Hofnarr mit Tiefgang: Eckart von Hirschhausen ist Kabarettist und Spezialist für „nachhaltige Komik“. INTERVIEW FORUM 1/08 57 „Das Gesundheitssystem braucht einen Hofnarren und den gebe ich gern“ Wohin er auch kommt – Dr. med. Eckart von Hirschhausen bringt das Lachen mit. Seit mehr als 15 Jahren ist der promovierte Neurologe, Kabarettist und Buchautor mit seinen Bühnenprogrammen auf Tournee. Seine „Hirschhausen-Akademie“ ist seit November 2007 fester Bestandteil der ARD-Sendung „Schmidt & Pocher“. Interview Melanie Contoli Fotos David Maupilé Lachen, wenn der Arzt kommt: Das steht auf seiner körper zu gewinnen. Insofern hat der Zahn der Zeit Visitenkarte. Und es funktioniert: Mit leuchtenden Au- brutal an meiner großen wissenschaftlichen Entdeckung gen, einem verschmitzten Lächeln, leicht in Falten geleg- genagt. In den vier Jahren, in denen ich mich mit meiner ter Stirn und mit fröhlich-heller, stets ein wenig ironisch Promotion beschäftigt habe, habe ich vor allem eines gefärbter Stimme fasziniert Dr. med. Eckart von Hirsch- gelernt: Wissenschaft nicht so ernst zu nehmen. hausen sein Publikum auf der Bühne und im Fernsehen FORUM: Derzeit herrscht an deutschen Kliniken Ärz- seit Jahren mit der einfachen Erkenntnis: Lachen ist die temangel. Wie können Sie es in diesen Zeiten verant- beste Medizin. Als „Glücks- und Heilsbringer“ bietet der worten, dass Sie den weißen Kittel offi ziell an den smarte 4o-Jährige neben dem Kabarett auch noch „Mo- Nagel gehängt haben und nicht mehr praktizieren? deration, Training und Vorträge – alle Kassen“, versteht von Hirschhausen: Ich praktiziere ja – ich bin aktiv in sich. FORUM traf Eckart von Hirschhausen, der selbst der Prävention tätig. Ärzte beschäftigen sich mit Men- seit Beginn seines Medizinstudiums MLP-Kunde ist, schen, wenn sie krank sind. Ich beschäftige mich mit zum Interview. ihnen, damit sie gar nicht erst krank werden. Insofern bin ich nicht ausgestiegen, sondern umgestiegen, habe FORUM: Herr von Hirschhausen oder Herr Doktor – die Perspektive und den Wirkungsradius gewechselt wie hätten Sie es denn gern? und verfolge nach wie vor eine missionarisch-therapeuti- Eckart von Hirschhausen: … Doktor bitte, so viel Zeit sche Tätigkeit. Was ich in meinem Bühnenprogramm muss sein (lacht). Das ist keine Eitelkeit, sondern damit „Glücksbringer“ erzähle, ist verkappte Psychotherapie beuge ich der Frage „Sind Sie wirklich Arzt?“ vor. Doktor und stammt beispielsweise aus der kognitiven Verhal- darf man sich ja nicht ungestraft nennen. Das ist nicht tenstherapie bei Depressionen. Als praktizierender Arzt nur der akademische Titel, den ich mir mühsam erwor- würde ich genau das auch erzählen, nur immer jedem ben habe, sondern auch Teil meiner Marke. Was mich Patienten einzeln. Wenn jetzt 1.5oo Leute gleichzeitig in von anderen Kabarett-Kollegen unterscheidet, ist nun meine Show kommen, dann spare ich jeden Abend fünf mal mein medizinischer Hintergrund. Jahre in der Klinik. So gesehen bin ich hocheffektiv. Wie FORUM: Wissen Sie noch den Titel Ihrer Promotion? könnte ich verantworten, das nicht zu tun? von Hirschhausen: Na klar, den werde ich nie verges- FORUM: Bühne statt Behandlungszimmer – wann sen: „Die Wirksamkeit einer intravenösen Immunglobo- haben Sie diese Entscheidung endgültig gefällt? lintherapie in der hyperdynamen Phase der Endotoxi- von Hirschhausen: Diesen Moment gab es so gar nicht. nämie“. Übersetzt auf Deutsch: Kann ich Blutvergiftung Das Leben ist eine Reihe von Zufällen, und schon Kierke- verhindern durch ein Medikament, das aus Antikörpern gaard wusste: Leben kann man nur vorwärts, verstehen des Menschen gewonnen wurde? Inzwischen bietet die kann man es nur rückwärts. Es ist eine große Lüge, wenn Gentechnik allerdings elegantere Methoden, um Anti- die Karriereratgeber zu einer stringenten Biografi e raten. 58 1/08 FORUM INTERVIEW In Wahrheit hat Bill Gates – als er in der Garage herum- geschraubt hat – nicht gewusst, was er da macht und was „Wir Deutschen haben mal draus entstehen würde. Ich hatte schon als Kind ein zusätzliches Hirnteil – eine Neigung zu Theater, Kabarett und Zauberei. Ich war Zauberkünstler und damit auch ganz erfolgreich, ich war den Jammerlappen“ sogar Deutscher Meister der Zauberei. Irgendwann merkte ich, die Leute fanden die Geschichten, die ich er- zählte, spannender als meine Tricks. Die Medizin wurde auch berechtigt. Denn wenn ich spontan bin, klappt es in Inhalt meines Kabaretts – ein sehr dankbarer! In meine neun Fällen gut, aber in einem haue ich eben auch mal Vorstellungen kommen viele, die sich sonst nie Kabarett daneben. Ich sage aber, diese Bilanz lohnt sich – denn anschauen würden. Die wissen, dass sie bei mir nicht lieber eine von zehn Gelegenheiten verpatzen, als zehn- nur unterhalten werden, sondern auch etwas mitneh- mal langweilig und dröge sein. Nicht alles, was man mit men. Eigentlich habe ich damit ein neues Genre kreiert einem ernsthaften Gesicht sagt, ist deshalb vernünftig. – eine Mischung aus medizinischer Aufklärung, Semi- FORUM: Was sind das für Menschen, die sich von narkabarett, Gruppentherapie und Comedy. Ich kom- Ihnen coachen lassen? biniere Haha und Aha, Lachen und Erkenntnis. Das gab von Hirschhausen: Manche werden geschickt, andere es in dieser Form in Deutschland noch nicht und trifft melden sich selbst an. Meine Botschaft ist immer die offensichtlich einen Nerv. Ich nenne das Ganze „nachhal- gleiche: Verstell dich nicht, mache etwas aus deinen Stär- tige Komik“. ken und lache über deine Macken. Und wenn jemand FORUM: Neben Ihren Kabarettprogrammen, Fern- per se eher eine zurückgezogene Tüftlernatur ist, soll der sehsendungen und Büchern halten Sie auch Motivati- auch keine Witze erzählen. Solchen Typen empfehle ich: onsvorträge und bieten „Humor-Coachings“ für Mana- „Zeige deinen Mitarbeitern, dass du weißt, wie du wirkst, ger. Was können Sie denen beibringen? Und was und stelle dich selbstironisch kurz neben dich – das nicht? macht sympathisch!“ Gerade unter Akademikern geht es von Hirschhausen: Grundsätzlich glaube ich, dass die ja oft sehr blutleer zu. Auf Ärztekongressen zum Beispiel meisten Menschen mehr Humor haben, als sie sich selbst wird immer noch gern der wissenschaftliche Duktus zutrauen. Die Angst vor einem Fettnapf ist groß – und hochgehalten – extrem passive und emotionslose Spra- che, Powerpoint-Folien in Daumenkino-Geschwindigkeit. Wem soll das etwas bringen? Einmal war ich auf einem Ärztekongress engagiert, war aber extra mit einem kom- plett unverständlichen wissenschaftlichen Titel ange- kündigt. Ich hab dann so getan, als wären meine Dias nicht angekommen und sagte zu einem der Professoren in der ersten Reihe: „Herr Kollege, können Sie mir nicht eine von Ihren Folien leihen, am besten eine mit ’ner Kurve von links unten nach rechts oben – so genau schaut ja eh keiner hin.“ Da war erst mal peinliche Stille im Saal. Bis die Ersten sich trauten und anfi ngen zu la- chen. Wer sich wie ich als Neurologe mit dem Gehirn beschäftigt hat, weiß, dass nicht Fakten, sondern Emo- tionen das Gedächtnis steuern und hängen bleiben. FORUM: Welche Coaching-Tipps geben Sie für die Karriereplanung? von Hirschhausen: Die typische Frage ist ja immer: Wo möchten Sie in fünf Jahren stehen? Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Beratungsgespräch bei meinem damaligen MLP-Berater. Der füllte mein Profi l aus und bei Berufsziel stand „fehlt“. Ich war am Anfang des Stu- diums und wusste eben noch nicht so genau, wo es hin- gehen soll. Trotzdem fand ich es irgendwie unverschämt, dass ich dort schwarz auf weiß als „planlos“ eingestuft Heils- und Glücksbringer: Eckart von Hirschhausen im wurde. Heute bin ich dankbar. Hätte ich eine klassische Gespräch mit FORUM-Chefredakteurin Melanie Contoli Medizinerkarriere verfolgt, dann wäre ich jetzt nicht dort, wo ich bin. Ich wüsste ja gern, was heute in mei- die Biologie mir als Verfall und Krankheit und Sterblich- nem Profi l steht – „Berufsziel verfehlt, Plan erfüllt“? keit mitgegeben hat, damit ich nicht die Lebensfreude FORUM: Sie betrachten die Medizin mit Humor – plä- verliere? Gesundheit ist am schönsten, wenn man so viel dieren aber auch ernsthaft für eine neue Wahrneh- Freude am Leben hat, dass sie nicht nur für einen selbst, mung des Themas Gesundheit. sondern auch für andere reicht. von Hirschhausen: Die eigentliche Wissenschaft der FORUM: Gesundheit und Glück sind also dasselbe? Medizin ist die Wissenschaft vom inneren Schweine- von Hirschhausen: Ein erfülltes, sinnhaftes Dasein ist hund. Wir wissen alle, was uns guttäte, wir tun es nur zu relativ unabhängig vom körperlichen Zustand. Als Arzt selten. Das medizinische Wissen verdoppelt sich alle vier lernen Sie viele Menschen kennen, die trotz körperlicher Jahre. Heißt das, dass wir alle vier Jahre doppelt so schlau Misere und drohender Endlichkeit ihr Leben genießen. sind oder doppelt so gesund? Der menschliche Körper Grundsätzlich gilt aber: Das menschliche Hirn besteht ist ein schöner Lehrmeister für den Unterschied zwi- aus einem Frontallappen – der plant. Und aus einem schen Qualität und Quantität. Wer vier Grad über der Seitenlappen – der vernetzt. Wir Deutschen haben ein normalen Körpertemperatur liegt, ist nicht halb so krank zusätzliches Hirnteil – den Jammerlappen, der verhin- wie jemand, der acht Grad darüber liegt, sondern doppelt dert. Der hat keine Verbindung zum Sehnerv, hat aber so lebendig! Zwischen 41 und 45 Grad Celsius gibt es immer schon alles kommen sehen. also einen Qualitätssprung – nämlich den über die Klin- FORUM: Ist der Jammerlappen bei Männern und ge. Die zentralen Themen der Medizin sind:
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