Sport FORMEL 1 Die Herren der Räder Aus kleinen Rennwagenschmieden haben Ron Dennis, Eddie Jordan und Frank Williams begehrte Partner großer Konzerne gemacht. Das war gut für die Firmenkasse und ist schwierig für den Machterhalt. Geht die Ära der Patriarchen zu Ende? n einer exhibitionistischen Branche wie der Grand-Prix-Zirkus funktioniert. In Formel 1 ist, dann sind die Teams von Den- der Formel 1 sind es zuweilen die äuße- ihren Lebensläufen spiegeln sich die Fa- nis, Williams und Jordan der Schmierstoff. Iren Werte, die fast alles über eine Per- cetten des weltweit bestvermarkteten Sponsoren finden zwei Arten von Renn- son verraten. Das gilt auch für die Paten Sports: Fortschrittsglaube und Skrupel- ställen attraktiv. Jene, die regelmäßig sie- der Rennställe. losigkeit, Perfektionsdrang und Dekadenz, gen, und jene, die eine gute Show bieten. Ron Dennis, 52, trägt edles Grau. Die Geheimbündelei und Eitelkeit. Jordan bietet die beste Show. Brusttasche ziert, fein gestickt, der Merce- Denn jeder des Terzetts kommt aus Zum Toupet trägt Eddie Jordan eine De- des-Stern; das schüttere Haar striegelt er einem anderen Jahrzehnt. Frank Williams signerbrille, was sein Gesicht unverwech- streng nach hinten. ist seit den frühen Siebzigern in der For- selbar macht. An den Grand-Prix-Wo- Eddie Jordan, 51, trägt schrilles Gelb. mel 1, als die Autos noch keine Reklame- chenenden zählen Popgrößen wie Chris Eine Hornisse, den Stachel zum Angriff be- kutschen waren und Überschläge meist Rea und Chris de Burgh zu seinen Gästen; reit, schmückt den Hemdsärmel; die spitz tödlich endeten. Ron Dennis übernahm oder ein hubraumstarkes Starlet, das her- auslaufenden Koteletten rasiert er kunst- 1980 das McLaren-Team, als der Professio- nach als „Boxenluder“ schlagzeilenträchtig voll wie ein venezianischer Gondoliere. nalismus die Abenteuerlust niederrang und über den Presseboulevard stöckelt. Und Frank Williams, 57, trägt schlichte Pull- große Konzerne den Thrill der Technik ent- wenn PR-Talent Jordan im Augenwinkel over mit V-Ausschnitt; in Dunkelblau, in deckten. Eddie Jordan, der sich 1991 in den Kameras weiß, dann hüpft er bei einem Dunkelrot, in Dunkelgrün. Sie sehen nach exklusiven Zirkel wagte, ist ein Mann der Sieg wie Rumpelstilzchen über den As- nichts aus. Und das ist die Absicht. Neunziger, in denen die Rennen zum glo- phalt und küsst Mercedes-Vorstand Jürgen Dennis, Jordan und Williams haben vie- balen Medienereignis wurden – und damit Hubbert auf die Stirn. le Gemeinsamkeiten. Ihre Leidenschaft für zum Schwarm aller Marketingmanager. Die Medien zu bedienen fällt dem ge- den Motorsport hat sie so weit getrieben, 30 Jahre, in denen sich die Formel 1, so lernten Bankkaufmann aus Dublin nicht dass sie die neben Ferrari erfolgreichsten Dennis, „vom Streichquartett zum philhar- schwer. „Ich bin Ire, die sind lateinischer Formel-1-Teams besitzen. Ihre Geschäfts- monischen Orchester“ entwickelt hat. Mo- als die Engländer.“ Wer zu Kumpel Eddie tüchtigkeit hat sie zu Multimillionären ge- torenhersteller sind in der Zeit gekommen für ein Logo auf dem Frontflügel mal so macht. Und die Zeitläufte machen sie nun, und gegangen. Sponsoren, Fahrer und Fer- eben fünf Millionen Dollar trägt, der sucht da das Großkapital in ihr Gewerbe drängt, rari-Rennleiter ebenso. Der Kern, der die- nicht die kalte Perfektion des Branchen- zu einer aussterbenden Spezies. sem Geschäft immer treu blieb, sagt Wil- primus McLaren, der sucht das pralle Le- Weil die drei von den britischen Inseln liams, sei „diese kleine Gruppe von Idioten ben. Seine Firma habe, so Jordan, „ein jün- zugleich aber auch sehr verschieden sind, aus Oxford und Umgebung“. Wenn Im- geres Image, das vibriert, das Charisma kann man von ihnen prächtig lernen, wie presario Bernie Ecclestone der Motor der ausstrahlt, das nach Rock ’n’ Roll klingt“. LAT / ASA LAT Teamchefs Dennis (mit McLaren-Fahrern Coulthard, Olivier Panis, Häkkinen und Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug), Jordan, Williams (mit 248 der spiegel 8/2000 Jordan redet schnell, jugendlich, mit Em- Jugendherberge nahe Spa in Etagenbetten. nahme, Williams brauche das Fluggerät, um phase. „Du darfst Spaß haben, ein Clown Fünf Jahre dauerte es, dann gehörte Jordan diverse Liegenschaften an den Hot Spots sein“, sagt er ernst, „aber hinter dem Ge- Grand Prix Limited zum Establishment; der Wohlhabenden anzusteuern, ist grund- sicht muss es ein zweites, seriöses Gesicht nach sieben Jahren feierte der Hobbymu- verkehrt. Der Brite, seit einem selbst- geben.“ Denn im Grunde sei sein Unter- siker den ersten Sieg. Das war wie eine Er- verschuldeten Autounfall 1986 querschnitt- nehmen im Gegensatz zur Konkurrenz eine lösung. „Bis man gewonnen hat, weiß man gelähmt, will nach auswärtigen Terminen Marketingfirma, die als Plattform eben For- nie, wie groß der letzte, entscheidende nur so schnell und kommod als möglich an mel-1-Rennen benutze: „Die Sponsoren Schritt ist“, sagt er und greift mit den Hän- seinen Schreibtisch gelangen. wollen von unserer Wertewelt profitieren.“ den rhythmisch nach den Sprossen einer Williams ist der Anti-Jordan. Ein Ur- Spricht so ein Rock ’n’ Roller? Der Mann imaginären Leiter. „Du kletterst und klet- gestein der Formel 1. Er begann mit einer mit den zwei Gesichtern grinst breit. „Ich terst und siehst das Ende nicht.“ Rennwagen-Klitsche, in der Gerichtsvoll- versuche natürlich immer zu verbergen, Inzwischen haben seine Autos dreimal zieher zur Laufkundschaft gehörten. Ende dass ich sehr hart arbeite.“ gewonnen. Nach McLaren und Ferrari ist der Siebziger gewann er die Fluglinie Sau- Der Anfang war überhaupt nicht ver- Jordan die dritte Kraft im Grand-Prix-Zir- dia als Sponsor; die Petro-Dollar verhal- gnüglich. Formel-1-Einsteiger partizipieren kus. 40 Prozent seiner Firma hat er an die fen ihm 1980 zum ersten Weltmeistertitel, mit keinem Dollar an den Millionen-Erlö- US-Investmentgruppe Warburg, Pincus weitere sechs folgten bis heute. Und stets sen aus den Fernsehverträgen, und mitbe- verkauft, für 60 Millionen Dollar. „Ein paar war das Auto der Konkurrenz überlegen. stimmen dürfen sie auch nicht; sie gehören Sitze mehr im Privatjet“, hat der Zocker Der Patron versteht seine Firma als In- zu den Rechtlosen, zur niedersten Kaste im sein Kassemachen kommentiert. Die genieursbetrieb. „Wir haben unsere Erfolge Reich des Bernie Ecclestone. Größe des Flugzeugs gilt in Formel-1-Krei- erzielt, weil wir schnellstmögliche Renn- Zusammen mit Michael Schumacher, sen als Maßeinheit für Erfolg. wagen bauen.“ Das kostet viel Geld. Aber der in einem Jordan 1991 seinen ersten Frank Williams besitzt eine Falcon 50. es bedeutet nicht, dass der Offizierssohn Grand Prix fuhr, nächtigte der Ire in einer So was leisten sich eher Konzerne. Die An- Williams bereit wäre, sich zu verbiegen. Erst wenn auf seinem puristischen Weg die Die drei großen Konkurrenten von Ferrari Finanzierung nicht mehr möglich sein soll- Formel British te, wäre er zum Einlenken bereit, „eben mehr Lärm, mehr Glamour veranstalten“. Team Seine lebendigen, freundlichen Augen ver- engen sich beim Wort Glamour für einen Motoren- Mercedes-Benz Honda BMW Moment – als Ausdruck von Sarkasmus. partner Wenn Williams seine neueste Kreation vorstellte, geschah das bislang so aufgeregt Teamchef Ron Dennis Eddie Jordan Frank Williams wie die Inbetriebnahme eines Autobahn- teilstücks. Wo die Wettbewerber die Spice Fahrer Mika Häkkinen, Heinz-Harald Frentzen, Ralf Schumacher, Girls zum Gesang bitten oder Uhren ver- David Coulthard Jarno Trulli Jenson Button schenken, reichte Williams Tee und Kekse. Das ist jetzt anders. Williams hat sich mit Teilhaber DaimlerChrysler...... 40% Eddie Jordan ............. 60% Frank Williams ......... 70% BMW verbündet. Prompt sprangen, bei der Ron Dennis ................ 30% Warburg, Pincus...... 40% Patrick Head.............. 30% feierlichen Enthüllung im Januar, silbern Mansour Ojjeh ......... 30% gewandete Tänzer um den neuen Rennwa- Mitarbeiter 350 200 370 gen. „In der Sportpresse gut dazustehen kann uns nicht primär interessieren“, sagt Umsatz 241 Millionen Mark 108 Millionen Mark 197 Millionen Mark 1998* einer aus der Marketingabteilung der *Geschäftsjahr Bayerischen Motorenwerke. Die Münchner FOTOS: ACTION SPORT (li.); DPA (re.) (li.); DPA SPORT ACTION FOTOS: Fahrer Schumacher): „Diese kleine Gruppe von Idioten aus Oxford und Umgebung“ der spiegel 8/2000 249 Sport wissen, worauf sie sich eingelassen haben. liams seine Fahrer am liebsten. Die meisten lionen Dollar die Freigabe abkaufen lassen, Beim ersten konkreten Gespräch, so erin- halten es nicht länger als zwei Jahre aus. als Ralf Schumacher zu Williams wollte. nert sich BMW-Emissär Karlheinz Kalbfell, Eddie Jordan sah das gasgebende Per- Ron Dennis ist solch Schacher fremd. Er war die Agenda flott durchdiskutiert: „Auf sonal bis dato immer als Budgetposten – hat sich immer die teuersten Fahrer leisten den letzten Punkt folgte so eine Stille, die auf der Einnahmenseite. Ein Fahrer musste können: Niki Lauda, Alain Prost, Ayrton normalerweise mit Small Talk gefüllt wird.“ Sponsorgeld mitbringen, oder er sollte, Senna. Auf Michael Schumacher verzich- Doch Williams fragte nur: „Any other busi- beim Abschied, eine Ablöse einbringen. tete er. Der zweimalige Weltmeister hatte ness?“ Diesen Mann, das ist Kalbfell seit- Die wenigsten kamen ohne Anwalt oder darauf bestanden, die Werbefläche auf der dem klar, „interessiert nichts außer dem, Gericht von Jordan weg. Kappe selbst zu vermarkten. Dass Fahrer was ihn im Rennsport vorwärts bringt“. Fahrer sind eine Ware. Am klarsten muss- ein derart starkes Eigenleben
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