Riga – Gedenken und Mahnung Orte des Erinnerns Inhalt 4 VORWORT 50 LAGER GUT JUNGFERNHOF Wolfgang Schneiderhan, 53 Adresse, Anfahrt, Informationen Präsident des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. 54 ŠĶIROTAVA 57 Adresse, Anfahrt, Informationen 8 DAS SCHICKSAL DER JUDEN IN RIGA 1940 BIS 1945 Ausgrenzung, Verfolgung, Vernichtung 58 SYNAGOGE GOGOLSTRASSE 63 Adresse, Anfahrt, Informationen 14 RUMBULA Massenmord im Kiefernwald 64 MUSEUM DER JUDEN IN LETTLAND 25 Adresse, Anfahrt, Informationen 67 Adresse, Anfahrt, Informationen 26 BIKERNIEKI 68 MUSEUM DES RIGAER GHETTOS UND Vom Erholungsgebiet zum Massengrab DES HOLOCAUST IN LETTLAND 32 Übersichtsplan 73 Adresse, Anfahrt, Informationen 35 Adresse, Anfahrt, Informationen 74 ŽANIS LIPKE GEDENKSTÄTTE 36 SALASPILS 77 Adresse, Anfahrt, Informationen Polizeigefängnis und Arbeitserziehungslager 41 Übersichtsplan 78 LETTISCHES OKKUPATIONSMUSEUM 43 Adresse, Anfahrt, Informationen 79 Adresse, Anfahrt, Informationen 44 KONZENTRATIONSLAGER KAISERWALD 80 WEITERE GEDENKSTÄTTEN IM (MEŽAPARKS) THEMATISCHEN ZUSAMMENHANG Vergessener Ort des Schreckens 49 Adresse, Anfahrt, Informationen 82 IMPRESSUM Titelbild: Gedenkstätte Rumbula Volksbund 2 3 WOLFGANG SCHNEIDERHAN Volksbund/Uwe Zucchi Präsident des Volksbunds Deutsche Vorwort Kriegsgräberfürsorge e. V. Eine Reise nach Riga verspricht Vergnügen. Die schöne Stadt, Mittlerweile haben über 60 Städte in Deutschland, Wien und direkt an der Ostsee gelegen, bezaubert mit ihrer Architektur die symbolischen Mitglieder Brünn, Prag, Theresienstadt und und ihrem Flair, mit ihrer Kunst und Kultur, mit guten Restau- Riga sich im sich im Riga-Komitee zusammengeschlossen, das rants und interessanten Bars – und zudem mit netten und auf- im Jahr 2000 im Beisein des damaligen Bundespräsidenten geschlossenen Menschen. Johannes Rau gegründet wurde. Die Aufgabe des Riga-Komi- tees war und ist es, das Andenken an die Opfer wachzuhalten Für viele Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich in der – an die Opfer, die aus deutschen Städten nach Riga verbracht Zeit des Nationalsozialismus war die Fahrt nach Riga jedoch wurden genauso wie an die lettischen Juden, die ermordet der Beginn eines Albtraums, der erst mit ihrem Tod durch Er- wurden, um im Rigaer Ghetto „Platz zu schaffen“ für die schießen, Folter, Krankheit oder Unterernährung endete. „Reichsjuden“. Riga war ein zentrale Deportationsort für die in Deutschland In der Gründungsurkunde äußern die Mitgliedstädte ihren sowie Österreich und dem besetzten Böhmen und Mähren le- Willen, einen zeitgeschichtlichen Beitrag zu leisten, der ihre ei- benden Menschen jüdischen Glaubens. gene Kommune mit Riga verbindet, und durch enge Beziehun- gen dem Frieden in Europa zu dienen. Dieses Ziel hat nichts Sie wurden in Viehwaggons unter unmenschlichen Bedin- von seiner Bedeutung verloren und es ist sehr erfreulich, dass gungen in die lettische Hauptstadt deportiert, wo sie, wenn sich über die letzten zwei Jahrzehnte den 13 Gründerstädten sie nicht sofort an Ort und Stelle erschossen wurden, ausge- viele weitere Kommunen angeschlossen haben. beutet, gequält und schließlich ermordet wurden. Ihre letti- schen Glaubensbrüder und -schwestern hatten zuvor dasselbe Die vorliegende Broschüre dient dem Zweck, einige Gedenk- Schicksal erlitten. stätten und Museen vorzustellen, die der Besucherin und dem Besucher einen Einblick in dieses dunkle Kapitel europäischer Wir stehen fassungslos an den Orten, die uns an diese Taten er- Geschichte geben können. Ihre Erstellung folgt einer Anre- innern – aber wir sollten sie besuchen und müssen uns damit gung aus dem Kreis des Riga-Komitees, das in den über zwan- auseinandersetzen. Wir können die Vergangenheit nicht rück- zig Jahren seines Bestehens viel dazu beigetragen hat, die Er- gängig machen, aber wir können uns dafür engagieren, dass innerung lebendig zu halten. Die Gedenkstätte Bikernieki legt solche Dinge sich nicht wiederholen, und wir dürfen die Opfer davon genauso Zeugnis ab wie die regelmäßigen Tagungen des nicht vergessen, sondern müssen ihr Andenken wahren. Komitees. 4 5 VORWORT Der Massenmord an den Juden in Lettland wäre nicht möglich gewesen ohne die Besetzung des baltischen Staates durch die Wehrmacht. Nur dadurch konnten die SS und die Einsatzgrup- pe A ihr Programm der Vernichtung der Jüdinnen und Juden in die Tat umsetzen. Als die sowjetische Armee im Laufe des Jahres 1944 die Wehr- macht in blutigen Kämpfen zurückschlug, mussten auch viele deutsche Soldaten ihr Leben lassen. Sie wurden ebenfalls Opfer des Krieges, den Deutschland verursacht hatte und den sie un- ter anderem ins Baltikum getragen hatten. Über 6.000 dieser Gefallenen sind auf dem Friedhof Beberbiki nahe Riga bestat- tet, den der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1999 errichtet hat und seitdem pflegt. Der gefallenen deutschen Soldaten in einem Land zu gedenken, über das sie – unabhängig von individueller Schuld, die oft- mals gar nicht mehr feststellbar ist – großes Unglück gebracht haben, ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist nur möglich in Partnerschaft mit denen, deren Vorfahren unter der deutschen Besatzung gelitten haben und in deren Erde die deutschen Sol- daten liegen. Kriegsgräberfürsorge im Ausland ist daher undenkbar ohne den aktiven Willen zur Versöhnung, deren Grundlage jedoch nicht das Vergessen, sondern die Erinnerung ist – die Erinne- rung an die eigene Schuld, die Erinnerung an die Schmerzen der anderen, die Erinnerung daran, was geschieht, wenn eine Demokratie in die Diktatur abgleitet. Zur Erinnerung, Mahnung und Versöhnung möchte diese Bro- schüre einen Beitrag leisten. Gedenkveranstaltung für die ermordeten Juden in Bikernieki, 2010 Volksbund/Uwe Zucchi 6 7 Riga, Moskauer Vorstadt, Ort des Rigaer Judenghettos, undatiert Volksbund Das Schicksal der Juden in Riga 1940 bis 1945 Ausgrenzung, Verfolgung, Vernichtung 8 9 DAS SCHICKSAL DER JUDEN IN RIGA 1940 BIS 1945 Riga, die Hauptstadt Lettlands, die jährlich viele Be- sucher wegen ihrer architektonischen und landschaft- lichen Schönheit anzieht, war einer der ersten Orte des Massenmords an Jüdinnen und Juden aus dem „Groß- deutschen Reich“ in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. In Riga fielen nicht nur die dort ansässigen Juden dem Terror der Nationalsozialisten zum Opfer, sondern auch viele Men- schen jüdischen Glaubens, die aus dem Deutschen Reich, Ös- terreich und der Tschechoslowakei nach Riga transportiert worden waren. Lettland hatte nach dem Ersten Weltkrieg seine Unabhängigkeit erreicht und zählte vor dem Zweiten Weltkrieg rund 1,9 Millionen Einwohner, davon knapp fünf Prozent jüdi- Jüdische Bürger dürfen nicht den Fußgängerweg benutzen, sondern schen Glaubens. Als die Sowjetunion 1940 in Lettland einmar- müssen auf dem Fahrdamm gehen, Riga 1942 schierte, das Land besetzte und es nach manipulierten Wahlen Bundesarchiv Bild-183-N1212-319 in die Sowjetunion eingliederte, wurde auch die jüdische Be- völkerung davon betroffen. mutmaßlichen Kommunisten. Nun wurden die Juden als Kol- Der Chronist der jüdischen Geschichte, Marģers Vester- laborateure der Sowjets diffamiert. Es kam zu spontanen und manis, schreibt dazu: unkoordinierten Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung, de- nen einige tausend Menschen zum Opfer fielen. „Im ersten Jahr der Sowjetmacht in Lettland (1940/41) wur- den alle Persönlichkeiten des religiösen jüdischen Lebens „Während die Leichen unserer jüdischen Mitbürger, Freunde und alle jüdischen nationalen Politiker verhaftet. Sie ka- und Verwandten sich um uns herum türmten und das Blut men in stalinistische Lager, in denen die meisten umkamen. unschuldiger Menschen in Strömen floss, haben wir auf Von den 15.000 Einwohnern Lettlands, die am 14. Juni 1941 Hilfe von unseren lettischen Mitbürgern, Freunden und Be- durch das Stalin-Regime deportiert wurden, waren unge- kannten gehofft. Wir waren davon überzeugt, dass uns hier fähr ein Drittel Juden, die Hälfte von ihnen aus Riga.“ 1 und dort eine helfende Hand gereicht würde und ein Mund sich öffnete, um uns Tröstendes zu sagen – aber vergeblich. Als Lettland im Juli 1941 von der Deutschen Wehrmacht besetzt Ein blutiger Wahnsinn hatte das Land erfasst und die, die wurde, sahen viele Letten dies zuerst als eine Befreiung ihres nicht die Hand gegen uns erhoben, um uns zu töten, haben Landes an. Tatsächlich wurde für sie jedoch nichts besser, im uns zumindest schikaniert. Wir wurden aus den Straßen- Gegenteil. Vor allem für die jüdische Bevölkerung verschlim- bahnen und Bussen geworfen (das offizielle Verbot für uns, merte sich die Lage zusehends. Direkt hinter der Fronttruppe öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, kam erst zwei Monate rückte die Einsatzgruppe A von Sicherheitspolizei und Sicher- später) und die Leute haben nach Juden Ausschau gehalten, heitsdienst (SD, mit dem Einsatzkommando 2 für Lettland) vor. die vor Läden Schlange standen, und versuchten, sie am Es waren mobile Einheiten für den Massenmord an Juden und Kauf von Nahrungsmitteln zu hindern.“ 2 10 11 DAS SCHICKSAL DER JUDEN IN RIGA 1940 BIS 1945 Die deutschen Besatzer erkannten jedoch schnell, dass diese Pogrome nicht ausreichen würden, ihr Ziel der Vernichtung der Juden zu erreichen, weswegen sie die „Aufgabe“ der syste- matischen Vernichtung der lettischen Juden selbst angingen. Im Juli 1941 wurden von dem Befehlshaber des Reichskommis- sariats Ostland, Hinrich Lohse, Richtlinien für den Umgang mit den Juden erlassen. Als Jude wurden – hierin noch weiter- gehend als die Nürnberger Rassengesetze – auch nichtjüdische Ehepartner von Juden gefasst. Sie mussten den gelben Stern tragen und waren zahlreichen
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