
SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Wenn Aschenputtel mit der Knusperhexe bei den Bremer Stadtmusikanten … Oder es waren einmal zwei Brüder Auf den Spuren der Brüder Grimm (2) Von Ulla Zierau Sendung: Dienstag, 23. Juni 2015 9.05 – 10.00 Uhr (Erstsendedatum: 2009) Redaktion: Ulla Zierau Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 1 SWR 2 Musikstunde mit Ulla Zierau, Dienstag, 23. Juni 2015 Wenn Aschenputtel mit der Knusperhexe bei den Bremer Stadtmusikanten … Oder es waren einmal zwei Brüder Auf den Spuren der Brüder Grimm (2) Signet Wenn Aschenputtel mit der Knusperhexe bei den Bremer Stadtmusikanten Oder „Es waren mal zwei Brüder….“ Willkommen zur zweiten Folge auf den Spuren der Brüder Grimm – Ihr Märchenguide ist Ulla Zierau (0‟15) Titelmusik Es begab sich, dass sich in einer großen Stadt ein Herrscher selbst zum Kaiser krönte. Kein Märchen, sondern Realität. Wir sind im Jahr 1804. Napoleon setzt sich in Paris die Krone aufs Haupt, in Marburg studieren die Brüder Grimm Rechtswissen- schaften und dort erreicht sie aus Paris ein Hilferuf des Juraprofessors und Freundes Friedrich Carl von Savigny. Ein Koffer mit wichtigen Forschungsunterlagen für seine Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter sei auf der Reise gestohlen worden, Jacob möge eiligst kommen und den Schaden wieder gut machen. Jacob Grimm ist sofort bereit, sein Studium zu unterbrechen und dem Freund zu helfen. Mutter und Tante sind schnell überredet und so reist der 20-järhige im Januar 1805 auf Kosten Savignys nach Paris. Zur selben Zeit sind zwei Italiener in der Seine-Metropole, zwei Komponisten, Gaspare Spontini, der ganz nach dem Geschmack der Kaiserin Joséphine komponiert und deswegen auch zum Kammerkomponisten ernannt wird und Luigi Cherubini, er ist eher der Publikumsliebling. Viele seiner Opern werden in Paris aufgeführt und sind Stadtgespräch, aber Cherubini steht nicht in der Gunst des Kaisers. In Amt und Würden gelangt der Florentiner erst nach dem Sturz Napoleons. Er wird Direktor des Pariser Konservatoriums, ein Amt, das er über 20 Jahre bis zu 2 seinem Tod bekleidet. Und Cherubini hat für Paris eine Märchenoper geschrieben – allerdings nicht nach Grimm, sondern nach Tausend und einer Nacht: „Ali Baba oder die 40 Räuber“. (1„30) Musik 1 Luigi Cherubini: Ouvertüre zur Oper „Ali Baba oder die 40 Räuber“ SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern / Klaus Arp M0068861002, Karusell, 843965-2, 6’04 Ouvertüre zur Oper „Ali Baba oder die 40 Räuber“ von Luigi Cherubini. Klaus Arp leitete das SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern. Die Musik Cherubinis schallt durch die Gassen von Paris, als Jacob Grimm dem Freund Savigny zu Hilfe eilt. Doch Jacob hört die Musik nicht, er hat nur Augen für seine Forschung. Stunden-, tagelang arbeitet er in der Bibliothek, vergleicht Manuskripte und exzerpiert Schriften. Nach wenigen Wochen ist der Verlust des Koffers Savignys vergessen und viele neue Erkenntnisse und Papiere hinzuge- wonnen. Die Arbeit beflügelt Jacob, was schmerzt ist die Trennung von Wilhelm. Ständig stehen die Brüder in Briefkontakt. „Guter Jacob, .. von den ersten Tagen weiß ich dir nichts zu sagen, als dass ich sehr traurig war und noch jetzt bin ich wehmütig und möchte weinen, wenn ich daran denke, dass du fort bist. Wie du weggingst, da glaubte ich, es würde mein Herz zerreißen, ich konnte es nicht ausstehen. Gewiss du weißt nicht, wie lieb ich dich habe. Wenn ich abends allein war, meinte ich, müsstest du aus jeder Ecke hervorkommen. Doch still.“ So versichert Wilhelm seinem Bruder Jacob. So still wie Edvard Griegs Heimweh, in dem zwischendurch lebhafte Erinnerungen aufflackern. (1‟25) Musik 2 Edvard Grieg: Heimweh op. 57 Nr. 6, bearbeitet für Violoncello u. Klavier Emmanuelle Bertrand und Pascal Amoyel, M0108774 W04 / 014, Harmonia Mundi France, HMC 901986, 3’50 3 Heimweh. Lyrisches Stück op. 57 Nr. 6 von Edvard Grieg, bearbeitet für Violoncello und Klavier. Emmanuelle Bertrand und Pascal Amoyel waren die Solisten. Wenn die Brüder Grimm nicht gerade über ihre Trennung klagen, dann berichtet Wilhelm von zu Hause, was er auf dem Büchermarkt neues erstanden habe. Einen weiteren Band Goethe oder den neusten Roman von Novalis „Heinrich von Ofterdingen“. Jacob hingegen erzählt wenig von Paris, und wenn, dann nichts Gutes. „In Paris gefällt es mir weiter gar nicht und ich möge nicht für lange Zeit hier bleiben“, klagt er. Die Straßen seien schmutzig, krumm und eng und beim Gang durch die Stadt denke er mit Schaudern an die Ereignisse der Französischen Revolution. Auch die Pariser gefallen ihm nicht, sie behandelten Nebensächlichkeiten mit allerwichtigster Miene. Das kulturelle Angebot stimmt ihn auch nicht versöhnlich. Die strikten Regeln auf der Bühne verhinderten Natürlichkeit, die gezierten Bewegungen, der gespreizte Sprechstil, das alles ist ihm zu wider. Jacob interessiert sich vielmehr für die gegenwärtige deutsche Literaturszene, für die neue Ästhetik zwischen Aufklärung, Klassik und Romantik. Das germanische Altertum rückt in den Focus der Zeitgenossen, Minnelieder oder das Nibelungenlied. Hier finden die Brüder neue Aufgaben. So schreibt Wilhelm an Jacob: „Ich habe daran gedacht, ob du nicht in Paris einmal unter den Manuskripten nach alten Gedichten und Poesien suchen könntest, vielleicht fändest du etwas, das merkwürdig und unbekannt.“ (1‟40) Musik 3 Anonym: Eyns ne soy ke pleynte fu Ensemble Oliphant M0055508 015, ALBA RECORDS FINNLAND ABCD 222, 2’45 Das Ensemble Oliphant mit einem altfranzösischen Trouvèrs Lied aus dem 13. Jahrhundert, Texte, nach denen Jacob Grimm in Paris sucht. 4 Das Zusammentragen von alten Sagen, Volksbüchern und das Studieren der französischen Minnesängerhandschriften festigt das Band zwischen den Brüdern gerade in den Monaten der Trennung. Jacob Grimm schreibt: „wenn wir auf diese Weise fortfahren, so werden wir uns einmal hübsche Werke sammeln, es versteht sich, dass wir in Zukunft etwas mehr dran wenden können und immer zusammen vereinigt, denn lieber Wilhelm, wir wollen uns einmal nie trennen.“ Eine berühmte, viel zitierte Briefstelle, „lieber Wilhelm, wir wollen uns einmal nie trennen“. Sie weist nicht nur auf die innige Bruderliebe hin, sondern auch auf die verbindende gemeinsame Arbeit, auf die Erforschung alter Literatur. Mit Jacobs Rückkehr aus Paris im Oktober 1806 beginnt für die Brüder Grimm das Jahrzehnt der Sammlungen von Erzählungen, Sagen, Märchen, Liedern, alten Texten. Im wissenschaftlichen Arbeiten und Editieren setzen die Grimms Maßstäbe. Sie forschen nach Quellen, vergleichen, bemühen sich um Originalität. Mit ihrer akribischen Arbeitsweise und ihren umfangreichen Studien legen sie den Grundstein der Germanistik, der Literatur- und Sprachwissenschaft. Sie sind die Urväter der deutschen Philologen. Die Jurisprudenz interessiert Jacob überhaupt nicht mehr, er bricht sein Studium ab. Nur Wilhelm zieht es bis zum Ende durch und legt im Alter von 20 Jahren sein juristisches Staatsexamen ab. Jacob ergattert auch ohne Studienabschluss in Kassel eine Anstellung als Kriegssekretär. Das währt nicht lange, denn bald marschieren in Hessen französische Truppen ein, besetzen Kassel und der Kurfürst muss fliehen. Der jüngste Bruder Napoleons, Jêrome wird zum Herrscher des neugegründeten Königreichs Westfalen ausgerufen. Jacob bleibt der Zusammenbruch der gewohnten Verhältnisse im Gedächtnis: „Bald änderte sich alles von Grund auf:“, schreibt er, „fremde Menschen, fremde Sitten, auf der Straße und den Spaziergängen eine fremde, laut geredete Sprache“. (2‟10) Musik 4 Ludwig van Beethoven: Eroica-Variationen, Fuge Alfred Brendel, Klavier M0017983 W01/015, Philips, 412227-2, 4’24 5 Alfred Brendel mit der Fuge aus den Eroica-Variationen, Thema aus einer Sinfonie, die in enger Verknüpfung mit Napoleon entstanden ist, erst in Bewunderung, dann nach der Selbstkrönung in Verachtung. Unter der französischen Fremdherrschaft vertiefen sich die Brüder Grimm ihr Studium der Poesie und Literatur. Clemens Brentano und Achim von Arnim, immer noch an der Arbeit ihrer Wunderhornsammlung, kommen gemeinsam nach Kassel. Kurz zuvor schrieb Brentano an Arnim: „Ich habe hier zwei sehr liebe, liebe altdeutsche vertraute Freunde, Grimm genannt, die ich nun nach zwei Jahre langem fleißigen, sehr konsequenten Studium so gelehrt und so reich an Notizen, Erfahrungen und den vielseitigen Ansichten der ganzen romantischen Poesie wieder gefunden habe, dass ich bei ihrer Bescheidenheit über den Schatz, den sie besitzen, erschrocken bin. Sie wissen bei weitem mehr als Tieck von allen den Sachen“. Brentano, Arnim und die Grimms erstellen gemeinsam den zweiten und dritten Band der Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“. Der jüngere Grimm Bruder Ludwig Emil illustriert die Bände. (1‟10) Musik 5 Alexander von Zemlinsky: Das bucklichte Männlein Thomas Hampson / Geoffrey Parsons M0068987 015,
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