395050000/1 – 5673 – Widhölzl_Mein Höhenflug typoscript [AK] – 05.08.2009 – Seite 3 – AK 3 Andreas Widhölzl Mein Höhenflug 395050000/1 – 5673 – Widhölzl_Mein Höhenflug typoscript [AK] – 05.08.2009 – Seite 5 – AK 3 Inhalt Der Sprung ins neue Jahrtausend – ein Vorwort von Martin Schmitt ........................... 7 Es war einmal … – Erinnerungen von Kurt Walter ........ 8 Mein größter Sieg .......................................... 11 Kindheit in Tirol ........................................... 31 Erste Erfolge ............................................... 55 Höhenflüge ................................................ 89 Turbulenzen ............................................... 107 Licht und Schatten ......................................... 121 Die Konkurrenz ........................................... 135 Bodenhaftung .............................................. 147 Mein Sprung ins Leben ................................... 171 Nach der Landung ......................................... 187 Mein Steckbrief ............................................ 201 Text- und Bildnachweise ................................... 205 395050000/1 – 5673 – Widhölzl_Mein Höhenflug typoscript [AK] – 05.08.2009 – Seite 7 – AK 3 Der Sprung ins neue Jahrtausend Die Saison 1999/2000 war geprägt von dem Duell Andreas Wid- hölzl gegen mich. Als Weltcupführender war ich im Vorfeld der Vierschanzentournee der erklärte Favorit für den Gesamtsieg und konnte mit dem Auftakterfolg in Oberstdorf diese Erwartungshal- tung auch rechtfertigen. Doch offensichtlich gelang »Swider« der Sprung ins neue Jahrtausend wesentlich besser als mir selbst, und so wendete sich das Blatt mit dem Neujahrsspringen in Garmisch- Partenkirchen, welches Andreas Widhölzl gewann. Er sprang sich in einen wahren Rausch, stand in Innsbruck und Bischofshofen ebenso ganz oben auf dem Podest und wurde verdienter Sieger der Vierschanzentournee. Trotz guter persönlicher Leistung war es mir in diesen Tagen nicht möglich, Andreas Widhölzl zu bezwingen. Doch das Duell sollte weiter gehen: Es gab noch einige hart umkämpfte Wettbe- werbe, und am Ende konnte ich den Gesamtweltcup für mich entscheiden. So bleibt diese Millenniums-Saison uns beiden in bester Erin- nerung – mit der Gewissheit, einem ebenbürtigen Gegner und stets fairen Konkurrenten gegenübergestanden zu haben. Alles Gute für Dich und Deine Familie! Martin Schmitt, Skispringer, im Juli 2009 (Olympiasieger 2002, mehrfacher Weltmeister und Weltcupsieger sowie deutscher Sportler des Jahres 1999) 7 395050000/1 – 5673 – Widhölzl_Mein Höhenfl ug typoscript [AK] – 05.08.2009 – Seite 11 – AK 3 Mein größter Sieg Es mag seltsam klingen, dass ich als Skispringer Höhenangst habe. Genauer gesagt: als Skiflieger, dem die Schanze nicht groß genug und der Flug nicht weit genug sein kann. Mein Rekord im Skifliegen liegt bei 231 Metern! Doch es stimmt: Ich habe Höhenangst. Schaue ich von weit oben direkt nach unten, dann bekomme ich ein flaues Gefühl im Magen. Wenn ich einen Sprungturm im Freien hinaufsteigen muss, kann ich nicht hinunterschauen. Die Skier auf den Schul- tern bringe ich die Stufen hinter mich – so schnell wie möglich. Zu schnell allerdings traue ich mich auch nicht hinauf. Ich kann ja nicht sicher sein, ob auch alles hält. Ich weiß: Diese Angst ist völlig irrational. Aber es kommen mir die wildesten Gedanken. In meiner Phantasie bricht eine Befestigung ab oder der ganze Turm fällt zusammen. Mein Gefühl ist stärker als die Vernunft. Die Schanze hinunterzuschauen, war für mich dagegen nie ein Problem. Ich steige in die Spur und springe vom Schanzentisch ab, ohne mit der Wimper zu zucken. Es mag einem Zuschauer verrückt erscheinen – sich in die Tiefe zu stürzen und über hun- dert, ja über zweihundert Meter durch die Luft zu fliegen. Das hat mir nie Angst eingejagt, sondern immer nur Spaß gemacht. Je weiter, je lieber! Was kann auch schon passieren, denke ich mir. Schlimmstenfalls kullerst du den Anlauf hinunter oder stürzt vom Schanzentisch. Das macht mir keine Angst. Aber der Blick von einem hohen Punkt senkrecht nach unten war mir nie geheuer. Wenn’s dich da hinunterhaut, bist du weg vom Fenster. Aus ähnlichen Gründen bin ich auch nie gerne mit dem Flugzeug geflogen. Oft schon war ich vor dem Start schweißgebadet und musste die Angst mit einem Bier besänftigen. Dabei bin ich beim Fliegen bisher nie in eine gefährliche Situation geraten. Nur bei meinem ersten Flug nach Amerika sind wir in ein Gewitter geraten. Dass es dabei mächtig gerumpelt hat, war sicher nicht förderlich. 11 395050000/1 – 5673 – Widhölzl_Mein Höhenflug typoscript [AK] – 05.08.2009 – Seite 12 – AK 3 An der Innsbrucker Bergiselschanze holte ich mir die entscheidenden Punkte für den Sieg bei der Vierschanzentournee (2000). Ich war jedenfalls immer froh, wenn die Saison vorbei war und ich wusste: Bis zum Sommer musst du in kein Flugzeug mehr steigen. Nur dumm, dass meine liebsten Urlaubsziele dort liegen, wo es Sonne, Strand und Meer gibt. Als ich – damals noch im österreichischen B-Kader – in einem Trainingslehrgang in Arko in Südtirol einmal in den Ber- gen klettern muss, ist das für mich zugleich das erste und das letzte Mal. Ich bin vorher noch nie bergsteigen gewesen, weil ich Angst vor der Höhe habe. Und es ist wirklich der Horror! Wir müssen eine etwa dreihundert Meter hohe Wand hinaufklettern. Die Wand ist nicht besonders schwierig, und am Anfang geht es auch ganz gut. Bis ich bei knapp zweihundert Metern dann nach unten schaue. 12 395050000/1 – 5673 – Widhölzl_Mein Höhenflug typoscript [AK] – 05.08.2009 – Seite 13 – AK 3 Es ist eine nicht ganz einfache Stelle. Man muss halb hinauf- springen, sich dann festhalten und hochziehen. Wenn das nicht gelingt, läuft man Gefahr, ins Seil zu fallen. Meine Gedanken kreisen, die Knie schlottern, die Beine zittern so schnell wie die Nadel einer Nähmaschine hin und her. Ich fürchte um mein Leben. Ich kann diesem dünnen Seil einfach nichts zutrauen. Zehn lange Minuten brauche ich, um mich zu überwinden und den Sprung zu wagen. Und ich habe es tatsächlich nach oben geschafft. Aber dort oben habe ich mir geschworen: »Nie wieder klettere ich einen Berg hoch oder gehe bei einer Klettertour mit!« Den Schwur habe ich bis heute gehalten. Ich schaue mir die Berge lieber von unten an. Im Hotel habe ich zur Beruhigung erst mal ein großes Bier getrunken. Und am nächsten Tag bin ich lieber sechs Stunden mit dem Mountainbike gefahren, obwohl ich das auch nicht sonderlich mag. Aber immer noch besser als diese Angst beim Herumkraxeln in der Höhe. Als ich in Innsbruck oben auf der Schanze stehe und mir die Knie zittern wie nie zuvor, liegt es jedoch nicht an der Höhen- angst. Es ist das dritte Springen der Vierschanzentournee, am 3. Januar 2000 in Innsbruck. Das Wetter ist hervorragend, »Kai- serwetter«, wie man so sagt. In den österreichischen Medien hat es in den vergangenen Tagen nur ein Thema gegeben: Wann gewinnt endlich einmal wieder ein Tiroler eine »Schlacht« am Bergisel? Also, wann siegt endlich ein Skispringer aus Tirol beim Springen in der Landeshauptstadt? Bei der Vierschanzentournee, die im Jahr 2000 immerhin schon ihre 48. Auflage erlebt, hat es das nämlich bisher noch nicht gegeben. Man erhofft sich den »ersten Sieg seit Andreas Hofer«. Ein Freiheitskämpfer aus Tirol Andreas Hofer, der Tiroler Freiheitskämpfer, führte Anfang des 19. Jahrhunderts den Tiroler Aufstand gegen die bayerische Fremdherrschaft. Unter Hofer gewannen die Aufständischen im Jahr 1809 am Bergisel gleich drei Schlachten gegen eine bayer- 13 395050000/1 – 5673 – Widhölzl_Mein Höhenflug typoscript [AK] – 05.08.2009 – Seite 14 – AK 3 isch-französische Allianz. Der Bergisel ist seither ein nationales Heiligtum. Es gibt dort sogar ein Denkmal für Andreas Hofer. Dieser Sieg ist lange her. Die Tiroler wollen jetzt endlich einen neuen sehen. Alle Hoffnungen liegen nun auf mir. Ich bin in der Form meines Lebens, keine Frage. Beim Eröffnungsspringen der Vierschanzentournee auf der Schattenbergschanze in Oberstdorf war ich jedoch nur Dritter, knapp vor Sven Hannawald. Martin Schmitt gewann den Wettkampf souverän, vor meinem Teamkol- legen Andreas Goldberger. Doch beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen lag ich dann auf einmal ganz vorne. Es war mit 23 Jahren mein zehn- ter Weltcupsieg. Martin Schmitt dagegen stürzte auf den elften Platz ab. So führe ich nun zur »Halbzeit« die Tournee-Gesamtwertung an. Ganz überraschend, denn vor Beginn der Tournee galt ich nicht als Favorit. Und im Vorjahr war ich in Garmisch sogar regelrecht abgestürzt. Ich hatte es damals nicht einmal ins Finale geschafft, war bereits nach dem ersten Sprung ausgeschieden. Ja, mit der Schanze in Garmisch war ich vorher nie zurecht- gekommen. Ein 18. Platz war bisher mein bestes Ergebnis gewe- sen – und nun hatte ich dort tatsächlich gesiegt und damit Martin Schmitt die angekündigte Party ordentlich versalzen! Ein kleiner Exkurs: der Medienzirkus Zu Garmisch fällt mir eine kleine Begebenheit ein. Sie zeigt, dass man nicht alles glauben sollte, was erzählt und geschrieben wird. Es ist das Jahr 2000, also steht eine große Milleniumsfeier an. RTL ist gerade neu in die Fernsehübertragung eingestiegen und hat die Übertragungsrechte ab dem 1. 1. 2000. Am Abend gibt es eine Mega-Silvester-Feier des Senders mit feierlicher Startnummernvergabe im Auslauf der Schanze. Beginn: 23.30 Uhr. Der mehrfache Olympiasieger Dieter Tho- ma, damals schon nicht mehr aktiv, soll um Mitternacht ins Jahr 14 395050000/1 – 5673 – Widhölzl_Mein Höhenflug typoscript [AK] – 05.08.2009 – Seite 15 – AK 3 2000 springen.
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