Berner Oberländer/Thuner Tagblatt Dienstag, 7. August 2018 3 Region | VISIONEN FÜR DAS BERNER OBERLAND FUSION ZU EINER GEMEINDE GROSSTHUN Zusammenfügen, was zusammengehört In vielerlei Hinsicht flexibler – UNGLEICH VERTEILTE BAULANDRESERVEN und damit agiler: Das könnte Fusionen: Ja, aber . eine Gemeinde Grossthun Bauland in Thun und sechs Nachbargemeinden Wohnzone Mischzone Arbeitszone sein, das Fusionsprodukt aus Der Thuner Regierungsstatt- grossen Gemeinden Geld gespart der Stadt Thun und sechs ihrer halter Marc Fritschi befürwor- werden kann. «Der Aufwand Nachbargemeinden. tet Gemeindefusionen – aber nimmt exponentiell zu, weil es nur unter bestimmten Bedin- mehr Personal, mehr Hierarchie, Die Fahrt von Heimberg nach gungen. mehr Sitzungen und mehr zu Thun – vier Minuten im Zug, gut koordinieren gibt.» Doch heisst zehn Minuten mit dem Velo – Zimmerwald und Englisberg, Rig- es nicht immer wieder, durch die führt durch drei Gemeinden. gisberg und Rüti: Als der Thuner Zusammenlegung von Gemein- Beim Einwassern zur Aarefahrt Regierungsstatthalter Marc Frit- den könnten Synergien genutzt beim Restaurant Bellevue kenn- schi noch für das Amt Seftigen zu- werden, da durch eine Zusam- zeichnen die Wasserratten ihre ständig war, begleitete er die bei- menarbeit alle voneinander pro- Selfies auf Instagram mit #Thun; den Fusionsprozesse, bei denen fitieren? «Im Gegenteil», kontert dass sie in Steffisburg sind, wis- aus vier Gemeinden zwei wurden. Marc Fritschi. «Die grösste Nut- sen die wenigsten. Und beim Aus- Für ihn ist klar: Erfolgreiche Zu- zung von Synergien geschieht flug auf Stockhorn oder Niesen ist sammenschlüsse von Gemeinden dort, wo eine Person mehrere es selbst für Einheimische schier können nicht von oben herab dik- Funktionen innehat – wie es beim unmöglich, zu benennen, wo ge- tiert werden. «Sie müssen von Gemeindeschreiber in kleinen nau Heimberg, Steffisburg, Thun unten kommen, also einem Be- Gemeinden oft der Fall ist. Wenn oder Hilterfingen anfangen und dürfnis der Einwohnerinnen und die Funktionen auf mehrere Per- wo sie aufhören. Einwohner entgegenkommen», sonen aufgesplittet werden, hält Fritschi fest. «Ein Auslöser steigt der Koordinationsbedarf.» Zurück in die Top 10 für diese beiden Fusionen war das Noch heute tut es Thunern weh, Ziel, weite Schulwege der Kinder Fritschi sieht keinen Anlass dass die Kyburgstadt 2004 aus in andere Gemeinden vermeiden Was denkt der Thuner Regie- den Top 10 der grössten Schwei- zu können.» Fritschi spricht sich rungsstatthalter über eine Gross- zer Städte gekegelt wurde. Luga- gegen Zwangsfusionen aus: «Ein fusion von Thun, Hilterfingen, no katapultierte sich mit der Fu- verordneter Zusammenschluss Steffisburg, Heimberg, Thier- sion mit Nachbargemeinden vom gefährdet die basisdemokratische achern, Amsoldingen und Zwie- 23. auf den 9. Platz, Thun rutschte Teilnahme. Die Leute ziehen sich selberg? «Ich sehe dazu keinen auf die 11 ab. Was, wenn Thun mit aus der Politik zurück und gehen Anlass», bringt es Marc Fritschi Hilterfingen, Steffisburg, Heim- nicht mehr abstimmen.» auf den Punkt. «Ob die Leute mit berg, Thierachern, Amsoldingen Bei seiner Arbeit konnte Marc ihrer momentanen Situation zu- und Zwieselberg fusionieren Fritschi immer wieder feststel- frieden sind, ist der Indikator, ob würde? Mit gut 66 000 Einwoh- len, dass sehr viele kleine Ge- eine Fusion Sinn machen und nern würde man Lugano wieder meinden ihre Aufgaben «gut und funktionieren kann.» In den er- THUNERSEE überflügeln und auf Platz 9 in der günstig» erfüllen. Fusionen ma- wähnten sieben Gemeinden habe Städterangliste klettern. Für das chen in seinen Augen Sinn, wenn er nie das Gefühl gehabt, dass die Gefüge im Kanton Bern noch sich zwei Gemeinden unter- Leute eine solche Änderung her- wichtiger: Thun würde Biel als schiedlicher Grösse und zusam- beiwünschen würden. «Gegen Nummer 2 ablösen. menschliessen. «Aber es besteht eine Grossfusion spricht für mich Der Blick auf vorhandene Bau- dabei die Gefahr, dass die Fusion zudem, dass die Verantwortung landreserven (vgl. Grafik und die Steuerzahler belastet, weil nicht mehr am Ort bleibt.» Mit Kasten rechts) zeigt, dass ein der Standard der kleineren, fi- anderen Worten: Wer in einer Ex- Grossthun an Flexibilität gewin- nanziell schwächeren Gemeinde ekutive oder einer Verwaltung nen könnte. Arbeitszonen gibt es 500 m demjenigen der grösseren, finan- Entscheidungen fällen muss, lässt praktisch nur noch entlang der ziell stärkeren angepasst wird.» besondere Sorgfalt walten, wenn Hauptverkehrsachsen in Thun, VISIONEN Daten Kanton Bern / Auereitung Mathias Born Fritschi glaubt nicht, dass bei die Betroffenen in unmittelbarer Karte Openstreetmap.org / Grak dc, sgb Steffisburg und Heimberg; in Sa- Wo verlaufen hier die Gemeindegrenzen? Das Luftbild zeigt, dass Thun und die sechs Nachbargemeinden Hilterfingen, Steffisburg, Heimberg, Thierachern, Amsoldingen und Zwieselberg heute schon ein Siedlungsraum sind. Foto: Steve Wenger der Zusammenlegung von gleich Nähe leben. Marc Imboden chen Wohnbauland sind aber Hil- für das terfingen, Zwieselberg oder Stef- Berner Oberland «Wo steht wie viel Bauland zur und verändern sich ständig», fisburg mit ihren Hanglagen klar Verfügung?» Mit dieser Frage sagt Emanuel Buchs. Er beschäf- REAKTIONEN AUS DEN KLEINEREN GEMEINDEN in der Poleposition. mussten sich die Verantwortli- tigt sich beim Entwicklungsraum Thun ist interessiert – «Wer Visionen hat, sollte zum chen für Raumplanung im kan- Thun mit regionaler Planung Viele zeigen sich offen, doch unmittelbarer Handlungsbedarf besteht nirgendwo Koordination vereinfachen Arzt gehen», erklärte der deut- tonalen Amt für Gemeinden und und ist auf Instrumente wie die- geht aber nicht voran Für das Gemeindemonitoring sche Alt-Kanzler Helmut Raumordnung nach der Annah- se Karte angewiesen in seiner Die Fusion zu einem Grossthun sei «keine Schnapsidee» und «langfristig sinnvoll», heisst es bei den Gemeindepräsidenten der sechs kleineren Gemeinden unter anderem. Mehrere der Befragten 2009/2010 hat Politologe And- Schmidt einmal. Trotzdem wagt me des Raumplanungsgesetzes täglichen Arbeit. «Aber die Karte Die Stadt Thun geht Fusionen vor über hundert Jahren einge- verhehlen jedoch nicht, dass sie nebst Chancen und Vorteilen auch Risiken und individuelle Nachteile gegenüber dem Status quo sehen. reas Ladner Gemeindeschreiber diese Zeitung, in einer losen auf Bundesebene befassen, als zeigt doch auf, dass die ver­ nicht offensiv an – ist aber meindeten Goldiwil nicht der Fall in der ganzen Schweiz befragt. Er Serie Visionen für das Berner es darum ging, den kantonalen fügbaren Wohn­ und Arbeits­ «offen», wie Raphael Lanz gewesen sei: «Dort gibt es nach Es sei eine «Eine solche Die bereits Im Rahmen «Thierachern Im Rahmen konnte aufzeigen, dass mit Fusio- Oberland aufzuzeichnen – un- Richtplan zu erarbeiten. Auf Ba- zonen nicht gleichmässig ver­ betont. Und: Der Stadtpräsi- wie vor eine starke Identifikation Daueraufgabe Fusion werde heute enge Zu- einer Konsul- steht aktuell des Projekts nen Strukturen angepasst und gehemmt von realpolitischen sis ihrer Erhebung stehen nun teilt sind.» Während es heute dent will die Wirtschafts- mit dem Dorf.» Trotzdem gebe es aller Gemein- ich wohl nicht sammenarbeit tativabstim- sehr gut da, «Zukunft Ge- die Koordination vereinfacht Einschränkungen und dem om- auf der Kantonswebsite Daten fast unmöglich ist, Bauland förderung regionalisieren. Argumente, «die man sehr ernst den, für ihre mehr erle- im Entwick- mung spra- und es besteht meinden werden konnte. Heute arbeiten nipräsenten Ausspruch «Das zur Verfügung, die für jede Ge- unter den Gemeinden abzutau- nehmen muss, die gegen grosse Bürgerinnen ben», sagt lungs- (ERT) chen sich die kein Hand- Thun-West» Thun, Zwieselberg, Amsoldin- geht sowieso nicht». Die Gedan- meinde des Kantons aufzeigen, schen, hätte eine hypothetische «Grundsätzlich sind wir offen für Gebilde sprechen». Und: Er glau- und Bürger Heimbergs respektive im Bürgerinnen lungsbedarf, wurde eine Fu- gen, Thierachern, Heimberg, kenexperimente sollen – abseits wie viel Bauland in den ver- Gemeinde Grossthun die Mög- die Prüfung einer Fusion», sagt be nicht daran, dass ein grosser stets das Opti- Gemeindeprä­ Wirtschafts- und Bürger eine Fusion zu sion der West- Steffisburg und Hilterfingen der aktuellen Agenda – einen schiedenen Zonen verfügbar ist. lichkeit, verfügbares Bauland Thuns Stadtpräsident Raphael Wurf mit nur noch einer Gemein- mum zu erzie- sident Niklaus raum Thun von Amsoldin­ forcieren», amtgemeinden zwar in verschiedensten Berei- Blick über den Tellerrand er- «Die vorhandenen Daten wer- viel flexibler als heute umzu- Lanz (SVP) auf Anfrage. Er weist de eine Mehrheit finden würde. len und daher Röthlisberger (WRT) zeige, gen gegen Fu- sagt Gemein­ abgeklärt und chen über die Gemeindegrenzen möglichen. sgg den nicht in Echtzeit aktualisiert zonen. maz aber auf die Situation der Stadt als auch für neue Ideen offen zu (SVP) und lacht. «Realistisch dass die Idee einer Fusion zu sionsverhandlungen in den depräsident Sven Heunert als durchaus sinnvoll befunden, hinaus mit anderen zusammen – grösster Gemeinde im Gebilde Stapi stellt Antrag sein. «Deshalb finde ich: ‹Sag gesehen ist Grossthun in den Grossthun «nicht an den Haa- nächsten sechs Jahren aus. Ge­ (SP). «Dennoch bin ich über- ist aber an den finanziellen Aus- meist noch mit weiteren Gemein- und die damit zusammenhängen- Lanz betont jedoch die Wichtig- niemals nie!›», sagt Steffisburgs nächsten zwanzig bis dreissig ren herbeigezogen» ist, sagt meindepräsident Stephan Gy­ zeugt,
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