Wochenendausgabe, II 3./4. Juli 2010 HEIMAT OZ Der Mann hinter den Bildern Alfried Nehring (70) hat Filme produziert. Waren es zu DDR-Zeiten überwiegend Literaturverfilmungen, drehte er nach der Wende für ZDF und ARD unter anderem die Samstagskrimis „Stubbe“ mit Wolfgang Stumph. Heute lebt Nehring in Ahrenshoop und widmet sich der Künstlerkolonie. Ein Buch über den Maler Walter Moras hat er gerade geschrieben. Alfried Nehring (70) in seinem Ahrenshooper „Moras-Museum“, wie er das Zimmer mit 19 Werken des Malers und anderer Freilichtmaler nennt. Foto: Lilienthal Von MICHAEL MEYER ge Preise. Nehring hat ein Buch darü- hestand in Ahrenshoop begann für men. Nehring sagt: „Wenn wir jetzt technische Ausrüstung wegen des tic oder die Erzählung „Selbstver- ber geschrieben: „Walter Moras. Sta- das Ehepaar Nehring die Sammellei- ein Bild kaufen, wird ein anderes ab- Konkurrenzkampfs mit dem Westfern- such“ von Christa Wolf. Alfried Nehring und seine Frau Gise- tionen eines Malerlebens“. In dem dendschaft. Ihr erstes Bild war von gegeben. Wir wollen die Sammlung sehen ja außergewöhnlich gut.“ Und Und nach der Wende kam das la haben vier Kinder, drei Enkel und Band aus dem Klatschmohn-Verlag Müller-Kaempff. „Stürmische Zei- verbessern, nicht vergrößern.“ Nehring durfte ganz oben einsteigen. Westfernsehen zu ihm. Mit Wolf- einen Urenkel. Und wenn man ihn so hat er sich auf die Suche nach dem ten“ – 2007 war das. Durch Zufall wa- Er selbst kann auch auf eine beacht- Literaturverfilmungen. „Die Kronju- gang Stumph drehte Nehring die sieht, diesen agilen 70-Jährigen mit Kunst-Phantom gemacht. Von Moras ren sie auf ein Bild von Moras gesto- liche Sammlung zurückblicken. Der welen des DDR-Fernsehen“, sagt er. ZDF-Serie „Salto Postale“, die 1993 den Paul-Newman-Augen, wie er da gibt es keine Fotos, keine Briefe, ßen: „Darßer Fischerhäuser“. Als 1939 in Rostock geborene Sohn des Di- Als Chefdramaturg für Weltliteratur neun Millionen Zuschauer vor den auf einem Gartenstuhl in der Idylle kein Selbstbildnis, einfach nichts. Nehring im Internet das ähnliche Mo- rektors der Landwirtschaftlichen Ver- drehte er „Von Sachsens Glanz und Bildschirm lockte. Dann folgten 25 seines Rohrdach-Häuschens in Ah- Sein Nachlass ist 1945 bei einem tiv „Heimkehrende Fischer am Bod- suchsstation, Kurt Nehring, sang als Preußens Gloria“, „Die Rottenknech- Folgen „Stubbe“ ebenfalls mit renshoop sitzt, das wirkt, als sei es Bombenangriff in Berlin verbrannt. densteg“ entdeckte, das ihm gefiel, Schüler im Extrachor des Rostocker te“ mit Dieter Mann, Goethes „Stella“ Stumph. Und Produktionen wie „Das von Müller-Kaempff gemalt. Der Nehring hat die Lebensdaten des das er aber nicht kaufen konnte, war Volkstheaters und studierte an der mit Jutta Hoffmann oder „Die unheili- blaue Wunder“ mit Martina Gedeck, muss doch den Kindern Märchen er- Malers erforscht und seinen Lebens- sein Interesse an Moras erwacht. Berliner Humboldt-Universität Thea- ge Sophia“ mit Renate Richter und „Das Schwalbennest“ mit Jörg zählen und Geschichten vorlesen, weg nacherzählt. Ein scheuer Meis- 19 Bilder des Malers, der 1856 in Ber- terwissenschaften. Eigentlich wollte Wolf Kaiser. Es folgten Falladas „Klei- Schüttauf, „Eine Liebe in Königs- denkt man. ter, der nicht groß die Nähe zur Künst- lin geboren wurde und 1925 dort er zur Oper, doch dann kam der Film ner Mann, was nun?“, Thomas Manns berg“ mit Susanne von Borsody und Nun sind die Kinder seiner Kinder lerkolonie suchte, aber im Atem von starb, hat er jetzt. Müller-Kaempffs, zu ihm. „Ich habe Fernsehen von der „Der kleine Herr Friedemann“ mit Ul- der Spielfilm „Bis zum Horizont und zum Teil schon so groß, dass sie auf Gu- Friedrich Wachenhusen, Hermann Leistikows, Douzettes, Radierungen Pieke auf gelernt. 1960 bei den Anfän- rich Mühe, die Karl-May-Verfilmung weiter“ mit Corinna Harfouch. Und te-Nacht-Geschichten gut verzichten Eschke, Paul Müller-Kaempff malte. von Alfred Partikel sind dazu gekom- gen des DDR-Fernsehens war unsere „Präriejäger in Mexiko“ mit Gojko Mi- natürlich „Stürmische Zeiten“. Er er- können. Aber erzählen, das kann er, Ostseelandschaften, Spreewaldim- innert sich: „Es wäre nie ein Film wie der Filmproduzent im Ruhestand. pressionen, Boddenbilder, Fischer ’Stürmische Zeiten’ in Ahrenshoop Nur, ob es ihm reicht? Nein, tut es bei der Arbeit, Bergbau im Ruhrge- gedreht worden, wenn ich nicht mit nicht, auch wenn er sich dafür von sei- biet, norwegische Fjordlandschaf- SERVICE Stumph befreundet wäre. Viele Ide- ner Frau strafende Blicke einfängt. ten. Ein breit gefächertes Werk. In en sind hier im Garten entstanden.“ Ein Kulturschaffender bleibt eben Kul- den letzten 20 Jahren seien mehr als Dort steht auch noch sein Lieblings- turschaffender. So hat Nehring die 200 Moras-Werke, die Nehring in ei- „Walter Moras – Spuren eines Malerlebens“ requisit, das Schilfboot „RA III“. Und Kunst der Ahrenshooper Künstlerkolo- ner Fotodatei angelegt hat, verkauft Das Buch von Alfried Nehring ist er- am Klavier Ulrike Mai. „Walter Moras. dort muss seine Frau Gisela ihn im- nie entdeckt. Als Bewunderer und worden. Es sind wohl die Lebensum- schienen im Klatschmohn Verlag, 1856 -1925. Landschaft pur. Bilder ei- mer mal mit einem strengen Blick zur Sammler, als Förderer und Buchautor. stände, Weltkriege, die Zurückgezo- Bentwisch/Rostock: „Walter Moras – nes zu Unrecht vergessenen Malers.“ Raison rufen, dass er es nicht übertrei- Nehring widmet sich dem recht un- genheit des Malers und einige Zufäl- Spuren eines Malerlebens. Aus der 25 Bilder, gesammelt von Alfried und ben soll, mit der Leidenschaft für die bekannten Maler Walter Moras le, die dazu geführt haben, dass Mo- Blütezeit der Freilichtmalerei.“, Gisela Nehring und von einem Samm- Malerei. Dabei ist sie dem ja selbst (1856-1925). Der wirkte zwar nicht ras zu wenig Berühmtheit gelangte. 92 Seiten, 90 Abbildungen. ler aus Lübben im Spreewald. verfallen. Sie sagt: „Wir betrachten im Kreis der Ahrenshooper Kolonis- Dem nachzuforschen, hat Nehring ISBN 978-3-941064-13-3. Eine weitere Moras-Ausstellung er- ja schon Wetterstimmungen und ten, war jedoch ein Schüler von Her- gereizt. Eine Arbeit, die er als TV-Pro- Ausstellungseröffnung: Dünen- öffnet Nehring zum Jahresende im Himmelslicht nach Malern. Es gibt mann Eschke. Moras’ Bilder erzielen duzent kennt. Dabei hat alles mit ei- haus Ahrenshoop, 11. Juli, 11 Uhr, Museum am Steintor in Anklam. Müller-Kaempff-Wolken, die Douzet- international auf Auktionen vierstelli- nem Zufall angefangen. Mit dem Ru- te-Nacht oder das Moras-Abendrot.“ Künstlerkolonie Ahrenshoop – ein Ort der Begegnung Von GERD RICHARDT zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Fritz Grebe, Theobald Schorn oder entdeckten Landschafter wie Carl Friedrich Wachenhusen. Seit der Ein- Die Geschichte der Künstlerkolonie Malchin aus Schwerin, der „Mond- weihung des Kunstkatens 1909 ver- Ahrenshoop beginnt eigentlich vor scheinmaler“ Louis Douzette oder markteten sie ihre Werke vor Ort. ihrer offiziellen Datierung auf 1892. die Ribnitzerin Anna Gerresheim das Der Gründergeneration folgten zu Damals errichtete Paul Müller- besondere Licht in Ahrenshoop. Beginn des 20. Jahrhunderts Künst- Kaempff (1861-1941) in dem Darsser Dem zuvor in der Berliner Kunst- ler des „Blauen Reiter“ oder der „Brü- Fischerdorf das erste Malerhaus. Rü- ausstellung erfolgreichen Müller- cke“. Sie brachten die Moderne an gen und Hiddensee waren längst Kaempff folgten Künstler wie Elisa- die Küste. Die meisten ließen sich Pflicht unter den Maleleven. In der beth von Eicken, Anna Gerresheim, nicht mehr auf Dauer in Ahrenshoop nieder, sondern besuchten den Ort und die Nachbargemeinden meist in den Sommermonaten. Doch auch sie ließen sich vom Zauber des Ortes ein- fangen und empfingen Anregungen, für die es in den hinterlassenen Wer- ken zahlreiche Belege gibt. Aus der Friedrich Wachenhusen, einer der Die Ahrenshooper Malerin Elisa- Der Gründer der Künstlerkolonie, Künstlerkolonie wurde ein offener ersten Kolonisten in Ahrenshoop. beth von Eicken um 1935. Paul Müller-Kaempff. Künstlerort – ein Ort der Begegnung. Doch schon mit dem Ende des Ers- ten Weltkrieges setzte der Nieder- gen. Hier konnten sie jenseits doktri- den 1960er Jahren und bei Hans Kin- Die Sammlungen der einstigen gang der Künstlerkolonie ein. Im närer Beeinflussung arbeiten und derbis bis in die 1980er Jahre verbin- Künstlerkolonie sollen in einem Kunstkaten gab es 1918 die letzte sich untereinander austauschen. So den sich Einflüsse des Bauhauses Kunstmuseum gezeigt werden. Die Ausstellung. Das Interesse an der im- lebte Gerhard Marcks nach seiner und experimenteller, informeller Ma- Inbetriebnahme des Neubaus ist für pressionistischen Malweise war erlo- Entlassung als Professor an der Kunst- lerei mit Ahrenshoop-Impressionen. 2012 geplant. Dort soll diese Ära schen. hochschule Burg Giebichenstein von Völlig unabhängig von den kulturpo- auch kunstwissenschaftlich aufgear- Allerdings wurde die entlegene, 1933 bis 1946 in Niehagen. litischen Vorgaben. Beide hatten beitet werden. Allsommerlich lockt großstadtferne Küstenregion in den Max Schwimmer – 1951 musste er sich auf dem Hohen Ufer in Ahrens- die Ahrenshooper Kunstauktion hun- Jahren des Dritten Reiches von 1933 als Direktor der Hochschule für Gra- hoop Atelierhäuser eingerichtet. derte Interessenten an, die hier Bil- bis1945 und später in der DDR-Zeit phik und Buchkunst Leipzig zurück- Zeitgenössische Kunst findet sich der aus der Koloniezeit ersteigern „Gehöft und Katen in Althagen“ um 1895, gemalt von Hugo Richter- bis 1990 ein Refugium, in das sich In- treten – zog sich zeitweilig nach Pre- heute in offenen Ateliers, Galerien können. Die 36. Kunstauktion findet Lefensdorf. Fotos/Repro: Häntzschel/Archiv tellektuelle und Künstler zurückzo- row zurück. Bei Edmund Kesting in und Ausstellungshäusern. am 7. August statt..
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