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S P 20 0 / S P O ORC S R D S B R SC RU D U S www.br-klassik.de Inhalt Interview Mariss Jansons 4 Themen Gustav Mahler × Alle Symphonien zum Doppeljubiläum 10 Beethoven-Zyklus × Klavierkonzerte 12 Artist in Residence × Frank Peter Zimmermann 14 Oper konzertant × »Evgenij Onegin« 16 Chronologie Konzerte in München und Bayern 20 Weltweit × Gastkonzerte und Tourneen 46 Reisereportage Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf Japan-Tournee 54 Im Gespräch Johannes Grotzky und Stephan Gehmacher 78 T Konzertreihen 2 Sonderkonzerte 86 Abonnements: A, B, C, D 92 INHAL Abo musica viva 102 Abo Chor 107 Abo Kammerkonzerte 112 Kammerorchester 115 Jugendprogramm × Con-Takt 119 Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Chefdirigent Mariss Jansons 131 Orchestergeschichte 132 Besetzung 136 BR-KLASSIK 154 Orchesterakademie 158 Freundeskreis 161 Info Abonnement- und Einzelkartenpreise 164 Sitzpläne 165 Veranstaltungsorte 169 Abonnementservice 171 Abonnementbedingungen 171 Vorverkauf für Einzelkarten 175 Kontakt × Informationen × Impressum 177 M J MJ Absolute Perfektion existiert nur philosophisch, Jan Weiler im Gespräch mit Mariss Jansons nicht in der Praxis. JW Gibt es das absolut perfekte Konzert? JW Wann haben Sie ernsthaft mit dem Dirigieren begonnen? MJ Nein, die absolute Perfektion existiert nur philosophisch, nicht in der Praxis. Es passiert, MJ Mit dreizehn. dass ein Abend sich perfekt anfühlt, weil die Stimmung gut ist. Aber wenn Sie das Konzert JW Das ist so, als würde man in diesem Alter nicht hinterher anhören, werden Sie dennoch oft et- Mittelstürmer werden wollen, sondern Trainer. was finden, was nicht zu einhundert Prozent Kann man das in dieser Weise vergleichen? stimmt. MJ Vielleicht. Fußballer fangen ebenfalls früh JW Haben Sie manchmal im Konzert den plötz- an. Ich habe übrigens als Kind gut Fußball ge- lichen Wunsch, lieber Geiger zu sein? spielt. MJ JW 4 Nein, ich bin glücklich und zufrieden damit, Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie in 5 dass ich Dirigent bin. die Fußballschule gegangen wären und nicht zur terview terview Musikschule? N N I I JW Warum? Die meisten Menschen wollen lieber ein Instrument spielen. MJ Vielleicht hätte ich sehr weit kommen können. Es ist aber nicht unbedingt so, dass ein guter MJ Mag sein. Aber ich habe schon als Kind Spieler auch ein guter Trainer wird. Er muss meinem Vater beim Dirigieren zugesehen, in andere motivieren können, und er benötigt die Proben und im Konzert. Ich fand das immer Gabe, anderen etwas vermitteln zu können. Ob am faszinierendsten. Als ich begriff, was diese nun im Sport oder in der Musik. Aufgabe bedeutet, habe ich viel mit ihm darüber gesprochen. JW Reicht Talent für eine große Karriere? JW Was hat Sie damals am meisten am Beruf MJ Ich glaube, ohne Talent geht es nicht. Ihres Vaters begeistert? MJ Es war nicht nur seine Stellung auf der Büh- ne, sondern auch das Drumherum, sein ganzes Leben, das mich in den Bann gezogen hat – bis hin zur Organisation und der Planungsarbeit. Das ist eine fantastische Welt, und ich habe sie aus nächster Nähe erlebt. Es gibt Fotos, auf denen ich als Dreijähriger dirigieren spiele. Man sieht mich vor einem Buch mit einem Stück Holz in der Hand stehen. Das war mein Leben, es ergab sich ganz von selbst. JW Sie haben schon als Junge sehr hart gear- MJ Ich würde schwindeln, wenn ich »nein« sagen beitet. würde. Natürlich ist mir das wichtig. Ich will immer unter den Besten sein. MJ Talent ist mehr als nur eine spezielle Bega- bung für etwas. Trotzdem muss man ständig JW Machen Sie in beiden Orchestern dasselbe? arbeiten. Auch ein guter Musiker muss stän- dig arbeiten. Mir sind Talente begegnet, aus MJ Es gibt Überschneidungen. Ich darf meine denen später nichts geworden ist, weil sie persönlichen Interessen nicht über die des Or- sich eben nur darauf verlassen haben, diese chesters stellen. Wenn es ein Werk gibt, das hohe Gabe zu besitzen. Aber die muss man für München wichtig ist, muss ich es dort auch weiterentwickeln. Man darf leider nie stehen- dirigieren, obwohl ich es in Amsterdam ebenfalls bleiben. Fünf Prozent Talent stehen 95 Pro- im Programm habe. zent Arbeit gegenüber. Kein Talent kann es ohne Übung schaffen. JW Wenn man mehrere Orchester leitet, könnte man vielleicht den Wunsch verspüren, die Oboe JW In einem Interview haben Sie gesagt, Diri- aus Amsterdam und die Streicher aus München gieren sei ein dunkler, geheimnisvoller Beruf. sowie das Schlagzeug aus Berlin und die Klari- Was bedeutet das? netten aus Wien zu einem Orchester zusammen- zufügen. Stimmt das? MJ Das Geheimnis ist, dass Sie nicht erklären können, warum bei einem Dirigenten das Or- MJ Das ist eine witzige Vorstellung, aber nicht chester wunderbar spielt und bei einem anderen realisierbar. Und auch nicht wünschenswert und nicht. Die Dirigenten machen im Prinzip diesel- zudem nicht kalkulierbar. Es gibt keine Garan- ben Bewegungen, sie fordern dasselbe. Aber das tie, dass so ein Ensemble der »Besten« zusam- 6 Orchester klingt nicht bei beiden gleich. Das ist men auch am besten spielt. Es ist wieder wie im 7 ein Mysterium. Fußball. Eine absolute Star-Truppe harmoniert terview terview nicht unbedingt. Hinzu kommt: Ein Orchester ist N IN I JW Spielen Orchestermusiker für ihren etwas Organisches, fast wie eine Familie. Das Dirigenten? können Sie nicht einfach so auseinanderreißen. MJ Natürlich, ja. Aber nicht nur. JW Können Sie sagen, wie viele verschiedene Werke Sie dirigiert haben? JW Sie möchten vom Chef gemocht werden. MJ Eine Zahl kann ich Ihnen nicht nennen, aber MJ Schon, aber ich denke, jeder echte Musiker es sind mehrere Hundert. Ich habe ein sehr gro- spielt zunächst einmal für sich selbst, denn er ßes Repertoire. Bevor ich aus der damaligen liebt die Musik. Wenn er im Orchester spielt, Sowjetunion nach Oslo ging, hatte ich schon macht er das aber auch für den Dirigenten und begriffen, dass man im internationalen Bereich für das Publikum. ein großes Repertoire benötigt. Nur mit Rus- sen kommt man da bei Weitem nicht aus, denn JW Ist es Ihnen umgekehrt wichtig, von Ihren jedes Land, in das man fährt, hat seine eigenen Musikern gemocht zu werden? Komponisten und Werke, die die Menschen hö- ren wollen. Die muss man kennen und können, MJ Oh ja, das bedeutet mir viel. Aber am wich- wenn man dorthin kommt. Also habe ich vorher tigsten ist für uns alle, dass das Publikum uns in Sankt Petersburg ganz bewusst und fast nur mag. westliche Werke dirigiert. JW Sie stehen in München und in Amsterdam zwei der sechs besten Orchester der Welt vor. Bewegt Sie das? JW Sind Sie zuhause auch der Dirigent? MJ Man befindet sich in einer ständigen Kom- MJ Ich erkläre es Ihnen. Die Säle müssen voll MJ Ich freue mich sehr darüber, denn unser munikation, das ist ja klar. Es wird dabei nicht sein, denn wir haben einen großen Kostenap- Orchester hat das verdient. MJ Wir Männer denken gerne, wir seien die Diri- unbedingt laut gelacht, aber manchmal gibt es parat zu bedienen und müssen die Reisen durch genten. Aber das stimmt nicht immer. Der Mann heitere Momente. Erfolge rechtfertigen. Die Veranstalter brauchen JW Sind Sie stolz darauf? mag ja meinetwegen der Kopf einer Familie sein, das Geld, wir brauchen es auch, und deshalb aber die Frau ist der Hals. Und kein Kopf be- JW Sprechen wir über das neue Programm. Ent- werden Risiken gescheut. Und neue unbekannte MJ Natürlich. Das ist doch menschlich. wegt sich ohne Hals. Es ist sogar so, dass der wickeln Sie das alleine? Werke aufzuführen, stellt natürlich ein immenses Kopf dringend auf den Hals angewiesen ist. Er Risiko dar. JW Stellen Sie das Programm auch manchmal dirigiert den Kopf, so ist das. Aber ich glaube MJ Nein, das machen der Manager Stephan Geh- danach zusammen, was Sie selber gerne mal doch, in meiner Familie bin ich der Dirigent. macher, Nikolaus Pont von der Künstlerischen JW Man kann die riskanten Werke wie trojani- wieder hören würden? Planung und ich zusammen. sche Pferde unter die Hits mischen. JW Sind Sie ein guter Vater? MJ Hören? JW Wie kommt das Programm zustande? MJ Genau das machen wir. Aber wir müssen bei MJ Das können meine Kinder besser beurtei- der Planung umsichtig sein, dass unser Pro- JW Genau. len. MJ Zunächst einmal besteht es natürlich aus gramm beim Publikum gut ankommt. In Mün- meinen eigenen Wünschen und dann auch aus chen zum Beispiel gibt es die sehr populäre MJ Nein. Ich will es nicht hören: Ich will es diri- JW Haben Sie Verständnis dafür, dass eine Zu- den Vorstellungen der Gastdirigenten. Das muss Oper, und auch die Münchner Philharmoniker gieren! Das ist die reine Freude. schauerin oder ein Zuschauer im Konzert viel- miteinander koordiniert werden. Für mein Pro- haben ein großes Publikum. Und beide bespie- leicht mal mit den Gedanken von der Musik ab- gramm lege ich selbst fest, was ich möchte. len ein eigenes Haus, das uns nach wie vor fehlt. schweift und sich auf etwas anderes konzentriert Deshalb müssen wir im Programm ständig da- als auf die Musik? JW Und was ist das? rauf achten, dass es populär genug ist. Populär und geistreich. MJ Ich fände es schade, wenn so etwas geschieht, MJ Ich möchte meistens Werke dirigieren, die aber ich kann es mir schon vorstellen. ich noch nie hatte. Aber leider ist das oft nicht JW Immerhin haben Sie über 8000 Abonnenten. möglich, weil wir auf Tourneen nicht so viele 8 Das ist eine fantastische Zahl. 9 JW Stellen Sie sich vor, man sitzt im Konzert und Experimente machen können. terview terview sieht Sie zwei Stunden von hinten. Da könn- N N I I te man sich zwischendurch die Frage stellen, JW Sie würden gerne weniger Zugeständnisse an was der Mann bloß in den Innentaschen seines den Mehrheitsgeschmack machen? Fracks hat.

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