Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 19. Januar 2006 797 Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: ZP 4 Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Petra Pau und der Frak- Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus- tion der LINKEN eingebrachten Entwurfs eines schusses für Kultur und Medien auf Drucksache 16/366. Zweiten Gesetzes zur Änderung des Aufent- Zu dieser Abstimmung liegen mir Erklärungen nach haltsgesetzes und anderer Gesetze § 31 unserer Geschäftsordnung vor, und zwar von Swen Schulz (Spandau), Jörg-Otto Spiller, Detlef – Drucksache 16/369 – Dzembritzki, Klaus Uwe Benneter, Petra Merkel Überweisungsvorschlag: (Berlin), Dr. Ditmar Staffelt, Gunter Weißgerber, Innenausschuss (f) Rechtsausschuss Mechthild Rawert, Lothar Mark, Rainer Fornahl, Katrin Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Göring-Eckardt und Anja Hajduk.1 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/98 mit dem Titel keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. „Abriss des Palastes der Republik stoppen“. Unter Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die diesem Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Tagesordnungspunkt nicht folgen wollen, den Saal zu Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion des verlassen und ihre Gespräche außerhalb des Saales fort- Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/60 mit zusetzen. – Sie verlängern durch Ihr Verhalten die dem Titel „Abrissmoratorium für den Palast der Repu- Dauer unserer heutigen Sitzung wesentlich. Deshalb blik“. noch einmal die herzliche Aufforderung, die Gespräche Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist vereinbart, außerhalb des Saales fortzusetzen. dass über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kultur und Medien zu den beiden genannten Anträgen Kollege Josef Winkler, Bündnis 90/Die Grünen. in einer namentlichen Abstimmung abgestimmt wird. Wer die Anträge ablehnt, muss also mit Ja für die (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ Beschlussempfehlung des Ausschusses stimmen. DIE GRÜNEN) Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- den Urnen besetzt? Auch an der hinteren Urne? – Das NEN): ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wol- Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine len wir die inhumane Praxis der Kettenduldungen für Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. langjährig in Deutschland lebende Flüchtlinge endlich Ich schließe die Abstimmung und bitte die beenden. Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 2 Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Ausländerinnen und Ausländern, die sich am Wir setzen unsere Beratungen fort. 31. Dezember 2005 seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig oder geduldet in Deutschland aufhalten, Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 sowie Zusatz- kann von den Ausländerbehörden eine punkt 4 auf: Aufenthaltserlaubnis erteilt werden; das ist Inhalt 11 Erste Beratung des von den Abgeordneten Josef unseres Gesetzentwurfs. In Härtefällen, zum Beispiel Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Wolfgang bei Traumatisierten oder minderjährigen Flüchtlingen Wieland, Claudia Roth (Augsburg) und der Frak- ohne Begleitung ihrer Eltern, kann von der Fünf-Jahres- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Frist abgesehen werden. Mit der Erteilung der eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes Aufenthaltserlaubnis wird es insbesondere den zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes geduldeten Jugendlichen endlich ermöglicht, eine (Altfall-Regelung) Ausbildung anzutreten oder zu arbeiten. Damit ist ihnen eine sinnvolle Zukunftsperspektive eröffnet. – Drucksache 16/218 – Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Rechtsausschuss Leider bietet das Zuwanderungsgesetz für die große Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Gruppe der langjährig Geduldeten nicht die gewünschte Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Lösung. Was fehlt, ist eine unbürokratische Regelung, die es den Ausländerbehörden möglich macht, den Be- troffenen einen rechtmäßigen Aufenthalt zu erlauben. Diese Lücke würde mit dem durch uns vorgelegten Ge- ______ setzentwurf geschlossen. 1Anlagen 2 bis 6 Der kürzlich bekannt gewordene Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums zur Änderung des 2 Zuwanderungsgesetzes enthält demgegenüber leider Ergebnis Seite 801 C keine Übergangs- oder Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete oder Asyl suchende Flüchtlinge, 798 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 19. Januar 2006 obwohl im Koalitionsvertrag angekündigt war, das Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie Zuwanderungsgesetz im Hinblick auf humanitäre sehr herzlich bitten, unseren Antrag zu unterstützen. Er Lösungen für Menschen mit einer Kettenduldung zu dient der notwendigen Integration von Menschen, die evaluieren, und obwohl auch die nach jahrelanger Ungewissheit eine tragfähige Innenministerkonferenz kürzlich den Gesetzgeber Zukunftsperspektive in Deutschland brauchen. aufgefordert hat, Verbesserungsvorschläge vorzulegen – Herzlichen Dank. natürlich nachdem sie sich selber nicht zu einem besseren Vorschlag durchringen konnte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Max Stadler [FDP] und Der Anspruch des Zuwanderungsgesetzes, die Ket- der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) tenduldungen abzuschaffen, kann ohne eine Bleibe- rechtsregelung nicht erfüllt werden. Bisher konnte nur eine Minderheit der geduldeten Flüchtlinge die auslän- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: derrechtlichen Hürden auf dem Weg zu einer Aufent- Das Wort hat der Kollege Reinhard Grindel, CDU/ haltserlaubnis überspringen. Dies liegt zum einen an den CSU-Fraktion. vorläufigen Anwendungshinweisen, die das Bundes- innenministerium – schon unter der alten Koalition – er- Reinhard Grindel (CDU/CSU): lassen hat, zum anderen aber auch an den restriktiven Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlassregelungen einzelner Bundesländer und an der An den Beginn unserer Debatte gehört eine Tatsache, dass immer noch nicht alle Länder eine Härte- Feststellung: Wir haben im Rahmen der Beratung des fallkommission eingerichtet haben. Bayern und Bremen neuen Zuwanderungsgesetzes ausführlich über eine zum Beispiel haben es unterlassen, diese Möglichkeit zu Bleiberechtsregelung diskutiert. Wir haben uns damals nutzen. Aber auch wenn eine Härtefallkommission gemeinsam – CDU/CSU, SPD, FDP und auch die existiert – wie in Baden-Württemberg –, heißt dies noch Grünen – gegen eine Bleiberechtsregelung entschieden. lange nicht, dass humanitäre Fälle auch tatsächlich von Wir haben aber sehr wohl eine Verbesserung der dieser Kommission gelöst werden. Aufenthaltssituation ausreisepflichtiger Ausländer beschlossen, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Ich will Ihnen ein dramatisches Beispiel vortragen: Gründen nicht ausreisen können. Darüber hinaus haben Die türkisch-kurdischen Geschwister Mükrime und wir eine Härtefallregelung vorgesehen. Ibrahim Gümüs, beide Anfang 20, stehen unmittelbar vor der Abschiebung, obwohl sie schon seit 18 Jahren in Kollege Winkler, das Zuwanderungsgesetz ist jetzt Deutschland leben, hier einen Schulabschluss gemacht seit einem Jahr in Kraft. Einzelne Gesetzesänderungen haben und arbeiten. Sie sind mit ihren Eltern als Klein- wirken erst seit einigen Monaten. Deswegen ist es völlig kinder aus der Türkei geflohen. Die Mutter und die min- richtig, dass wir uns in der großen Koalition darauf ver- derjährigen Geschwister haben seit dem Jahr 2002 einen ständigt haben, die Erfahrungen mit diesen beiden Maß- rechtmäßigen Aufenthaltsstatus. Dieser gilt aber nicht nahmen des neuen Zuwanderungsgesetzes intensiv zu für die zu diesem Zeitpunkt bereits volljährigen untersuchen. Geschwister Mükrime und Ibrahim. Ein Antrag auf Auf- Die von Ihnen angesprochene Gesetzesänderung hat nahme in die Härtefallregelung des Zuwanderungsgeset- damit nichts zu tun. Da geht es um die Umsetzung von zes wurde von der baden-württembergischen Kommis- elf EU-Richtlinien. sion am 15. November letzten Jahres abgelehnt. Nun droht den Geschwistern die Familientrennung durch die Ich finde in Ihrer Antragsbegründung keinen Abschiebung in ein Land, an das sie nicht einmal mehr einzigen Ansatzpunkt, warum schon zum jetzigen eine schwache Erinnerung haben. – Dies ist leider kein Zeitpunkt eine neuerliche Rechtsänderung nötig sein Einzelfall, sondern nur die Spitze des Eisbergs. Daher soll; denn es gibt keine Lücke. In Wahrheit wollen Sie sind wir der Meinung, dass keine Zeit mehr mit Warten mit Ihrem Antrag vom Zuwanderungskompromiss und weiterem Evaluieren zugebracht werden darf, dass abrücken, den Sie mit uns beschlossen haben. die Betroffenen endlich ein Bleiberecht erhalten müssen (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE und dass ihr Aufenthalt langfristig abgesichert werden GRÜNEN]: Das ist nicht wahr!) muss. Sie sind nicht für mehr Integration, sondern für mehr (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zuwanderung. sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dr. Michael Bürsch [SPD] und des Abg. (Josef Philip
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