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Berlusconi an der Macht Zeitgeschichte im Gespräch Band 10 Herausgegeben vom Institut für Zeitgeschichte Redaktion: Thomas Schlemmer und Hans Woller Berlusconi an der Macht Die Politik der italienischen Mitte-Rechts- Regierungen in vergleichender Perspektive Herausgegeben von Gian Enrico Rusconi, Thomas Schlemmer und Hans Woller R. Oldenbourg Verlag München 2010 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 2010 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt ins- besondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Umschlaggestaltung und Layoutkonzept: Thomas Rein, München, und Daniel von Johnson, Hamburg Satz: Dr. Rainer Ostermann, München Druck und Bindung: Grafik+Druck GmbH, München ISBN 978-3-486-59783-7 5 Inhalt Vorbemerkung ............................. 7 I. Der Protagonist Hans Woller Berlusconi – Unternehmer, Politiker, Selbstdarsteller.... 9 II. Die große Bühne: Außen- und Europapolitik Paolo Pombeni Periphere Politik. Berlusconi und Europa..........25 Andrea Di Michele Berlusconi und Putin Motive einer Männerfreundschaft ...............39 III. Reform und Stagnation: Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Chiara Saraceno Worte statt Taten Familienpolitik in Berlusconis Italien .............51 Thomas Schlemmer Berlusconis Jobwunder? Arbeitsmarktpolitik zwischen pfadabhängiger Kontinuität und neoliberaler Reform.........................63 Ugo Trivellato Arbeitsbeziehungen nach Gutsherrenart Flexibilisierung und Unsicherheit in der Ära Berlusconi................................83 IV. Steine des Anstoßes: Innen- und Rechtspolitik Gregor Hoppe Institutionelle Selbstzerrüttung? Innen- und Rechtspolitik in der Ära Berlusconi ..............99 6 Inhalt Henning Klüver Berlusconi und die Mafia. Materialien zu einer Geschichte, die offen bleibt .................. 109 Amedeo Osti Guerrazzi Politik der Angst. Die Regierung Berlusconi und die Ausländer ......................... 125 Aram Mattioli Tabubruch und Kalkül. Berlusconis Geschichtspolitik zwischen Apologie und Umdeutung ............ 139 V. Epilog Gian Enrico Rusconi Berlusconismus ohne Ende? Italien auf dem Weg zu einer Verfassungsreform ................... 151 Abkürzungen ............................ 162 Autorinnen und Autoren .................... 163 7 Vorbemerkung Trient, 28.September 2009: Vor dem Italienisch-Deutschen Historischen Institut der Fondazione Bruno Kessler in der Via Santa Croce hat sich eine Gruppe von Demonstranten versam- melt, bewaffnet mit Fahnen ihrer Partei Popolo della Libertà sowie mit Flugblättern, auf denen sie die Verschwendung öffent- licher Mittel anprangern und gegen die Diffamierung ihres Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi pro- testieren. Dieser von giftigen Zeitungsartikeln begleitete Pro- test gilt nicht dem politischen Gegner, sondern einer Gruppe von Historikern, Politologen, Sozialwissenschaftlern und Jour- nalisten aus Italien, Deutschland und anderen Ländern, denen man unterstellt, unter dem Deckmantel der Wissenschaft das Geschäft der Kommunisten zu besorgen und so dem Ansehen der Nation zu schaden. Im Konferenzsaal, der bis auf den letzten Platz gefüllt ist, herrscht Hochspannung. Würden auch hier die schrillen Töne der vergangenen Tage zu hören sein? Doch nichts dergleichen geschieht. Während drinnen die Eröffnungs- worte gesprochen werden, rollen draußen die Demonstranten ihre Fahnen ein und gehen nach Hause. Hätten die Anhänger Berlusconis mehr Geduld und Inte- resse gezeigt, so wären sie vermutlich überrascht gewesen, denn im Mittelpunkt der Vorträge stand nicht der Cavaliere mit sei- nen Affären und Skandalen, die ansonsten die Medien beherr- schen – vor allem die deutschen, die es sich bisweilen sehr leicht machen –, sondern die Politik seiner Mitte-Rechts-Koalition, die nach ihrem Wahlsieg im April 2008 Italien nun schon zum dritten Mal regiert. Genauer gesagt ging es darum, nach Kon- tinuitäten und Diskontinuitäten zu fragen, die Entwicklung Ita- liens in den letzten zwei Jahrzehnten in den europäischen Kontext einzuordnen sowie Berlusconi als Politikertypus der un- übersichtlichen, für Populismus anfälligen Demokratie unserer Tage genauer zu bestimmen. Im Einzelnen wurden – gleichsam als Einstieg in ein komplexes, eingehender Forschung noch harrendes Thema – vier Politikfelder auf den Prüfstand gestellt, die den Organisatoren besonders geeignet schienen, um das Regierungshandeln des Centrodestra zu charakterisieren: die Außen- und Europapolitik, die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik 8 Vorbemerkung sowie die Innen- und Rechtspolitik, zu der auch der Umgang mit der neuesten Geschichte Italiens zwischen Faschismus und Demokratie gehört. Die Ergebnisse der einzelnen Beiträge lassen sich dabei – grob gesprochen – in drei Thesen zusammenfassen: Die Mitte- Rechts-Koalition vollzog, erstens, keinen scharfen Bruch mit der Vergangenheit, sondern stand trotz deutlicher eigener Ak- zente – etwa auf dem Feld der inneren Sicherheit – stärker in der Kontinuität ihrer Vorgängerinnen als man dies auf den ers- ten Blick vermuten könnte. Die demokratischen Institutionen Italiens sind zwar, zweitens, stellenweise ramponiert, aber das Land ist weit davon entfernt, auf die schiefe Bahn des Autorita- rismus zu geraten. Drittens geht Italien keinen Sonderweg – schon gar keinen, der sich auf Berlusconi zurückführen lässt. Das Land steht vielmehr vor vergleichbaren Herausforderungen wie viele Staaten der Europäischen Union und findet darauf ähnliche Antworten, denen die Geschichte sowie die Struktur von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft freilich ein spezifisches Gepräge verleihen. * Die Tagung „Berlusconis Politik 1994 bis 2009“, die am 28./ 29. September letzten Jahres in Trient stattfand, und der vor- liegende Sammelband sind eine weitere Frucht der bewährten Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Zeitgeschichte und dem Italienisch-Deutschen Historischen Institut. Die Heraus- geber danken beiden Häusern für die finanzielle und organisa- torische Unterstützung, und sie danken insbesondere den Kol- legen in Trient für die gewährte Gastfreundschaft. Ihr Dank gilt ferner Patrick Bernhard, der sich auch diesmal wieder als zuverlässiger Übersetzer schwieriger Texte erwiesen hat, und den Kolleginnen und Kollegen im Institut für Zeitgeschichte, vor allem Renate Bihl und Julian Goerisch, für ihre umsichtige Hilfe bei der Drucklegung des Bandes. Auch auf Rainer Oster- mann, der den Satz besorgte, war einmal mehr Verlass. Der größte Dank gebührt aber den Autorinnen und Autoren, die trotz ihrer vielfältigen anderen Verpflichtungen zuweilen sogar ein rasche- res Tempo anschlugen als die Herausgeber und damit gezeigt haben, wie sehr ihnen das Thema am Herzen liegt. München, im März 2010 Gian Enrico Rusconi, Thomas Schlemmer, Hans Woller 9 Hans Woller Berlusconi – Unternehmer, Politiker, Selbstdarsteller 1. Ein irisierendes Bild Italien befinde sich auf dem „Weg zu einem weichen Totalita- rismus“, überschrieb die „Süddeutsche Zeitung“ am 7.April 2006 ein langes Interview mit Claudio Magris, dem Gelehrten und Schriftsteller aus Triest, der 2009 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt. Schlagzeilen dieser schrillen Art, die Assoziationen zu Mussolini wecken (und nichts anderes bezwecken), sind keine Seltenheit, sie bilden den basso continuo medialer Berichterstattung und wissenschaftlicher Analyse über Italien, wobei der Hauptverantwortliche dieser fatalen Entwicklung gleich mitgeliefert wird: Silvio Berlusconi, der zahlreichen Zeitgenossen dies- und jenseits des Brenners so viele nicht zu entwirrende Rätsel aufzugeben scheint, dass sie vor ihm kapitulieren, sich mit immer gleichen Stereotypen be- gnügen oder, schlimmer noch, alarmistische Deutungsangebote liefern, die in ihrer Pauschalität und Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten sind1. Im Zentrum stehen dabei Berlusconis Skandale und sein egozentrischer, vielfach aber auch nur kalkulierter Infantilis- mus, während seine Politik und sein Regierungsstil entweder übergangen oder in das Schema meinungsstarker Simpelei ge- presst werden. Berlusconi erscheint als allmächtiger Diktator, als perfider Manipulator, der sich seine Wähler in der Retorte des Fernsehens selbst schafft, ja sogar als eine Art teuflischer Hexer, der ganz Italien in seinen Bann geschlagen hat und in dem gleichgeschalteten Land tun und lassen kann, was er will. Man 1 Zu Berlusconi vgl. Alexander Stille, Citizen Berlusconi, München 2006; Massimo Giannini, Lo Statista. Il Ventennio berlusconiano tra fascismo e populismo, Mailand 2008; Paul Ginsborg, Berlusconi. Politisches Modell der Zukunft oder italienischer Sonderweg?, Berlin 2005; David Lane, L’ombra del potere, Rom/Bari 2005; Gian Enrico Rusconi, Deutsch- land – Italien, Italien – Deutschland. Geschichte einer schwierigen Beziehung von Bismarck bis zu Berlusconi, Paderborn u.a. 2006, S.330–340. 10 Hans Woller müsse schon bis nach Weißrussland gehen, „um eine ähnliche Macht des Regierungschefs über Volk und Parlament zu fin- den“, heißt es in

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