Der Probestau Der Talsperre Leibis/Lichte – Verlauf, Erkenntnisse Und Erfahrungen

Der Probestau Der Talsperre Leibis/Lichte – Verlauf, Erkenntnisse Und Erfahrungen

Technische Universität Dresden – Fakultät Bauingenieurwesen Saal 4 Saal Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik 1 Block 35. Dresdner Wasserbaukolloquium 2012 „Staubauwerke - Planen, Bauen, Betreiben“ Der Probestau der Talsperre Leibis/Lichte – Verlauf, Erkenntnisse und Erfahrungen Quent Mehlhorn Jochen Mehl Hartmut Willmitzer Die allgemein anerkannten Regeln der Technik fordern vor der Inbetriebnahme einer neu errichteten Stauanlage den praktischen Nachweis der Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit durch einen planmäßigen und gesteuerten Probestau mit kontinuierlich steigenden Belastungen. Im Beitrag werden der zeitliche Verlauf, die Randbedingungen, sowie ausgewählte Ergebnisse der messtechnischen Bau- werksüberwachung des Probestaus der Talsperre Leibis/Lichte in Ostthüringen vorgestellt. Informationen zur Wassergüteentwicklung und zum Qualitätsmana- gement im Einzugsgebiet und im Wasserkörper ergänzen den thematisch an der Schnittstelle vom Bauen zum Betreiben angesiedelten Beitrag. Stichworte: Talsperre, Gewichtsstaumauer, Probestau, Bauwerksüberwachung, Wasserqualität 1 Einleitung Absperrbauwerke von Talsperren sind als komplexe technische Anlagen selbst und in ihrer Interaktion mit ihrem Widerlager während ihrer Nutzungsdauer vielfältigen, zum Teil schnell wechselnden und nur eingeschränkt vorhersehba- ren oder beeinflussbaren Belastungen ausgesetzt. Vorbereitend auf diese Situati- onen und zur Vervollständigung der bis dahin nur theoretisch geführten Nach- weise der Tragsicherheit und der Gebrauchstauglichkeit müssen Talsperren ent- sprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik daher vor ihrer Inbe- triebnahme einem Praxistest in Form eines planmäßigen, gesteuerten und kon- trollierten Probestaus unterzogen werden. Die Grundsätze und die Voraussetzungen für den Probestau von Stauanlagen sind dabei im Punkt 13 der DIN 19700-10:2004-07 sowie im Fall der Talsperre Leibis/Lichte in der für den Freistaat Thüringen verbindlichen „Thüringer Tech- nischen Anleitung Stauanlagen“, dort unter Punkt 3.1, festgelegt. 44 Der Probestau der Talsperre Leibis/Lichte – Verlauf, Erkenntnisse und Erfahrungen Während des Probestaus einer Talsperre, der in Verantwortung des Bauherrn und vorzugsweise unter fachlicher Begleitung einer vorher zu berufenden Pro- bestaukommission durchzuführen ist, erfolgt eine etappenweise gesteigerte Si- mulation aller möglichen Belastungs- und Einwirkungszustände auf den Stau- raum, das Absperrbauwerk und die Betriebseinrichtungen. Grundlagen hierfür sind ein detailliertes und von der Aufsichtsbehörde freigegebenes verbindliches Probestauprogramm sowie die zugehörige Betriebsvorschrift für den Probestau. Im Probestau sind sämtliche Anlagenteile und Betriebseinrichtungen intensiven visuellen Beobachtungen, umfangreichen messtechnischen Bauwerksüberwa- chungen sowie eingehenden Funktionsprüfungen zu unterziehen. Alle Ergebnis- se und Befunde sind nachvollziehbar zu dokumentieren, unverzüglich hinsicht- lich der Tragsicherheit zu bewerten und zu interpretieren. Jede Probestauetappe ist nach deren Abschluss ausführlich in Berichtsform aus- zuwerten und die Ergebnisse der Aufsichtsbehörde durch die Probestaukommis- sion vorzustellen und zu erläutern. Im Ergebnis der umfassenden Bewertung des in der jeweiligen Etappe festgestellten Bauwerksverhaltens sowie durch Ver- gleiche mit vorher bestimmten Soll- oder Erwartungswerten ist über die Fortset- zung des Probestaus mit einer nächst höheren Belastungsstufe – gegebenenfalls unter Einhaltung präzisierter Vorgaben – zu entscheiden. 2 Aufgaben und technische Daten der Talsperre Leibis/Lichte Die Talsperre Leibis/Lichte befindet sich im Thüringer Schiefergebirge im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt und dient der Rohwasserspeicherung für die Trinkwasserversorgung sowie dem Hochwasserschutz und der Energieerzeu- gung. Sie staut die Lichte, einen rechten Nebenfluss der Schwarza im Flussge- biet der Saale, mit einem Einzugsgebiet von 72 km². Bereits in den 1980er und 1990er Jahren erfolgten bauvorbereitend die Auffahrungen mehrerer Erkundungs- sowie Bei-, Ab- und Umleitungsstollen, die Errichtung der Vorsperre Deesbach sowie die komplette Umsiedelung des im zukünftigen Stauraum gelegenen namensgebenden kleinen Dorfes Leibis. Infolge der mit der Wiedervereinigung verbundenen gravierenden politischen, gesetzlichen, administrativen und infrastrukturellen Veränderungen konnte mit dem Bau der Hauptsperre erst im Jahr 2001 nach einem komplizierten mehrjäh- rigen Planfeststellungs- und Vergabeverfahren begonnen und dieser dann im Jahr 2006 abgeschlossen werden. 35. Dresdner Wasserbaukolloquium 2012: „Staubauwerke - Planen, Bauen, Betreiben“ 45 4 Saal Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 47 1 Block Die wichtigsten technischen Kenndaten der in Blockbauweise hergestellten Ge- wichtsstaumauer der Talsperre Leibis/Lichte können der Abbildung 1 entnom- men werden. Konstruktiv wurde die Mauer über den Talquerschnitt in 35, an den Hängen je 10 m und in der Talaue je 15 m breite und unabhängig voneinan- der bewegliche Mauerfelder unterteilt, die über Fugenbandsysteme gegeneinan- der und gegen den Untergrund gedichtet sind. Sie ist in den ausschließlich aus Phycodenschiefer bestehenden Untergrund zwischen 8 und 10 m tief eingebun- den. Zusätzlich wurde der Baugrund mit einem zweireihigen Injektionsschleier bis zu 45 m tief abgedichtet. - Maximale Mauerhöhe über Gründungssohle: 103,0 m - Größte Breite an der Mauerbasis: 80,6 m - Länge der Mauerkrone: 370,0 m - Breite der Mauerkrone: 8,9 m - Mauerneigung luftseitig: 1 : 0,78 - Bauwerksgesamtkubatur: 620 000 m³ Abbildung 1: Technische Daten und isometrische Darstellung des Absperrbauwerkes mit Kontrollgangsystem Etwa in Mauermitte in den Feldern 18 und 19 ist die 18,5 m breite Hochwasser- entlastungsanlage als zweifeldriger fester Überfall mit anschließender Schuss- rinne auf dem luftseitigen Mauerrücken und Sprungschanze zum Tosbecken an- geordnet. Ebenfalls in diesen Mauerfeldern befinden sich die drei Grundablässe DN 1 200. Sie verfügen über Fallgewichtsklappen DN 1 200 sowie im luftseiti- gen Schieberhaus über Ringkolbenventile DN 1 000. Zusätzliche Bypässe sowie eine Durchströmturbine werden für die variable Wildbettabgabesteuerung im Regelbetrieb genutzt. Für die Rohwasserentnahme können fünf höhengestaffelte Entnahmen DN 1 000 sowie eine Schwenkrohrentnahme in dem in das Feld 20 46 Der Probestau der Talsperre Leibis/Lichte – Verlauf, Erkenntnisse und Erfahrungen integrierten Entnahmevorbau einzeln oder gemeinsam genutzt werden. Diese führen das Rohwasser über zwei Entnahmeleitungen DN 1 000 in ein separates Schieberhaus, von wo aus die Weiterverteilung zu den angeschlossenen Trink- wasseraufbereitungsanlagen Zeigerheim und Unterweißbach erfolgt. Tabelle 1 Stauraumeinteilungen der Talsperre Leibis/Lichte Stauziel Teilstauraum Stau- Stau- Stauinhalt höhe fläche Teil- insge- stau- samt raum [m NHN] [ha] [Mio. m³] [Mio. m³] OK Absperrbauwerk Z I 444,14 122,2 1,712 42,293 K Freiraum F2 Hochwasserstauziel ZH2 IF1 442,61 118,1 2,581 40,581 im HW-Bem.fall 1/2 ZH1 Außergewöhnlicher IAHR2 441,87 116,9 1,718 39,712 HW-Rückhalteraum I 0,849 Vollstau Z AHR1 441,14 115,7 38,863 V Gewöhnlicher I 5,562 HW-Rückhalteraum GHR Stauziel ZS 436,14 106,7 33,301 Betriebsraum IBR 29,985 Absenkziel ZA 387,14 22,9 3,316 Reserveraum I 3,316 Tiefstes Absenkziel R Z 351,14 0,0 0,000 (Sohle Grundablass) T Totraum IT 0,00 Talsohle 351,14 3 Verlauf und Randbedingungen des Probestaus der Talsperre Leibis/Lichte Während des Probestaus waren bis zum Vollstau ZV insgesamt 38,9 Mio. m³ Wasser mit einer Stauhöhe von 90 m kontrolliert aufzustauen. Dafür waren fünf Probestauetappen mit mehrwöchigen Verharrungs- und Konsolidierungsphasen im Anschluss an die jeweiligen Anstauphasen vorgesehen. Im Dezember 2004 erfolgte nach der Konstituierung der Probestaukommission die Antragstellung beim Thüringer Landesverwaltungsamt auf Beginn des Pro- bestaus. Nach der Abnahme bei leerem Becken und Funktionsprüfungen der Be- triebseinrichtungen ohne Wassereinwirkung zum Nachweis der Staubereitschaft wurde dem Antrag noch im selben Monat stattgegeben. Der Ersteinstau begann am 17. Februar 2005 nach einem kurzen Spülstau bei fast abgeschlossenen Betonierarbeiten an der Staumauer. Während der ersten vier Etappen des Probestaus wurde die Belastung des Ab- sperrbauwerkes auf 17 %, 42 %, 71 % und 87 % des Wasserdrucks bei Vollstau 35. Dresdner Wasserbaukolloquium 2012: „Staubauwerke - Planen, Bauen, Betreiben“ 47 4 Saal Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 47 1 Block gesteigert. In der 5. Probestauetappe wurde dann der Stauraum unter Einbezie- hung des in der Vorsperre Deesbach gespeicherten Wassers um weitere 5 m bis zum Vollstau ZV aufgefüllt und ein mehrtägiger Funktionstest der Hochwasser- entlastungsanlage mit einer maximalen Überfallmenge von 2,9 m³/s und einer Überfallhöhe hü von 0,21 m durchgeführt (Tabelle 1 und Abbildung 2). 450,00 440,00 Beginn des Probestaus am 17. Februar 2005 430,00 V 420,00 S 410,00 S phase 400,00 phase Z bei 4. Anstiegs- 4. 4. Verharrungs- 5. Verharrungsphase bei Z 390,00 phase Beckenpegel [m NHN] mit Anstiegsphase 5. Zwischenverharrungen phase 3. Verharrungs- 380,00 Regelbetrieb 3. Anstiegs- phase phase 2. Verharrungs- 2. 370,00 Anstiegs- 2. 6. Verharrungsphase bei Z bei Verharrungsphase 6. phase 360,00 1. Verharrungs- 1. 1. Anstiegsphase 350,00 6 9 0 05 0 0 10 0 0 .2 .2 1.2005 9.20 .0 .01.2006 .05.20 .09.2006 .05.2007 .01.2008 .0 .05.201 09 1.05 .2 005 1.09 1 1.05.2009 1.01.2010 01 0 0 0 01 01 01.01.200701 01.09 .2 007 01 01.05

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