Open Publishing LMU Hans Peter Balmer Condicio humana oder Was Menschsein besage Moralistische Perspektiven praktischer Philosophie Hans Peter Balmer Condicio humana oder Was Menschsein besage Moralistische Perspektiven praktischer Philosophie Open Publishing LMU Mit Open Publishing LMU unterstützt die Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LMU dabei, ihre Forschungsergebnisse parallel gedruckt und digital zu veröffentlichen. Condicio humana oder Was Menschsein besage Moralistische Perspektiven praktischer Philosophie von Hans Peter Balmer Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München Text © Hans Peter Balmer 2018 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar überhttp://dnb.dnb.de Herstellung über: readbox unipress in der readbox publishing GmbH Am Hawerkamp 31 48155 Münster http://unipress.readbox.net Münsterscher Verlag für Wissenschaft Open-Access-Version dieser Publikation verfügbar unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:19-epub-41154-9 978-3-95925-067-2 (Druckausgabe) 978-3-95925-068-9 (elektronische Version) Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................. 1 1 Einleitung: Was ist das? .................................................................. 3 2 Antike Grundlagen ........................................................................ 13 2.1 Gnomische Apperzeption und praktische Philosophie ........... 20 2.2 Altorientalische und biblische Weisheit .................................. 31 2.3 Römisch-hellenistische philosophia moralis ............................ 37 2.3.1 Humanität: Cicero .......................................................... 44 2.3.2 Zur menschlicheren Gesinnung: Seneca ....................... 51 2.3.3 Menschenfreundlichkeit: Plutarch ................................ 60 3 Humanistische Renaissance ........................................................ 65 3.1 Individuelle Selbsterfahrung: Petrarca .................................... 68 3.2 Liebesdinge: Boccaccio ............................................................ 72 3.3 Politik: Machiavelli, Guicciardini .............................................. 74 3.4 Aus Schaden klug: Cardano...................................................... 80 3.5 So geboren, so angelegt, so beschaffen: Erasmus von Rotterdam ................................................................................ 87 4 Klassische Ausprägung ................................................................. 99 4.1 Integral Menschsein: Montaigne ............................................. 99 4.2 Taktik öffentlichen Lebens: Francis Bacon ............................ 107 4.3 Menschsein zwischen Wollen und Vollbringen: Shakespeare ........................................................................... 114 4.4 Umsichtige Selbstbewahrung: Baltasar Gracián .................... 119 4.5 Im Spiel menschlichen Mit- und Gegeneinanderseins: La Rochefoucauld ................................................................... 132 4.6 Was werden wir sein? Pascals Apologetik ............................. 146 4.7 Sitten des Jahrhunderts: La Bruyère ...................................... 158 4.8 Maßstab Menschlichkeit: Vauvenargues ............................... 172 4.9 Früchte der vollendeten Zivilisation: Chamfort ..................... 179 VI Inhaltsverzeichnis 5 Von Kant zu Nietzsche ................................................................ 195 5.1 Humaniora, wahre Humanität: Kant ...................................... 195 5.2 Philosophieren können sie alle, sehen keiner: Lichtenberg .. 217 5.3 Maximen, Reflexionen, Aperçus: Goethe .............................. 235 5.4 Aphorismen zur Lebensweisheit: Schopenhauer .................. 258 5.5 Damit besser gewusst, besser gelebt werde: Nietzsche ....... 275 6 Zur Fortführung ........................................................................... 301 6.1 Schönheit und Güte der Menschen – wovon sie kommen: Musil ....................................................................................... 301 6.2 Minima Moralia: Adorno ........................................................ 319 6.3 Paare, Passanten: Botho Strauß ............................................. 344 7 Schluss: Was uns angeht, was bei uns steht ........................... 385 Literaturverzeichnis ......................................................................... 403 Vorwort Wie wir versuchen uns zu verständigen was Menschsein besage, das soll in den folgenden Kapiteln nachgezeichnet werden. Der unum- gängliche Versuch der Verständigung, die nie auszusetzende Aufforde- rung dazu, das ist es, was in erster Linie der Schlüsselbegriff Condicio humana anzeigt, weit bedeutsamer und vordinglicher als alle essenzi- elle Festlegung. Es geht um das Gespräch, das wir sind. Es zu erhellen, bewusst zu machen, stets und überall, ist eine komplexe, zentrale, dyna- mische Thematik. Der Verfasser greift sie erneut auf, da sie ihm nahe- ging von Anfang an, so sehr, dass dafür manches zurückstehen musste, Schöneres, Tieferes vielleicht. Doch uns zu kennen, die wesentlichen Bedürfnisse, das gesamte Potenzial, das leidet keinerlei Schmälerung. Was wir an uns haben, wie wir darüber reden, das darf nicht aus dem Blickfeld geraten. Steigen die Selbstzweifel, schwindet das Zutrauen in die Möglichkeiten der Selbstbehauptung, versickert der Diskurs der Humanität, so wächst umso mehr die Herausforderung dessen, was im Menschen das Menschliche ausmacht. Gestützt auf eine Reihe vorausgegangener Veröffentlichungen wurden Partien der folgenden Ausführungen wiederholt in Lehrveranstaltun- gen behandelt, zuletzt im Sommersemester 2017 im Seniorenstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dank der Unter- stützung durch die Universitätsbibliothek kann nunmehr die Publi- kation erfolgen, in Printversion und zugleich digital im World Wide Web, den Interessierten überall zur Verfügung. München, 29. September 2017 Hans Peter Balmer 1 Einleitung: Was ist das? Die Frage des Menschen nach sich selbst ist eine, wenn nicht die Grundfrage der Philosophie. Und weil das weit weniger eine theore- tisch-vergegenständlichende als vielmehr eine praktisch-kümmernde Frage ist, besteht nachhaltig ein Bedürfnis nach betont zugewandtem Philosophieren, einem unterstützenden, hilfreichen, im nie erlahmen- den Bemühen zu erkunden, was es auf sich hat mit dem Menschsein, was es besagt, was es kann und soll und darf. Unerlässlich, überall und jederzeit, ist angemessene Selbstverständigung. Menschlichkeit ist nie- mals definitiv gesichert, sondern im Gegenteil vielfach gefährdet. Ver- werfungen aller Art, Unmenschlichkeit drohen immerzu. Alles ist im Fluss. Nachgerade gerät in den Bereich des Möglichen, dass die Orga- nisation der Großstrukturen (unterdessen Globalisierung genannt) in ein völlig dehumanisiertes, sich selbst steuerndes biotechnisches Sys- tem umschlägt. Was im Zuge der Evolution vorgeht, hat an der Schwelle zum zwan- zigsten Jahrhunderts Nietzsche vielfach angedeutet. Als die Grund- kräfte, worauf alle ‚höhere Kultur‘ aufbaut, hat er Rohes, Unansehnli- ches, Grausames ausgemacht.1 Die Menschheit verwendet schonungslos jeden Einzelnen als Material zum Heizen ihrer grossen Maschinen: aber wozu dann die Maschinen, wenn alle Einzelnen (das heisst die Menschheit) nur dazu nützen, sie zu unterhalten? Maschinen, die sich selbst Zweck sind — ist das die umana commedia?2 1 „Fast Alles, was wir ‚höhere Cultur‘ nennen, beruht auf der Vergeistigung und Vertie- fung der Grausamkeit – dies ist mein Satz“ (J 229, KSA V 166; vgl. GM II; EH, GM). – Nietzsche wird abgekürzt zitiert: Sigel für das Werk, Buch, Kapitel, Paragraph; da- rauf, der Verweis auf Band und Seite der Kritischen Studienausgabe (KSA)). 2 MA I 585, KSA I 337. Nietzsche erkannte auf „Ein ungeheures Räderwerk von immer kleineren, immer feiner ‚angepassten‘ Rädern” (NF-1887,10[17], KSA XII 462), wo- von er verschiedentlich sarkastische Darstellungen gab (ebd. 10[11], KSA XII 459 f.). 4 1 Einleitung: Was ist das? Was aber schließlich überhaupt auf dem Spiel steht, global, kosmisch, das hat Nietzsche zu Beginn einer programmatischen Skizze in der Weise eines Anti-Märchens vorgebracht, eines katastrophalen, buch- stäblich nichtigen: In irgend einem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Thiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmüthigste und ver- logenste Minute der ‚Weltgeschichte‘: aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Athemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Thiere mussten sterben.3 Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts bestehen anti-, trans- wie posthumanistische Bestrebungen aller Art. Sie zielen auf Optimie- rung des (gesellschaftlichen) Funktionierens, unbekümmert, losgelöst, und ganz „ohne Berufung auf die Idee des Menschen“.4 Sie folgen der Überzeugung, die – angeblich episodär belanglose – humanistische Tradition habe ohnehin nichts aufzuweisen, was zur „Entdeckung des ‚Menschlichen‘, der Wahrheit des Menschen, seiner Natur seiner Ent- stehung, seiner Bestimmung“ zu führen vermocht hätte.5 Im Rahmen diskursanalytischen Denkens kam Michel Foucault zu dem Schluss, was unterdessen als Humanismus galt, sei weiter nichts
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