Die Kehrtwende in der deutschen Atompolitik nach Fukushima. Detailanalyse eines politischen Entscheidungsprozesses Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Sozialwissenschaften vorgelegt von Johannes Philipp Tratzmiller an der Rechts-, Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaftliche Sektion Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft Konstanz, 2018 Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-2-227ldgc2kczr9 Tag der mündlichen Prüfung: 06.12.2018 1. Referent: Prof. Dr. Volker Schneider 2. Referent: Prof. Dr. Wolfgang Seibel Zusammenfassung Am 11. März 2011 ereignete sich vor der Küste Japans eines der schwersten Seebeben in der Geschichte des Landes. Das Beben war Auslöser eines folgenschweren Tsunamis, der weite Teile der Ostküste in der Region Tohoku zerstörte und tausende Menschen das Leben kostete. Infolge des Tsunamis kam es zu einem folgenschweren Unglück am Atomkraftwerk (AKW) Fukushima Daiichi. Die dramatischen Ereignisse führten insbesondere in Deutschland zu einer intensiven Diskussion über die friedliche Nutzung der Kernenergie. Eine besondere Rolle spielte dabei die im Herbst 2010 verabschiedete Laufzeitverlängerung für die deutschen Kernkraftwerke. Mit diesem Beschluss wurde der 2000 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder beschlossene Atomkonsens aufgehoben und die Laufzeit der 17 deutschen AKW um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert. In Folge der öffentlichen Diskussionen sah sich die schwarz-gelbe Bundesregierung dazu veranlasst, ihr Energiekonzept erneut zu überarbeiten. Rund sechs Monate nach der Verabschiedung der Laufzeitverlängerung und nur rund dreieinhalb Monaten nach Fukushima war der endgültige Atomausstieg beschlossen. Demnach soll das letzte deutsche Kernkraftwerk am 31. Dezember 2022 vom Netz gehen. Mit diesem Beschluss endete eine jahrzehntelange und teils gewalttätige Auseinandersetzung um die Kernkraftnutzung. Auch rund sieben Jahre nach der Verabschiedung des Atomausstiegs ist das Thema insbesondere mit Blick auf Schadenersatzforderungen der betreffenden Energieversorgungsunternehmen in Milliardenhöhe von großer Relevanz. Ziel der Arbeit ist es, den Entscheidungsprozess und seine Hintergründe, die zum Atomausstieg in Deutschland nach Fukushima geführt haben, in einer hohen Detailauflösung zu rekonstruieren. Zu diesem Zweck wurde als Durchführungsmethode eine „explaining outcome Prozessanalyse“ nach Darek Beach und Rasmus Pedderson (2013) ausgewählt. Neben der Auswertung von Dokumenten und Zeitungen wurden darüber hinaus 25 Experteninterviews geführt. Aus theoretischer Perspektive wurden der Advocacy- Koalitionsansatz (ACF), die Punctuated-Equilibrium-Theorie sowie der Multiple-Streams- Ansatz in die Untersuchung mit einbezogen. Die detaillierte Rekonstruktion der Kehrtwende in der deutschen Atompolitik liefert einen tiefen Einblick in das Zusammenspiel von Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und den Parteien. I Vorwort Zum Ende meiner Dissertation möchte ich mich bei einer Reihe von Personen für ihre Unterstützung während meines Promotionsvorhabens bedanken. Ohne sie wäre der Abschluss meiner Arbeit nicht möglich gewesen. Zunächst gilt mein besonderer Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Volker Schneider. Nachdem ich meinen Magisterabschluss an der Ludwig-Maximilians-Universität in München erworben hatte, wollte ich nach dem Studium Berufseinstieg und Promotion miteinander verbinden. Die Betreuungszusage war in Anbetracht der Tatsache, dass ich mich als ein Unbekannter um eine Betreuung bemüht habe, keine Selbstverständlichkeit. Für den erhaltenen Vertrauensvorschuss bedanke ich mich sehr herzlich. Bedanken möchte ich mich auch bei Christiane Richter für ihre Unterstützung bei organisatorischen Fragen. Der deutsche Atomausstieg und seine Folge sind auch heute noch allgegenwärtig. Bedanken möchte ich mich daher auch bei meinen Interviewpartnern, die mir mit ihren Auskünften viele wertvolle Einblicke hinter die Kulissen gegeben haben. Die vielen positiven Rückmeldungen auf meine Interviewanfragen, haben mich darin bestärkt, ein interessantes und spannendes Thema gewählt zu haben. Mein ganz besonderer Dank gilt indes meiner Familie und insbesondere meiner Frau Sabine und ab März 2015 meiner Tochter Leni-Marie. Die Dissertation war in den zurückliegenden Jahren eine ständige Begleiterin, die sowohl unter der Woche, an den Wochenenden und im Urlaub angefertigt wurde. Es gab viele Momente in denen das Familienleben kürzer treten musste. Für die anhaltende Unterstützung und die Geduld, die damit verbundenen Einschränkungen mitzutragen („Papa, Du sollst nicht mehr arbeiten!“), danke ich beiden von ganzem Herzen. Ihnen beiden ist diese Arbeit gewidmet. II Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................ IV 1 Einleitung ................................................................................................................................ 1 1.1 Thema und Fragestellung ................................................................................................. 1 1.2 Der Atomausstieg von 2011 in der politikwissenschaftlichen Forschung ....................... 3 2 Theoretischer Bezugsrahmen der Arbeit ............................................................................... 11 2.1 Theorien zur Erklärung von Politikwechseln ................................................................. 11 2.1.1 Der Advocacy-Koalitionsansatz .............................................................................. 12 2.1.2 Punctuated-Equilibrium-Theorie ............................................................................. 15 2.1.3 Multiple-Streams-Ansatz ......................................................................................... 17 2.1.4 Hypothesenbildung .................................................................................................. 20 3 Methodische Vorgehensweise ............................................................................................... 22 3.1 Fallstudie ........................................................................................................................ 22 3.2 Durchführungsmethode: Explaining-Outcome Process-Tracing ................................... 24 3.3 Datenerhebung ................................................................................................................ 28 4 Die Grundzüge der deutschen Atompolitik von 1955 bis 2011 ............................................ 32 4.1 Der Einstieg in die friedliche Nutzung der Kernenergie in Deutschland ....................... 32 4.2 Das Aufkommen der Anti-Atomkraftbewegung ............................................................ 34 4.3 Grundlegende Veränderung der deutschen Atompolitik seit 2000 ................................ 37 4.4 Der Weg zur Laufzeitverlängerung ................................................................................ 39 4.5 Rekonstruktion der Ereignisse im Kernkraftwerk Fukushima vom 11.–15. März 2011 .............................................................................................................................................. 41 5 Detailanalyse der politischen Kehrtwende in der deutschen Atompolitik ............................ 43 5.1 Untersuchungsphase 1: 11. März bis 27. März 2011 ..................................................... 43 5.1.1 Die Rolle der Bundesregierung ............................................................................... 44 5.1.2 Die Rolle der Bundesländer bzw. des Bundesrates ................................................. 69 5.1.3 Die Rolle des Deutschen Bundestages .................................................................... 94 5.2 Untersuchungsphase 2: 28. März bis 6. Juni 2011 ....................................................... 106 5.2.1 Die Rolle der Bundesregierung ............................................................................. 106 5.2.2 Die Rolle der Bundesländer bzw. des Bundesrates ............................................... 133 5.2.3. Die Rolle des Deutschen Bundestages ................................................................. 144 5.3 Untersuchungsphase 3: 7. Juni bis 6. August 2011 ...................................................... 152 5.3.1 Die Rolle der Bundesregierung ............................................................................. 153 5.3.2 Die Rolle der Bundesländer bzw. des Bundesrates ............................................... 155 5.3.3. Die Rolle des Deutschen Bundestages ................................................................. 159 6 Fazit ..................................................................................................................................... 168 7 Chronik der deutschen Atompolitik .................................................................................... 175 8 Epilog .................................................................................................................................. 189 Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 195 III Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung Abs. Absatz ACF Advocacy-Koalitionsansatz AKW Atomkraftwerk AtG Atomgesetz BDI Bundesverband der Deutschen Industrie BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BM Bundesminister BMU Bundesumweltministerium CDU Christlich Demokratische Union CSU Christlich Soziale Union dpa Deutsche
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