"Ein Köstlicher Schatz"

"Ein Köstlicher Schatz"

Repositorium für die Geschlechterforschung "Ein köstlicher Schatz" : Das Gedenken der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit an ihre Gründungsphase Wilmers, Annika 2006 https://doi.org/10.25595/1570 Veröffentlichungsversion / published version Zeitschriftenartikel / journal article Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Wilmers, Annika: "Ein köstlicher Schatz" : Das Gedenken der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit an ihre Gründungsphase, in: Ariadne : Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte (2006) Nr. 50, 24-31. DOI: https://doi.org/10.25595/1570. Diese Publikation wird zur Verfügung gestellt in Kooperation mit dem Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF). Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer CC BY 4.0 Lizenz (Namensnennung) This document is made available under a CC BY 4.0 License zur Verfügung gestellt. Nähere Auskünfte zu dieser Lizenz finden (Attribution). For more information see: Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de www.genderopen.de ARIADNE HEFT Impressum Editorial ••..::..--• Inhalt IS~--· DOKUMENTATION Helene Lange: Zum fünfzigjährigen Bestehen des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins und Helene Bonfort: Fünf Jahrzehnte 1*1·;11!·· Allgemeiner Deutscher Frauenverein Wer erinnert sich wo an was? Funktionen von personenbezogenen Gedenktagen in verschiedenen Öffentlichkeiten IMll]:•••I Susanne l(innebrock Denkmäler für Frauen von Frauen Solitäre in der Erinnerungslandschaft des Wilhelminischen Kaiserreichs IMRt·••I Sybille Oßwald-Bargende »Ein köstlicher Schatz<<. Das Gedenken der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit an ihre Gründungsphase •<t Annika Wilmers »Die Begründerin der Frauenbewegung in Österreich« Marianne Hainisch als identitätsstiftende Figur•• .,,...F'.-'lm-• in frauenbewegten Zusammenhängen nach 1945 in Österreich Heidi Niederkofler »Slovenka«. Erste Slowenische Frauenzeitschrift •I: Natascha Vittorelli Was hat die Ariadne mit Hedwig Dohm zu tun? l*ll·!tJ:m•• Kerstin Wolff Von der (un)sichtbaren Frau Zur Präsenz der Frau auf politischen Festen im faschistischen Italien •·D·••• Christoph Kühberger »Journey Towards Freedom«. Das Goldene Jubiläum der Internationalen Alliance of Women - 1955 l&l;tr!J~··· Susanne Hertrampf »Bekenntnis der deutschen Frauen zur Demokratie« Der Interzonale Frauenkongress anlässlich der Jahrhundertfeier der M.11 Ersten Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche zu· Frankfurt am Main vom 22. bis 24. Mai 1948 Elke Schüller Alle Jahre wieder„. Der Internationale Frauentag - ein Feiertag für die Frauenbewegung? ••·;!;1'·••• Kerstin Wolff DOKUMENTATION Auguste Schmidt: Frauenfeste Rezensionen Freundinnen des Archivs der deutschen Frauenbewegung M:t• Stiftung - Archiv der deutschen Frauenbewegung >>Ein köstlicher Schatz<< Das Gedenken der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit an ihre Gründungsphase Annika Als einen »köstlichen Schatz« 1 hütete die Im Zentrum der folgenden Überlegungen steht deutsche Pazifistin Lida Gustava Heymann die die Frage, welche Bedeutung das Gedenken VV!!m~~rs Erinnerung an ihre Teilnahme am Zweiten In­ an die Gründungsphase später - in der Zwi­ geb. 1977, Dr. des ternationalen Frauenfriedenskongress in Zü• schenkriegszeit und darüber hinaus - für den Historikerin, vor rich 1919 noch mehr als 20 Jahre nach diesem Verein und seine Mitglieder besaß. Wie und kurzem Abschluss Ereignis. Bedeutungsvoll blieb der Kongress aus welchem Anlass wurde an die Gründungs• der Dissertation »Pazifismus in der für sie deshalb, weil hier Frauen aus 16 Län• zeit erinnert? Welche Funktionen erfüllte die­ internationalen dern während des turbulenten ersten Nach­ ses Gedenken? Wie zu zeigen sein wird, kon­ Frauenbewegung kriegsjahres eine solidarische Gemeinschaft struierte sich Erinnerung in einem ständigen (1914-1920). gebildet, mit »Klarheit und Schärfe«2 die poli­ Prozess. Aktuelle Anlässe riefen die Erinne­ Handlungsspielräu• tische Situation nach Kriegsende analysiert rung hervor; gegenwärtige Ereignisse und me, politische Kon­ 4 zeptionen und und zahlreiche eigene pazifistische und femi­ Entwicklungen formten sie stets mit. Dabei gesellschaftliche nistische Forderungen erarbeitet hatten. wird die These zugrunde gelegt, dass die Er­ Auseinandersetzun­ Der Züricher Kongress von 1919 markier­ innerung an die Gründungsphase das Selbst- gen« an der Univer­ te das Ende der Gründungsphase der Inter­ sität Tübingen. nationalen Frauenliga für Frieden und Frei­ Pub!. u.a.: Zwischen den Fronten. heit (Women's International League for Peace Friedensdiskurse in and Freedom/WILPF), deren Vereinsgeschich­ der internationalen te 1915 ihren Ausgang nahm. In diesem ers­ Frauenbewegung ten Kriegsjahr hatten sich über 1.300 Frauen 1914-1919, in: aus 12 Krieg führenden und politisch neutra­ Frieden Gewalt Gesch !echt. Friedens­ len Ländern in Den Haag versammelt, um ge­ und l{onfliktfor­ gen den Krieg zu protestieren und Frieden schung als Ge­ und Gleichberechtigung zu fordern. Damit schlechterfor­ setzten sich die Teilnehmerinnen von den schung, hg. v. Positionen der beiden älteren internationalen bild der Internationalen Frauenliga in der viel­ Jennifer A. Davy / Karen Hagemann / bürgerlichen Frauenvereine ab, dem Interna­ fach schwierigen Zwischenkriegszeit und an­ Ute l<ätzel, Essen tionalen Frauenweltbund (International Coun­ schließenden erneuten Kriegszeit maßgeblich 2005, S. 123- 143. cil of Women/ICW) und dem Weltbund für prägte und den weiteren Kurs der Liga beein­ Frauenstimmrecht (International Woman Suff­ flusste. 5 rage Allianc/IWSA), deren Vorstände im Krieg Mitglieder des Züricher neutral blieben und deren Mitglieder in der Mythos Kongress und Kongresses 1919; Geschichtsbewusstsein v.l.n.r.: Dr. Anita Regel den jeweiligen Kriegskurs ihrer Heimat­ Augspurg, länder unterstützten. In Den Haag riefen die. Von Anfang an stellten die Pazifistinnen in Mrs. Despard, Lido Kongressteilnehmerinnen dagegen eine neue zahlreichen Rückblicken die Kongresse in Den Gustava Heymann, pazifistisch-feministische Organisation ins Haag 1915 und Zürich 1919 nicht nur ausge­ Rosa Genoni, Leopoldine Kulka, Leben, die ihren Sitz zunächst in Amsterdam sprochen positiv dar, sondern auch als Ereig­ Dr. Alice Hamilton und nach dem Krieg in Genf hatte. Kriegsbe­ nisse mit historischer Tragweite. Noch zur dingt konnte sich ein Treffen, wie es in Den Kriegszeit wurde der Haager Kongress zu ei­ Haag zustande gekommen war, erst nach ner »Ruhmestat« stilisiert, die »in der Ge­ Kriegsende wiederholen. Während des Züri• schichte unvergessen bleiben« werde. 6 Ein cher Nachkriegskongresses im Mai 1919 for­ solches Urteil verwundert wenig bei einem derten die Pazifistinnen unter anderem eine Kongress, von dem es schon im Vorfeld ge­ Revision des Versailler Friedensvertrags und heißen hatte, er sei dazu berufen, eine »welt­ die Aufhebung der Hungerblockade.3 geschichtliche Manifestation« zu bilden. 7 Und durch den Kongressverlauf, eine »epoch­ waren. Je ablehnender die Umwelt - die Mehr­ making week«s, sahen sich die Pazifistinnen heit der Frauenbewegungen ebenso wie die in ihrer Einschätzung bestätigt. Bereits im übrige Öffentlichkeit - auf die Friedensbemü• Frühsommer 1915 war der Haager Kongress hungen reagierte, desto mehr Trost konnte in den Schriften der Frauen zu einem »Denk­ eine solche Haltung bieten. Zudem empfan­ »Die international ma1«9 geworden. Nicht erst im Urteil nachfol­ den die Frauen es als unbedingt notwendig, pazifistisch gerichteten gender Generationen, sondern parallel zur ei­ späteren Generationen ihr pazifistisches En­ Frauen schreckte das gentlichen Friedensinitiative entstand ihr ei­ gagement ebenso wie ihre erschwerten Ar­ gener Mythos. Dabei spielte der tatsächliche beitsbedingungen zu vermitteln. Die Ankla­ nicht [ihre Minderhei- politische Ertrag der Initiative keine Rolle. So ge, nichts gegen den Krieg unternommen zu tenposition in der glaubte Lida Gustava Heymann nach dem haben, sollte sie nicht treffen. Zur Selbstver­ Krieg, der Haager Kongress sei ohne greifba­ teidigung der Pazifistinnen gehörte es außer• Frauenbewegung re Wirkung gewesen, was aber nicht verhin­ dem, wenigstens von der Nachwelt >Gerech­ während der Kriegszeit, dere, dass er »in der Geschichte als eine Tat tigkeit< erfahren zu wollen; und wenn dies zu Anm. A.W.], ihr Wille der Frauen, eine Tat schöner Menschlich­ Lebzeiten nicht gelang, achteten Pazifistin­ keit« bestehen bleibe.10 In eine solche Selbst­ nen wie Lida Gustava Heymann doch darauf, war stark, ihre Überzeu- darstellung fügte sich auch der in den Augen dass die Zurückweisung, die sie aufgrund ih­ gung fest, sie schwank- der Pazifistinnen ebenso erfolgreiche und rer Friedensarbeit erfahren hatten, zumindest außergewöhnliche Züricher Kongress pro­ nicht in Vergessenheit geriet. 17 ten nicht, sondern sie blemlos ein.11 gingen gerade auf Ein derartig positives Selbstbild konnte Erinnerung als Instrument der Abgrenzung ihr Ziel los.« Vor allem deshalb entstehen, weil die Pazifis­ Während der Kriegs- und unmittelbaren Nach­ tinnen ihre Ideale, wenn auch nicht in der kriegszeit war die Frauenliga innerhalb der WILPF, Deutscher Weltpolitik, so doch in ihrem eigenen inter­ internationalen Frauenbewegung alleine für Zweig, 1920 nationalen Austausch verwirklicht sahen. 12 Völkerverständigung tätig gewesen. Vor al­ Und gerade dieses persönliche Erlebnis - der lem ab Mitte der l 920er-Jahre näherten sich vielfach beschworene >Geist< der Kongresse im Zuge einer leichten allgemeinen Entspan- - bot

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