Niklaus Ingold «Lichtduschen» war die Bezeichnung für kurze Bestrahlungen des Körpers mit Ultraviolettlicht. In den Strahlenabteilungen deutscher Lichtduschen Krankenhäuser entwickelt, vermarktete die Elektroindustrie das Geschichte einer Lichtduschen ab den 1920er Jahren als gesundheitsförderliches Gesundheitstechnik, Handeln, das Männern, Frauen und Kindern zu einem erfolgreichen Leben in der modernen Welt verhelfe. Regelmässige Selbstbe- Niklaus Ingold 1890–1975 strahlungen mit Heimsonnen sollten den Körper stärken und die interferenzen 22 Arbeits- und Leistungsfähigkeit steigern. Anders als die 1975 interferenzen 22 eingeführten elektrischen Solarien waren die älteren Ultraviolett- lampen also nicht nur zur Verschönerung des Teints gedacht. Anhand des Lichtduschens erzählt Niklaus Ingold die Geschichte der Verwissenschaftlichung und Kommerzialisierung der Lichtaus- setzung des Körpers. Die Untersuchung folgt einem technowissen- schaftlichen Projekt, das im 19. Jahrhundert mit der Verwendung elektrischer Lampen als Sonnenmodelle in lichtbiologischen Experi- menten und medizinischen Behandlungsversuchen begann. Neues Wissen und neue Praktiken zirkulierten nun zwischen industriellen Ballungsräumen und alpinen Heillandschaften. In der Forschungs- literatur, in lebensreformerischen Gesundheitsratgebern und in den Massenblättern westlicher Gesellschaften nahm eine spezi- fische Vorstellung gesunden Lichts Gestalt an. Lichtduschen ISBN 978-3-0340-1276-8 9 783034 012768 Lichtduschen Interferenzen Studien zur Kulturgeschichte der technik herausgegeben von David Gugerli Publiziert mit Unterstützung der etH zürich und des Schnitter-fonds für technikgeschichte niklaus Ingold Lichtduschen Geschichte einer Gesundheitstechnik, 1890–1975 Interferenzen 22 Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung im Rahmen des Pilotprojekts OAPEN-CH. Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Frühjahrssemester 2014 auf Antrag von Prof. Dr. Philipp Sarasin und Prof. Dr. David Gugerli als Dissertation angenommen. Informationen zum Verlagsprogramm: www.chronos-verlag.ch Umschlagbild: Werbebild der Quarzlampen GmbH für eine Kleine Höhensonne, undatiert. (Heraeus Noblelight GmbH) © 2015 Chronos Verlag, Zürich ISBN 978-3-0340-1276-8 5 Inhalt Vorwort 7 elektrosonnen 9 Moderner Lichthunger 11 Programmierte Apparate 16 Übersicht 18 Sonne und Apparate: Die Mobilisierung einer naturkraft (1890–1910) 23 Elektrifizierung mit Nebenwirkungen 24 Schweisstreibende Glühbirnen 32 Bakterientötendes Bogenlicht 40 Lichtbaden als Technikerlebnis 49 Richtungsstreit in der Lichttherapie 58 Konkurrenz um taugliche Ultraviolettstrahler 64 Apparate und Körper: Die erfindung des Lichtduschens (1900–1930) 77 Die medizinische Entdeckung des alpinen Lichtklimas 78 Neue Funktionen für Quarzlampen 87 Das umstrittene Pigment 92 Die Lösung für Dosierungsprobleme 102 Bewährungsprobe Rachitis 110 «Modebehandlung» und Ursache des «Höhensonnenkrebses» 120 Körper und Strahlen: Die Verwissenschaftlichung der Ultraviolettbehandlung (1900–1960) 129 Konjunkturen strahlenbiologischer Forschung 130 Lichtempfindliche Systeme in Organismen 140 Immunstoffe in der bestrahlten Haut 146 Verwirrung in der Vitamin-D-Forschung 154 Das «biologische Dunkel» der Bioklimatologie 159 Das leistungssteigernde Ultraviolettlicht 169 6 Strahlen und Gesellschaft: Lichttechnik für moderne Menschen (1920–1975) 179 Hochtechnisierte Erholungsräume 183 Infrastruktur zur Verbesserung der Bevölkerung 191 Das Stärkungsmittel Höhensonne 201 Unvereinbare Zustände der Vollkommenheit 207 Die Herstellung schöner Körper 213 Risikofaktor Ultraviolettlicht 221 Bestrahlungsräume 229 Bibliografie 233 Personenregister 275 7 Vorwort Dieses Buch befasst sich mit der Entstehung, Verbreitung und Veränderung von Wissen über die Bedeutung von Lichtstrahlen für die menschliche Gesundheit. Es handelt sich um die gekürzte Fassung meiner im Frühling 2014 von der Phi- losophischen Fakultät der Universität Zürich angenommenen Dissertation. Sie kam mit Unterstützung anderer Personen zustande, denen ich hier meinen Dank aussprechen möchte. Mein Interesse für den Gegenstand dieses Buches hat mit einem Seminar zur Lebensreformbewegung im deutschen Sprachraum zu tun, das ich 2003/04 am Historischen Seminar der Universität Zürich besuchte. Für diese anregende, zusammen mit Nicole Schwager und Patrick Kury angebotene Lehrveran- staltung, besonders aber für die wissenschaftliche Begleitung meiner später einsetzenden Forschung danke ich meinem Gutachter Philipp Sarasin. Er und Korreferent David Gugerli haben diese Arbeit mit ermutigendem Interesse und Vertrauen, kniffligen Fragen und präziser Kritik gefördert. David Gugerli danke ich zudem für die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe Interferenzen. Im Zürcher Graduiertenkolleg «Geschichte des Wissens» durfte ich mit Kolle- ginnen und Kollegen klärende Gespräche über Lektüren und Referate führen. Die Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und der Lehrstuhl für Medizingeschichte der Universität Zürich boten mir zahlreiche Gelegenhei- ten, um über meine Arbeit zu diskutieren. Regelmässige Gesprächspartnerinnen und -partner fand ich auch an der Professur für Technikgeschichte der ETH Zürich. Ich danke insbesondere Flurin Condrau, Lea Haller, Mark Honigsbaum, Erich Keller, Konrad J. Kuhn, Sibylle Marti, Iris Ritzmann, Sabina Roth, Alois Unterkircher, Janine Vollenweider, Gianna Virginia Weber, Andrea Westermann, Eberhard Wolff, Andreas Zangger und Philip Zölls für den Gedankenaustausch. Rohe und fertigere Passagen meines Manuskripts gelesen und mit sehr hilf- reichen Kommentaren versehen haben Sara Bernasconi, Sandra Eder, Lukas 8 Engelmann, Janina Kehr, Christian Schürer, Mischa Suter und Magaly Tornay; Marius Vogelmann hat zahllose Hinweise zur Verbesserung der Lesbarkeit gelie- fert – herzlichen Dank! Stellvertretend für alle Bibliotheks- und Archivmitarbeiterinnen und -mitar- beiter und für alle weiteren Personen, die meine Recherchen unterstützt haben, danke ich Daniela Hornung, die mich am Firmensitz der Heraeus Noblelight GmbH in Hanau empfangen hat. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um die Nachfolgegesellschaft der Quarzlampen GmbH, die ab 1906 medizinische Bestrahlungstechnik herstellte. Heraeus Noblelight hat mir Drucksachen und insbesondere Bilder der Quarzlampengesellschaft für diese Publikation zur Verfügung gestellt. Ein Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds ermög- lichte mir ungestörtes Forschen während drei Jahren. Dem Schnitter-Fonds für Technikgeschichte an der ETH Zürich danke ich für die Finanzierung der Publi- kation; dem Chronos Verlag für die gute Zusammenarbeit bei der Fertigstellung des Buches. Eine Schreibstube kann sich anfühlen wie eine verlorene Raumkapsel im All ohne antwortende Stimme (vgl. Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey). Mei- nen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl für Medizingeschichte, Freunden und Familie danke ich für ihr anhaltendes Verständnis und beharrliche «Verbin- dungskontrollen». Ganz besonders gilt dieser Dank Gabriela Hofer, die mich geduldig und umfassend unterstützt hat. Zürich, im Frühjahr 2015 9 elektrosonnen Sonnenlampen zählen wie Heizkissen, Haartrockner, Bügeleisen und Radio- apparate zu den ersten Geräten, die die westliche Elektroindustrie in der Zwischenkriegszeit an Privatpersonen vermarktete. Sie dienten kurzen Bestrah- lungen des Körpers mit Ultraviolettlicht – dem «Lichtduschen». Die Hersteller- firmen empfahlen Frauen, Männern und Kindern, alle zwei bis drei Tage Brust und Rücken für genau so wenige Minuten mit einer «Heimsonne» zu bestrahlen, dass Stunden später eine leichte Rötung der Haut erkennbar war.1 Dieses Ver- fahren hatten deutsche Lichttherapeuten in den 1910er Jahren zur Behandlung verschiedener Formen äusserer Tuberkulose entwickelt. Sie sprachen vom «Lichtduschen», um die kurzen Ultraviolettbestrahlungen in den Kliniken des Flachlands von ausgedehnten Sonnenbädern auf den Galerien von Sanatorien im Gebirge oder am Meer zu unterscheiden.2 Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre begannen Ultraviolettstrahler in den Worten deutscher Wissenschaftler zu einem «normale[n] Requisit des Badezimmers»3 zu werden. In Form fest montierter Lichttechnik gehörten die Strahler zu jenen neuartigen Errungen- schaften, durch deren Einbau Architekten die Technisierung des Wohnens zu einem Stilmerkmal moderner Architektur machten.4 Grössere Verbreitung in Privathaushalten werden Ultraviolettstrahler jedoch erst während der «Hoch- phase der Haushaltstechnisierung»5 ab den 1960er Jahren finden. 1938 schätzte ein Strahlenforscher, dass im nationalsozialistischen Deutschland nur «jede 1 SBH LA, I 20 A1226: Quarzlampen GmbH: Sommersonne, S. 6. 2 Thedering: Sonne, S. 17–18. Zur Sonnenbehandlung im Gebirge und am Meer siehe Carter: Rise, S. 57–59; D. Freund: Sunshine, S. 50–51; Woloshyn: «‹Kissed›»; dies.: «Le Pays». Für einen Überblick über Bestrahlungspraktiken im 20. Jahrhundert siehe Tavenrath: Sonnengebräunt. 3 Lehmann und Szakáll: «Einfluss», S. 280. 4 Eberhard: Maschinen zuhause, S. 149 und 237. Siehe auch Elsaesser: Bauten, S. 225. 5 Hessler: «Einführung», S. 298. 10 zwei- bis dreihundertste Familie»6 eine Heimsonne besitze. Weshalb aber sollten gesunde Menschen sich selbst und ihre Angehörigen überhaupt regelmässig mit Ultraviolettlicht behandeln? Wenn der Soziologe Rainer Paris die Benutzung eines elektrischen Solariums 2010 als eine «ausschliesslich kosmetische Operation»7 beschrieben hat, dann steht
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