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Rezensionen: Bücher Theresa Henkel und Franzpeter Mess mer (Hrsg.), Klaus Hinrich Stah mer (Ko mponisten in Bayern, Bd. 60), Allitera Verlag, München 2016, 141 S. Seit ihrer Grü ndu ng 1983 wid met sich die Reihe Ko mponisten in Bayern aus Bay- ern sta m menden oder in Bayern wirkenden Ko mponisten und Ko mponistin- nen des 20. und 21. Jahrhunderts. Der Gründer der Reihe, Alexander L. Suder verstand Ko mponisten in Bayern als Be mühung, die gegen wärtigen Ko mponis- ti n ne n u n d K o m p o niste n B a yer ns i n ei ner v o n S c h nellle bi g keit ge pr ä gte n Z eit vor de m Vergessen zu schützen. Der 60. Ba nd beleuchtet in acht Aufsätzen u nd Intervie ws Leben, Werdegang und Werk Klaus Hinrich Stah mers. Wie in den Bä nden der Reihe üblich, eröff net eine kurze Biografie den Ba nd. Christoph Taggatz trägt in seine m Beitrag Lebenslinien Stah mers Werdegang zusa m men. Er beschreibt dessen Kindheit während und nach de m Z weiten Weltkrieg, der Sta h mer sei ner Wurzel n beraubte, u nd die trotz der Wirren von Musik geprägt war. Sta h mer w urde 1941 i n Stetti n, heute Szczeci n, gebore n. Kurz vor de m Kriegsende flüchtete seine Fa milie in ein kleines Dorf i m Marburger U mland, 1947 folgte ein U mzug nach Lüneburg, wo sein Vater als Musikdozent an der Pädagogischen Hochschule in der Lehrerbildung tätig war. Schon früh er hielt St a h mer U nterric ht a n der Bl oc k fl öte, a m Kl a vier u n d a m C ell o. Die Er - läuterungen zu seiner Studienzeit lassen so wohl Stah mers divergierende Ko m- positionsstile als auch sei ne Berufs wa hl als Professor f ür Musik wissenscha f a n eine m praxisorientierten Ausbildu ngsinstitut als folgerichtig u nd logisch er- scheinen. Ab 1959 studierte Stah mer in Dartington, Trossingen, Ha mburg und Kiel Schul musik, Violoncello, Musiktheorie und Musik wissenscha f. Es folgte eine Pro motion in Musik wissenscha f an der Universität Kiel, eine Assistenz ebendort, bevor er schließlich an das Bayerische Staatskonservatoriu m Würz- burg (später Hochschule für Musik) wechselte. Dort u nterrichtete er Musik wis - senscha f (ab 1977 hatte er ei ne Professur i n ne), betreute das „Studio f ür Neue Musik“ und arbeitete an seinen eigenen Schri fen und Ko mpositionen. Der z weite Beitrag ist ein Gespräch z wischen Kollegen. Christoph Wünsch, seit 2004 Professor in Würzburg, reflektiert i m Gespräch mit seine m Vorgän- ger Stah mer über die Ganzheitlichkeit von Musik, den Musikhochschulstand- ort Würzburg und Stah mers Einflüsse bei m Ko mponieren: Dabei nennt er die Kü nstler der Arte Povera, Ko mponisten wie Joh n Cage u nd Luc Ferrari mit i hrer Radikalität u nd Ei nfachheit, aber auch den Philosophen u nd Schri fsteller Jea n Gebser, der ih m die Türen zur au ßereuropäischen Kultur geöff net hat, i nde m er in seine m Werk zur Be wusstseinsgeschichte die Zusa m menhänge verschiedener Hoc hk ult ure n aufzeigte (S. 22). Herzstück des Bands ist Stah mers eigener Aufsatz Auf der Suche nach einer neuen Tonalität, i n de m er die Phasen sei ner Ko mpositionsstile vorstellt. Sei nen 2 6 2 Rezensionen: Bücher frühen ko mpositorischen Ansatz erklärt er mit der nach de m Z weiten Weltkrieg gefeierten Musik Schönbergs, Bergs und Weberns. Später wurde Stah mer durch Adorno beeinflusst. Seine Abkehr von der Tonalität in den späten 1960ern und 70er n beschreibt der Ko mponist fast als „ei ne Mode“ (S. 25). I m A nschluss zeigt Stah mer Beispiele seiner Kla nglabyrinthe u nd deren Ko mpositionsprozess, z. B. in Ho m mage à Daidalos (1988) oder Weg nach Innen (1991). Sein Studiu m der au- ßereuropäischen Musik und die Ko mpositions weise mit geschlossenen Tonsys - te me n br ac hte St a h mer z u de m, w as er als „ric hti ge n We g“ betitelt: sei ne M usi k war „geerdet“ (S. 35). Der Rest des Aufsatzes erläutert die Vorgehens weisen bei verschiedenen Stücken, die auch teil weise Reduktionsverfahren und außereuro- päische Instru mente miteinbeziehen. Der Aufsatz ge winnt besonders durch die zahlreichen Abbildungen von Kunst, Skizzen und auch die erklärenden Noten- beispiele, die Sta h mers Worte u nterstreichen u nd verdeutlichen. Hart mut Lück schreibt i m Aufsatz Musik, Ge walt, Frieden über Stah mers po- litisch motivierte Ko mpositionen, mit denen Stah mer Denkanstöße zu geben ver mag. Diese grenzen sich von den geschichtlich motivierten Werken a nderer Ko mponisten ab. Lück geht auf ei nige Ko mpositionen Stah mers näher ei n: u.a. bezieht sich Stah mer in seine m Werk Winter märchen für drei Sprecher, Klari- nette u nd Streichquartett (1981) auf die Teilu ng Deutschla nds i n BRD u n d DDR . Er verdeutlicht diese Teilung durch die Rezitation von Teilen aus de m Grund - gesetz der BRD u nd ei nes Leserbriefs ei nes DDR -Bürgers, der in der Wochen- zeitschri f Die Zeit abgedruckt wurde. Zude m wird aus Heines Deutschland, ein Winter märchen gelesen. Die Besetzu ng eri nnert a n ei n Klari nettenqui ntett und ver weist da mit auf ko mpositorische Traditionen Deutschlands. Stah mer geht bei seinen politischen Ko mpositionen aber auch über Deutschla nd hinaus und beschä figt sich mit globalen fe men wie Angst, Kriegsverluste, Anti-Se - mitis mus oder der südafrika nischen Apartheit. Auch i n diese m Kapitel tragen Notenbeispiele zu ei ne m tieferen Verstä nd nis bei. I m Aufsatz écoute-les s’ajouter les mots stellt Kilia n Sprau Sta h mers sprach- bezogene Musik in den Vordergrund. Ungefähr die Häl fe von Stah mers Ko m- positionen stehen i n Beziehu ng mit Sprache, teil weise si nd sie Vertonu ngen von Texte n, teil weise si nd die Texte eher als „ Material“ (S. 65) zu verstehe n, ver - gleichbar mit Leoš Ja náčeks Sprech melodien. Stah mers Fokus liegt auf Schri f- stellern des 20. und 21. Jahrhunderts wie Hans Magnus Enzensberger, Hans Georg Bulla oder Wolfgang Hilbig. Er arbeitet aber auch mit anglo-a merika - nischen, italienischen, spa nischen u nd arabischen Texten, teil weise i n phone - tischer U mschri f. Wieder werden einzelne Werke genauer unter die Lupe ge- no m men und beschrieben, wie z. B. Ein Hauch von Glück (1982) nach Texten des Dada- Dichters Hans Arp, in de m die Singsti m me einen spielerischen U mgang be weist: sie cha ngiert z wische n Flüsterton u nd Gesa ng (S. 71). Sprau schlie ßt i n 2 63 Rezensionen: Bücher elega nter Weise mit eine m Zitat Stah mers, das sich auf das Wort-Ton- Verhält- nis sei ner Ko mposition Inschri f der Vergänglichkeit – in me moria m Nelly Sachs (2016) bezieht: „écoute-les s’ajouter les sons“ (S. 82) – höre i h ne n z u, f üge die Kl ä n ge hi n z u. Ein weiteres Intervie w, geführt von Elisabeth Donoughue, the matisiert Stah - mers Fre mdheit in der Hei mat und seine Ver wurzelung in der Fre mde durch die Beziehung zur außereuropäischen Klang welt. Stah mer e mpfindet in unserer globalisierten Welt ein eurozentriertes Denken als u na ngebracht; in den Nach- kriegsja hren war er froh über den welt weiten Kontakt durch die Inter nationale Gesellscha f für Neue Musik, die ih m über die „Enge“ der Philosophie Ador - nos und der „sogena nnten ‚ Ava ntgarde‘“ hin weghalf (S. 83). Stah mer ver wendet S k ale n u n d M o di a n derer M usi ke n als M o dell f ür sei ne ei ge ne n S k ale n, will sie a ber nic ht n ac h a h me n; sie die ne n i h m le di glic h als „I ns pir ati o n f ür et w as Ei ge - nes“ (S. 84). Ebenso verhält es sich mit seiner Ver wendu ng außereuropäischer Instru mente wie der Koto, Guzheng oder der Shakuhachi. Stah mer ver wahrt sich gegen die A nschuldig u ng des Neo- Kolonialis mus; er versteht sich als i n der westlichen Musik geschulter Ko mponist, der sich auch von anderen Musiken an - rege n lässt, dabei westliche u nd nicht- westliche Musik als gleich wertig a nsieht. Fra nzpeter Mess mer beleuchtet in seine m Aufsatz Eigene Tonsprache mit afri - kanischen Ele menten besonders Stah mers Hin wendung zur afrikanischen Kul- tur und genauer zu dessen Ko mposition fere is no Return (1998). Das Stück f ür Fl öte, z wei S c hl a g z e u ger u n d Kl a vier, s o St a h mer sel bst, ist die K ul mi n ati o n eines acht Jahre währenden Lernprozesses, in de m die afrika nische Sprechtro m- mel mit veränderbaren Tonhöhen das zentrale Musikinstru ment darstellt. Wie schon i n Hart mut Lücks Aufsatz a ngedeutet, the matisiert fere is no Return die A p art heit i n S ü d afri k a – d as G e dic ht N di m L o des A ut ors S a n dile Di ke ni, der gegen das Apartheitsregi me kä mpfe und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt w urde, notiert Sta h mer über die Melodie, sodass die Musikeri nnen u nd Musiker sich des Texts be w usst si nd, nicht aber die Höreri n ne n u nd Hörer.

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