Philippinen: Wahlen in Turbulenter Zeit

Philippinen: Wahlen in Turbulenter Zeit

Willibold Frehner Philippinen: Wahlen in turbulenter Zeit Am 14. Mai 2001 wurden in den Philippinen Wahlen Die Filipinos haben im Januar 2001 ihren unfähigen durchgeführt, die auch als und korrupten Präsidenten Joseph Estrada aus dem Referendum für oder gegen Amt gejagt. Die neue Variante der People’s Power hat die neue Regierung von den auf sechs Jahre gewählten Präsidenten bereits Präsidentin Arroyo angese- hen wurden. Kandidaten für nach 31 Monaten chaotischer Regierung gezwungen, den Kongress, aber auch den Präsidentenpalast zu verlassen. Gegen den frühe- Gouverneure und Bürger- ren Präsidenten Estrada, gegen eine Reihe seiner Ge- meister wurden gewählt. Mitten im Wahlkampf wur- folgsleute und gegen Begünstigte wurden Anklagen de der frühere Präsident wegen Korruption und Veruntreuung vorbereitet. Estrada verhaftet und es Estrada und sein Sohn Jinggoy wurden verhaftet und kam zu massiven Auseinan- in ein eigens für diese beiden Häftlinge eingerichtetes dersetzungen zwischen Poli- zei, Militär und Demonst- Spezialgefängnis gebracht. ranten. Die Emotionen Die neue Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo schlugen hoch und hundert hat von ihrem Vorgänger ein schweres Erbe über- Tote waren zu beklagen. Die nommen. Insbesondere im wirtschaftlichen und im Wahlen unterstrichen, dass das Land derzeit in zwei politischen Bereich zeigen sich gravierende Pro- Lager gespalten ist. Eine bleme, die sich nicht kurzfristig lösen lassen. Mehrheit der Bevölkerung Am 14. Mai 2001 wurden in den Philippinen unterstützt die Regierung, Wahlen durchgeführt, die auch als Referendum für aber eine – wenn auch be- trächtliche – Minderheit oder gegen die neue Regierung der Präsidentin Ar- votierte für das Lager des royo angesehen wurden. Kandidaten für den Senat gestürzten Estrada. Mit den und den Kongress, aber auch Gouverneure und Bür- Wahlergebnissen kann die Regierung politisch überle- germeister wurden gewählt. Die Emotionen schlugen ben, wenn auch das erhoffte im Wahlkampf hoch: 100 Tote waren zu beklagen. starke Vertrauensvotum Mitten im Wahlkampf wurde der frühere Präsident ausblieb. Will die Regie- Estrada verhaftet. Im Verlaufe der mehrtägigen De- rung die nächsten Präsident- schaftswahlen erreichen monstrationen für den verhafteten Expräsidenten und eine positive Bilanz kam es zu massiven Auseinandersetzungen und Stras- aufweisen, sind allerdings senschlachten zwischen Polizei, Militär und Demon- erhebliche Kraftanstren- stranten, die sechs Tote und dreissig Verletzte forder- gungen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ten und bis zum Wahltag für große Nervosität im vonnöten. Lande sorgten. 48 KAS-AI 7/01, S. 46-64 Die Wahlen unterstrichen, dass das Land derzeit politisch in zwei Lager gespalten ist. Eine Mehrheit der Bevölkerung unterstützt die Regierung, aber eine Minderheit, die auch von beträchtlicher Stärke war, votierte für das Lager des gestürzten Präsidenten Es- trada. Mit den Ergebnissen der Wahl kann die Regie- rungsseite politisch überleben und weiterregieren, wenn auch das erhoffte starke Vertrauensvotum aus- blieb. Wenn die Regierung die nächsten Präsident- schaftswahlen in drei Jahren erreichen und darüber hinaus eine positive Bilanz vorweisen will, müssen al- lerdings erhebliche Kraftanstrengungen von Wirt- schaft, Politik und Gesellschaft unternommen werden. Die in den ersten hundert Tagen von der neuen Re- gierung eingeleiteten Reformen müssen nun verstärkt fortgeführt und die Bemühungen um grundlegende Verbesserungen erheblich intensiviert werden. Durch die Regierungszeit des Präsidenten Estrada wurden die Reformbemühungen des früheren Präsidenten Ramos gestoppt. Die Entwicklung des Landes wurde für zweieinhalb Jahre unterbrochen. Die Kassen wurden erneut geplündert: verlorene Jahre für die Philippinen. Um die tiefliegenden Probleme des Landes zu Um die tiefliegenden beseitigen, müssen in Politik, Wirtschaft und Gesell- Probleme des Landes zu beseitigen, müssen in schaft erhebliche Reformanstrengungen unternom- Politik, Wirtschaft und men werden. Echte demokratische Strukturen müssen Gesellschaft erhebliche aufgebaut und durchgesetzt werden, die Wirtschafts- Reformanstrengungen ordnung ist neu zu strukturieren, eine neue Verfas- unternommen werden. sung wird benötigt und der Aufbau eines Sozialsys- tems ist voranzutreiben. Wenn die gravierende Problematik der Armut nicht durch staatliche Pro- gramme und Umverteilungsmassnahmen gelöst wird, kann es zur sozialen Explosion im Lande kommen. Wahlen in den Philippinen am 14. Mai 2001 Am 14. Mai 2001 waren von den insgesamt 76 Millio- nen Filipinos 36,5 Millionen registrierte Wähler (da- von viereinhalb Millionen Erstwähler) aufgerufen, in 226 690 Wahlbezirken zu wählen. Die rund sechs Millionen philippinischen Gastarbeiter konnten ihre Stimme nicht abgeben. Insgesamt wurden durch die Wahlen über 17 000 Positionen neu besetzt: 13 Sena- toren wurden gewählt, das gesamte Unterhaus (alle Sitze im Kongress) wurde neu besetzt, alle Gouver- 49 neure und Vizegouverneure, alle Bürgermeister und deren Stellvertreter sowie Beigeordnete der Stadtpar- lamente standen zur Wahl. Das Wahlprocedere stellte hohe Auforderungen an die Wähler: Jeder Wähler musste z.B. aus 36 Kandi- daten für den Senat 13 auswählen und die 13 Kandi- daten namentlich in die Stimmzettel eintragen. Die namentliche Eintragung galt auch für die Kandidaten des Kongresses und für alle anderen zur Wahl anste- henden Positionen. Das Wahlprocedere stellte auch hohe Anforderungen an die Auszählung und Aus- wertung der Ergebnisse: Alle handschriftlichen Ein- tragungen mussten in einem zeitraubenden Verfahren ausgewertet und aufsummiert werden. Die Emotionen schlu- Die Emotionen schlugen im Wahlkampf, der am gen im Wahlkampf, der am 28. Februar 2001 begann und 41 Tage dauerte, hoch: 28. Februar 2001 begann und 41 Tage dauerte, hoch: Knapp 100 Tote waren zu beklagen, die höchste Zahl Knapp 100 Tote waren zu in den letzten 15 Jahren (bei den Präsidentschafts- beklagen, die höchste Zahl wahlen 1998 waren es nur 45 Tote; bei den Wahlen in den letzten 15 Jahren. 1995 waren 76 Tote zu vermelden), 1400 Gewehre wurden im Verlauf des Wahlkampfes konfisziert, dazu ungezählte Stichwaffen. Es gab über 16 000 Ver- haftungen. Die Wahlen wurden einerseits als Referendum an- gesehen: Ein positiver Wahlausgang für die Kandida- ten der Regierungsseite wurde als Zustimmung zur Politik der Regierung von Präsidentin Gloria Maca- pagal-Arroyo gewertet. Ein negativer Wahlausgang hätte natürlich den Argumenten der Regierungsgeg- ner um den inhaftierten Ex-Präsidenten Estrada er- heblich mehr Gewicht verliehen und der Regierung die Amtsgeschäfte erschwert. Ganz konkrete Auswirkungen auf die Regierungs- geschäfte wurden selbstverständlich durch die Neu- zusammensetzung von Senat und Kongress erwartet: Die Regierung von Präsidentin Arroyo würde sich schwer tun, geeignete Gesetze durch das Parlament zu bringen, wenn Kongress und Senat von Regie- rungsgegnern beherrscht würden. Die Wahlen wurden in einem turbulenten politi- schen Klima durchgeführt. Das Amtsenthebungsver- fahren gegen den früheren Präsidenten Estrada im Dezember 2000 erregte die Lager. Die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die neue Präsidentin nach der sogenannten People’s Power Revolution im Januar 2001 und die Anklage gegen den Ex-Präsiden- 50 ten nach seiner Verhaftung im April 2001 ließen die Emotionen hochschlagen. Das wirkte sich auch auf die Wahlbeteiligung aus: Rund 85 Prozent der einge- schriebenen Wähler, also rund 30 Millionen, gingen zu den Urnen. Wegen der Umbrüche im Machtgefüge und wegen Wegen der Umbrüche der politischen Unruhen mit Demonstrationen und im Machtgefüge und wegen der politischen Unruhen Gegendemonstrationen waren einige der Wahlbeob- mit Demonstrationen und achter der Meinung, dass es bereits als Erfolg für die Gegendemonstrationen Demokratie zu bewerten sei, dass die Wahlen über- waren einige der Wahlbeob- haupt stattfanden. achter der Meinung, dass es bereits als Erfolg für die Laut einer Umfrage glaubte ein Drittel der Wahl- Demokratie zu bewerten berechtigten, dass es zu Unregelmäßigkeiten bei der sei, dass die Wahlen über- Vorbereitung, Durchführung und Auszählung der haupt stattfanden. Wahlen kommen werde. Grosse Geldsummen wur- den von den Kandidaten benötigt, um einen erfolg- reichen Wahlkampf zu bestreiten. Zuwendungen wurden versprochen und ausgezahlt, wenn entspre- chende Wahlergebnisse geliefert wurden. Der Wahl- kampf ähnelte auch mehr einer Show – eine inhaltli- che und politische Auseinandersetzung fand eher am Rande statt. Kein Wunder, dass deshalb Grössen aus dem Showgeschäft in Zusammenarbeit mit reichen Finanziers, denen sie verpflichtet sind, erfolgreich waren. Einzelkandidaten und Koalitionen warfen sich gegenseitig vor, Unregelmäßigkeiten und Betrü- gereien, auch bei den Wahlauszählungen, durch Geld- zahlungen oder Versprechungen veranlasst zu haben. Vor den Wahlen bildeten sich zwei politische Blöcke. Schon während des Impeachment-Verfahrens gegen den früheren Präsidenten Estrada formierte sich eine United Opposition aus der christdemokra- tischen Partei Lakas NUCD und kleineren oder Re- gionalparteien wie Reporma, Aksyon Demokratiko und Promdi. Diese United Opposition gab sich nach der People’s Power Revolution und dem Sturz Estra- das zu Beginn des Jahres 2001 den Namen People’s Power Coalition (PPC). Die Gegenseite um den früheren Präsidenten Estrada formierte sich unter dem Koalitionsnamen Puwersa ng Masa (PnM), was soviel heißt wie Macht des Volkes. Ausgewählte Ergebnisse Die Auszählung der Wahlergebnisse erfolgte in einem

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