Es folgen einige Seiten halbgarer und teils rät- selhafter Minicomics plus drei Seiten reiner Psy- chedelik mit »Ultra Super Modernistic Comics« – bei all dem mögen Drogen im Spiel gewesen Der Urknall des sein. In der Heftmitte eine Doppelseite großfor- matiger Lebensmittelcartoons (beispielsweise eine Kartoffel mit Beinen in aggressiver Pose namens »Dick Tater« oder eine Gurke mit Gitarre na- mens »Bob Dill, the Singing Pick- Underground le«); dieser Beitrag könnte einem Kinderbuch entsprungen sein. Danach serviert uns Crumb eine Ge- Vor 50 Jahren erschien ZAP COMIX Nr. 1 und begründete das Genre der schichte mit Mr. Natural (diese Figur »Underground-Comics« oder »Comix«. Entkoppelt von den Produktions- taucht in seinem Werk schon Jahre zuvor auf), eine Seite mit »Keep bestimmungen des Mainstreams tobt sich hier ein Kreativteam um Robert Crumb on Truckin«-Figuren sowie wei- aus: Sex, Drogen, Subkultur und Sinnsuche sind das Programm. teren sechs Seiten mit uninspi- rierten »Füllern«, die allein durch Erwähnung Tillmann Courth nimmt die ersten Ausgaben der Comiclegende von Geschlechtskrankheiten oder Andeutungen ZAP kritisch unter die Lupe. von Kannibalismus Stirnrunzeln verursachen. ZAP Nr. 1 ist aus heutiger Sicht mehr als harmlos, ein Privatspaß von Crumb. »Whiteman« ist das einzige herausragende Feature. Die Bedeutung dieses Hefts liegt darin, dass hier ein Künstler die © Crumb Hosen runterlässt und sich mit seinen Schrullen Herr Natürlich © Crumb und Meinungen frech exhibitioniert. Im Comic- bereich ist das eine Premiere. Mister Underground: Robert Crumb »Die amerikanische Kultur hat mich schon als Am Anfang war das Heft. Kind angewidert«, gab Crumb für den Spielfilm Und das Heft war von Crumb. über ihn zu Protokoll. Crumb machte ZAP und die Co- Kein Wunder, dass er nach vier Jahren als Post­ mics waren erwachsen. karten ­ Sie gelten als Startschuss ei- illustrator in Cleveland über Umwege nach San ner »Gegenkultur«- Francisco flüchtet, der wilden Stadt an der West­ Industrie. Innerhalb der Sieben gegen das Establishment küste, wo sich in den späten 60er­Jahren eine rigide kontrollierten US- Verlagsszene sind in Die ersten sechs Ausgaben (es erscheinen nur sechs Community von Freaks, Hippies und Außenseitern diesen Jahren keinerlei Experimente möglich. bis ins Jahr 1972) von ZAP verkaufen sich in mehr Comichistorisch kolportiert wird, dass Crumb trifft. Crumb haust für drei Dollar Tagesmiete in ei­ Dieses Heft bewies, dass auch alternative Inhal- facher Auflage über eine Million Mal! - und seine Frau die erste Ausgabe druckfrisch aus ner Bruchbude, wirft Drogen ein und produziert wie te ihren Markt finden. Vertriebsweg für die Pro- Folgerichtig setzt um 1970 herum ein Goldrausch einem Kinderwagen heraus auf der Straße ver- © Crumb bewusstlos Comicseiten (»Stream­of­consciousness dukte des »Underground« sind die Head Shops, des Underground ein. Autobiografische, politische, kauft hätten. Der Künstler hat an diesem legen- comic strips that didn’t have to make any sense«). die bereits mit psychedelischen Postern handeln verrückte, pornografische »Comix« schießen aus dem dären 25. Februar wohl nur kurz vorbeigeschaut. Crumb werkelt ab 1967 in San Francisco vor sich hin und mit einem Netz von Druckern und Kleinver- Boden wie psychogene Pilze – HOME GROWN FUN Die Verkäufe erledigen sein Verleger Donahue, und beliefert die New Yorker alternative Stadtzeitung legern in Kontakt stehen. NIES, GOTHIC BLIMP WORKS, SNARF, MOTOR- seine Frau Dana und deren Freundin Mimi; die »East Village Other« mit Comics. Zudem erscheint er Die wiederum ziehen Künstler an, die sich CITY COMICS, SNATCH, YOUNG LUST, BIJOU Erlöse liegen bei 20,50 Dollar, verkauft werden im Magazin »Yarrowstalks«, eine Hippiezeitung in Phi­ schnell untereinander vernetzen. ZAP-Macher FUNNIES, BIZARRE SEX, SKULL, WIMMEN’S 82 Exemplare zum Preis von je 25 Cent. ladelphia. Der dortige Verleger, Brian Zahn, lässt ihn Crumb wird dem wilden S. Clay Wilson vorge- COMIX. Selbst Marvel steigt 1974 mit fünf Ausga- ein ZAP COMIX Nr. 0 zeichnen, brennt jedoch mit dem stellt, der augenblicklich bei Nummer 2 mitmachen ben von COMIX BOOK in den bald totgerittenen ZAP COMIX Nr. 2 Artwork durch, angeblich um sich ein Ticket nach Tibet darf. Als nächsten lädt Crumb den Boom ein! Kastration. Vier Künstler gestalten diese dicke- (erleuchtungshalber) leisten zu können. Postermaler Rick Griffin zur Mit- COMIXENE möchte einen Rückblick halten auf die re, auch teurere Ausgabe von 52 Seiten Umfang. An der Westküste werden derweil der Verleger Don arbeit ein, der hat seinen Kumpel Pioniertage von ZAP. Was war konkret drin in diesen Die Postermaler Rick Griffin und Victor Mosco- Donahue und der Drucker Charles Plymell auf Crumb Victor Moscoso im Schlepptau. explosiven Ausgaben? Worin besteht das revolutionäre so beeindrucken mit grafischen, meist wortlosen aufmerksam und bieten ihm an, ein Heft zu publizieren: Im Herbst 1968 ist ZAP mit seiner Potenzial? Ist das heute überhaupt noch interessant? Spielereien – und sehen sich dabei mitunter zum ZAP COMIX Nr. 1 erscheint zum Jahresanfang 1968 in vierten Ausgabe ein Erfolg, auch Verwechseln ähnlich. Auffällig ist, dass die bei- San Francisco mit einer Auflage von ca. 4.000 Exem­ weil nun Gilbert Shelton mit an den 15 ihrer insgesamt 20 Seiten darauf verwen- plaren. Der Rest ist Comicgeschichte: Im selben Jahr Bord ist. Im Folgejahr holt man ZAP COMIX Nr. 1 den, Disney-Motive (konkret Micky Maus und Die Kinderwagen-Legende. Die Ausgabe ist komplett folgen noch ZAP Nr. 2 und 3 sowie die rekonstruierte sich Verstärkung durch Robert Donald Duck) ins Groteske zu ziehen. Ein Auf- von Crumb gefüllt und attackiert uns zum Auftakt Nullnummer (als drittes Heft in der Publikationsfolge). Williams und Spain Rodriguez; begehren gegen den Unterhaltungskonzern aus mit seiner Sicht des Normalo-Amerikaners: »Whi Crumbs vordergründig harmloser Cartoonstil und dieses Kollektiv von sieben Zeich- dem südkalifornischen Burbank? teman« ist eine furiose Parodie auf die Zerrissenheit- die plakative Umsetzung seiner Ideen machen ihn zur nern gestaltet das Heft 15 Ausga- S. Clay Wilson steuert eine erste Langgeschich- und Ängstlichkeit des US-Bürgers, durch die Normen grafischen Gallionsfigur seiner ganzen Generation. ben lang, die in einem Zeitraum te bei, 14 Seiten »The Hog-Ridin‘ Fools«, eine der Gesellschaft an die Kette gelegt. (Bild rechts) 1973, mit 30 Jahren, ist aus dem gehemmten Soldaten­ von 36 Jahren entstehen. schräge Fantasie über eine Motorradgang mit › sohn aus Philadelphia ein Künstler­Superstar geworden. 12 13 zap underground zap underground Duck­Variationen von Moscoso Bier trinkenden, sich »männerphantasien«, wo er als Beleg dient, dass hunger sowie die Vorstellung des »Zap Comix Das sensationelle Cover präsentiert Crumb in Hochform: der prügelnden Schlampen, sich Sexualität in Männerbünden »nicht zwischen Dream Girl of the Month« – Angelfood Mc- in fötaler Position elektrifizierte, neue (neu geborene) Mensch. die vom Checkered De- Personen abspielen kann, sondern sich nur gegen Spade. Crumb beschwört darin das Klischee Nackt erweckt in einem nackten Raum. Offenbar erlebt er mon (einem Teufelchen Personen zu richten scheint, immer mit einem Ge- einer afrikanischen Wilden mit sexuellem Ap- einen Quantensprung im Bewusstsein – dank Comiclektüre! in karierter Hose) aufge- waltakt gekoppelt«.] petit und enormen Reizen, die weiße Männer mischt wird. Es kommt Eine Seite, die die anderen >Zapster< tief be- um den Verstand bringt. Ist das rassistisch? ZAP COMIX Nr. 3 zu Obszönitäten und eindruckt. Eine Seite, die ein Meilenstein der Co- Einerseits ja, andererseits vereinigen sich hier Jam Session Gewalt, die den Leser micgeschichte sein dürfte. Ab jetzt ist im Comic Schwarz und Weiß (wortwörtlich), sogar gegen Dieses Heft erscheint zum Jah- den Kopf schütteln las- alles möglich. ein Verbot der Obrigkeit (diese Verbindung resende 1968 und ist in Voraus- sen. Zwei weitere Ein- Crumb hält sich zurück und liefert nur 15 Seiten wird als »illegal« deklariert). Ruft Crumb uns schau aufs kommende Jahr eine zelseiten von ihm ma- plus Titelbild. Neben einer Mr. Natural-Story eine zum Querbeetvögeln über alle Rassen- und »Special 1969 Issue«. Den Spaß chen dann klar, dass vergessenswerte Moritat um Hamburger-Heiß- Klassenschranken auf? mit der »69« setzen die Zapster for- dieser Zeichner keine Underground-Comics lassen Spielraum mal mit einem Wende-Cover um. Tabus kennt. In »Shitting für Interpretationen, sind kontrovers, geben ZAP Nr. 3 kennt keine Rückseite, Pretty« wird mit Fäkali- Anlass zur Empörung – und erweitern schon man schlägt eins der Cover auf, en geworfen, in »Head damit unseren Horizont. ZAP Nr. 2 ist inter beginnt mit der Lektüre und stellt First« wird ein mons- essant, die Abwechslung ist bereichernd und- in der Heftmitte fest, dass man das Heft drehen muss, um die tröser Penis >geköpft< macht das Heft zur prallen Wundertüte aus zweite Hälfte lesen zu können. Das Centerfold ist ein geni- und die Eichel verspeist. Kunst und Trash. aler Illustrationsspaß von Moscoso, der diese »69« tatsäch- [Deutsche Studenten der lich mit Pseudo-Donald-und-Daisy ins Bild setzt und damit 80er-Jahre kennen diesen auch inhaltlich rechtfertigt. Comic aus Klaus The- Kastrationsszene unter Seeleuten, wann gab es weleits Standardwerk das schon mal im Comic? © Wilson Crumbs Clique bei ZAP COMIX Die Mitarbeit beim führenden Undergroundheft hat (geb. 1936) feudalistische Züge: Die ZAP­Zeichner regieren ihr Blatt Victor Moscoso »Rick kam vorbei mit einem ZAP Nr. 1 und meinte: wie
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