Nordrhein-Westfalen I Stiftung Ernst Neufert- der Architekt STIFTUNG~ DEUTSCHER Stipend iatin Patricia Merke! berichtet über ihre Promotionsarbeit ARCHITEKTEN .... Es wäre nicht ganz richtig, Ernst Neufert sonders konzen trier­ (1900- 1986) als einen Unbekannten unter ten Blick auf ihre Ge­ den Architekten des 20 . Jahrhunderts zu be­ stalt und Gestaltung zeichnen. Aber auch wenn innerhalb der letz­ fordert. ten Jahre einige seiner Gebäude vereinzelt Zahlreiche dieser wohltuend saniert wurden und damit dem Gebäude, besonders Architektur-Gedächtnis erhalten bleiben, ist die aus den 1950er dennoch festzustellen, dass sein Leben und Jahren, sind noch er­ gebautes Werk zunehmend in Vergessenheit halten, aber auch eini­ geraten sind . Dementsprechend blieben um­ ge Werke aus den 30er fassende kritische oder wissenschaftliche Aus­ Jahren sind nicht nur einandersetzungen, sowohl mit dem Leben ertüchtigt oder saniert, Neuferts als auch mit seiner Architektur, bis­ sondern auch in ihrer lang aus . Selbst eine vol lständige Werkliste ursprünglich entwor­ besteht nicht. Explizit seine frühen und prä• fenen Funktion erhal­ genden 1920er und 30er Jahre mit den groß• ten oder modifiziert und en geschichtsträchtigen Stationen wie Wei­ stehen unter Denkmal­ mar, Dessau und Berlin sind in der bisher vor­ schutz. Um hier nur ei­ liegenden wissenschaftlichen Literatur kaum nige zu nennen, gehö• behandelt -und wenn, dann spielt er hier nur ren dazu vor allem das eine beiläufige Rolle . Mathematische Institut (Abbeanum) der Uni­ Auch wenn Ernst Neufert in der Architektur­ versität Jena und das geschichte nicht gänzlich unerforscht ist, er­ Studentenhaus der Uni­ scheint er gerade im Vergleich zu seinen Zeit­ versität Jena (jeweils genossen als eher marginale Position. Er wird 1929-30). Beide wa­ se lten als Architekt thematisiert, was ange­ ren damals mit dem sichts seines umfassenden Werkes erstaun­ "Aktiven Bauatelier" der Foto oben: Mathematisches Institut (Abbeanum) der Universiät Jena, 1929- 30 lich ist, betrachtet man seine Gebäude insge­ Staatlichen Bau hoch- Foto unten: Studentenhaus der Universität Jena, 1929 - 30 samt: Typologisch vie lfältig reichen sie von schule Weimar und dem kleinen Villen über Büro- und Institutsbauten damaligen Direktor der Schule, Otto Bartning lung von Anekdoten und muss deshalb drin­ bis hin zu komplexen Industriebauten, die in (1883-1959), entstanden . Außerdem ist hier gend einer wissenschaftlichen Auseinande ·­ einem Zeitraum von mehr als vierzig Jahren - das Led igenhaus in Darmstadt (1952/55) zu setzung weichen. von Mitte der 1920er Jahre bis Ende der 60er erwähnen, das als eines der "Meisterbauten" Damit wird auch die stigmatisierende Dar­ Jahre - im nahezu gesamten Bundesgebiet verwirklicht werden konnte . Nicht zuletzt auch stellung, die Neufert fortwährend als Normie­ und darüber hinaus in Frankreich, Finnland durch den sensiblen Umgang mit der ur­ rer, Technokrat, Standardisierer, Reglementie­ und der Schweiz entstanden sind. Allein an­ sprünglichen Bausubstanz veranschaulichen rer oder gar als Ordnungsfanatiker beschreibt, gesichts dieser Tatsache muss man in Neufert diese Beispiele heute noch in beeindruckender das Feld räumen müssen. All diese Beschrei- einen außergewöhnlich facettenreichen Archi­ Weise die Aktualität von Neuferts Architek­ bungenverdanken sich in erster Linie der bis­ tekten suchen, der sich meistens einer sehr tur. her einseitigen Einschätzungen Neuferts, die sachlichen Formensprache bedient, die in ih­ Die Rezeption seiner Person erschöpft sich sein gesamtes Werk auf die Bauentwurfsleh­ rer äußerst zurückhaltenden Weise einen be- bislang zumeist in der populistischen Erzäh- re von 1936 reduzieren. Auch der lang thema- 26 DABregiona ll12/ 11 Stiftung 1 Nordrhein-Westfalen Spendenaufruf ~ 'V'kr au ch morge n hervorragende Arch itektur und planerische Leistungen erwartet, muss heute den Nachwuch s fö rdern . ln diese m Ve rständn is hat die Architekte nkammer Nord­ rhei n-Westfalen 1985 die Stiftung Deutscher Architekten gegründet. Die Arbeit der Stiftung ist nur dank der Unterstü tzung zahlrei cher Spenderinnen und Spender möglich. Wenn auch Sie die vielfältigen Aktivitäten der Stiftung Deutscher Architekten zur Förderung des Berufsnachwuch ses unterstützen und damit einen wichtigen Beitrag fü r Architektur und Ba uku ltur leiste n möchte n, spende n Sie bitte auf unser Konto mit der folgenden Bank­ Ledigenhaus Darmstadt, 1952/55 verbindu ng: tisierte, im Nebelliegende Verdacht möglicher Det..tsche ApotheJ<e•- L d Ärztebank, Korto Nr. 02 772 779, BLZ 300 606 01. Machenschaften zur Zeit des Dritten Reiches, in den Neufert aufgrund se iner Zusammenar­ beit mit Albert Speer in Berlin geriet, mag - aus heutiger Sicht ein nicht nachvollziehbarer Prof. Dr. Jean-Adalbert Nyeme Tese: "Wir sind - Grund dafür gewesen sein, dass eingehende Untersuchungen seines Lebens und Werkes entschlossen, im Konzert der Nationen mitzuspielen" aus einer anderen Perspektive noch ausste­ hen. ~ ln der November-Ausgabe des DAß be­ Mit Kar/ Marx können wir sagen, dass Phi­ Die durch die Stiftung Deutscher Archi­ richteten wir über den Einsatz der Stiftung losophen die Weit nur interpretieren. Heute tekten geförderte Dissertation gliedert sich in Deutscher Architekten beim Aufbau der geht es hingegen darum, die Weit bewusst zwei Teile: Sie unternimmt zum einen den Ver­ Universite de Kasayi im Kongo. Einer der für alle neu zu gestalten . such, besonders die frühen Erlebnisse und Be­ Initiatoren und Partner der Stiftung vor Ort Vor allem diese Neugestaltung so ll te uns gegnungen Ernst Neuferts zu suchen, durch war Prof. Dr. Jean-Adalbert Nyeme Tese, der mit Blick auf einen unabhängigen und mo­ die enscheidende Weichenstellungen in der ehemalige Rektor der Universität Notre-Da­ dernen Kongo beschäftigen. Wir brauchen Entwicklung seiner Architektursprache statt­ me du Kasayi, der im November 2010 ver­ konkrete Umsetzungen: Wir benötigen be­ fanden, und diese in einen nachvollziehbaren starb. ln Erinnerung an diesen engagierten wohnbare Häuser, eine ausgewogene und historischen Kontext zu stellen. Ein Aspekt Lehrer drucken wir eine seiner letzten öf• ausreichende Ernährung, Spitäler und Ge­ dazu soll die Betrachtung de r Einflussnah­ fentlichen Reden ab: sundheitszentren, einträgliche Arb eitsstel­ me berühmter und in der Architekturhisto­ len, befahrbare Straßen, moderne Flughä­ rie bereits etablierter Zeitgenossen wie bei­ "Nach 50 Jahren Unabhängigkeit engagiert fen. Wir brauchen eine bessere Wertschät• spielsweise Walter Gropius (1883 - 1969) sich die Bevölkerung im Kongo weiter für zung der Landwirtschaft und der Mensche n oder Johannes ltten (1888 - 1967) sein, um die Umsetzung ihrer demokratischen Träu• aller Schichten, die Lebensfreude ausstrah­ sch lussendlich den Stellenwert Ernst Neu­ me und für einen stabilen Rechtsstaat. Dank len und stolz sind, zu einem wirklich unab­ ferts neu etablieren zu können . Zum ande­ fortgeschritten er Kommunikationstechniken hängigen Land zu gehören . Was wir anstre­ ren soll die Erarbeitung einer Werkliste dieses ist die Weit zu einem globalen Dorf gewor­ ben, muss greifbar, kontrollierbar und nütz­ vie lfältigen Architekten Aufgabe der Disser­ den. Viele Kongolesinnen und Kongolesen lich sein. Wir brauchen überprüfbare tation sein. sind durch die Weit gereist, haben studiert Fortschritte, und zwar in allen wissenschaft­ Spätestens durch die Herle itung und Ge­ und die Errungenschaften der anderen ge­ lichen Disziplinen. genüberstellung mit den jeweiligen Inspirati­ sehen. Es fällt jedoch auf, dass sie daraus Im Moment ist der Kongo eine große onsquellen seiner Gebäude muss Neufert als noch keinen Gewinn gezogen haben, weder Baustelle. Die auf die 1960er-Jahre zurück­ ein e attraktive, kreative Architektenpersön­ für sich und ihre Kinder noch für die kongo­ reichenden Erschütterungen der kongo le­ lichkeit seiner Zeit gesehen werden, dere n le sische Gesellschaft. sischen Gesellschaft sind der Grund, wes­ wissenschaftliche Relevanz außer Frage steht Sie sind gelehrt und kennen sich aus in ha lb es heute Sache der Bevölkerung ist, -und deren Verschwinden aus der Architek­ Th eorien und hochtrabenden Debatten, we l- dieses schöne Land aus seinen Rui nen wie- tu rhistorie unbed ingt verhindert werden ehe die Bevölkerung jedoch enttäuschen. der zu errichten." muss. ~ Patricia Merke! DASregional I 12/11 27 .
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