikation zählte. War 1539 für einen bürgerlichen wie 1582 für einen adeligen Bewerber in Wien noch die »Erbar und schicklichkhait«993 ausschlag- gebend, standen im 17. und 18. Jahrhundert bereits gezeigte gute Arbeit,994 bewiesene Erfahrung995 und ab 1700 mehr und mehr eine zu dieser Stelle qualifizierende Aus­ bildung996 im Mittelpunkt. So ist aus dem Schriftwechsel Zacharias Geizkoflers mit dem Bischof Julius von Würzburg von 1604 zu erfahren, dass Johann Baptist Vacon erfolgreich vermittelt wurde, weil er »arbaitsam und nit zuverrendt, sich auch uff die handwerckhsleüt verstehet, und solche zuregieren waisst, auch selbsten gepew und[er] handen gehabt und gefüret«997. Die Arenga998 der Bestallungsurkunde von Charles ­Philippe Dieussart hält fest: 989 GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 36, Nr. 3593, 13r f.: 1652 ein Maurermeister; Rep. 9, E 20, o. S.: 1691 ein Festungsmaurer; HStA Dresden, 10036, Loc. 35776, Gen. Nr. 232, 1r: ein Steinmetzmeister, der sich für Titularstelle bewirbt sowie LA Salzburg, HK, HBA, AoD 1741–2 J: zwei Hofsteinmetzmeister. 990 Baumeister: ÖStA Wien, FHKA, SUS, Instruktionen, Nr. 274 (Wien 1582); StA Ludwigsburg, B 90, Bü 1903 (Würzburg 1604); LA Salzburg, GA XXIII.36 (Salzburg 1617); Vizebaudirektor Berlin 1734: GStA PK Berlin, II. HA, Abt. 14, Tit. IX, Nr. 3, 38r; ›Hofarchitecten‹: I. HA, Rep. 36, Nr. 2743, 5r (1668); 13r (1683); Rep. 9, E 15, Fasz. 3, 52r (1699) und ein Conducteur 1706: Nr. 3598, 20r ff. 991 Eine Ausnahme hiervon bildet der Bauschreiber und Leiter des Wiener Bauamtes Johann Marienbaum, der 1618 »gehorsamst angemeldet, Umb seiner gerüembten guetten qualiteten willen« angenommen worden war (ÖStA Wien, FHKA, NÖHA, W61/A/13, Nr. 13). 992 Kubiska-Scharl/Pölzl 2013a, 131. 993 ÖStA Wien, FHKA, Gedenkbücher Österreich, Bd. 50, 54r f. und Anh. 5.1.4 sowie SUS, Instruktionen, Nr. 274, 1r (Zitat). 994 StA Ludwigsburg, B 90, Bü 1903 (Würzburg 1604); GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 36, Nr. 2743, 13r (1683); Nr. 3593, 13r (1691); HStA Dresden, 10036, Loc. 35776, Gen. Nr. 232, 1r f. (1756); BayHStA München, HZR, Nr. 170 (1757); StA Nürnberg, Fürstentum Ansbach, Bauamtsakten, Nr. 73 (1784). 995 ÖStA Wien, FHKA, NÖHA, W 61/A/13, Nr. 15 (1620); GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 9, E 20 o. S. (1652); Rep. 36, Nr. 2743, 13r (1683); II. HA, Abt. 14, Tit. IX, Nr. 3, 38r (1737) und HStA Dresden, 10036, Loc. 35776, Gen. Nr. 232, 1r f. (1756). 996 GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 9, E 15, Fasz. 3, 52r (1699); Rep. 36, Nr. 3598 23r f. (1706); II. HA, Abt. 14, Tit. IX, Nr. 3, 38r (1737); HStA Dresden, 10036, Loc. 35776, Gen. Nr. 232, 1r f. (1756). »Erfahrung

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