Für Heike, Max Und Kathrin

Für Heike, Max Und Kathrin

Für Heike, Max und Kathrin 5 6 Vorwort Dieses Buch ging aus verschiedenen in den Jahren 2012 bis 2015 in den ‚Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft‘ veröffentlichten Aufsätzen hervor. Diese Texte wurden zu einem systematisch gegliederten Ganzen zusammengeführt, überarbeitet und um umfangreiche neue Forschungsergebnisse ergänzt. So entstand der erste breiter ange- legte Vergleich zwischen Karl May und Hermann Hesse. Ich habe mich intensiv mit dem Werk und der Biographie Hermann Hesses be- schäftigt, bin aber in der Karl-May-Forschung verankert. Die vorliegende Untersu- chung blickt somit auf Hesse aus der Sicht des ‚Karl-May-Experten‘. Dabei bin ich der Überzeugung, dass eine von May ausgehende Betrachtung der beiden wohl wir- kungsmächtigsten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts auch einen Beitrag zur Hesse-Forschung leisten kann. Deshalb habe ich mich bemüht, den Text so zu for- mulieren, dass auch Lesern, die eher mit Hesse als May vertraut sind, ein Zugang möglich ist. Diese Untersuchung hat nicht den Anspruch, eine umfassende, integrative Studie zu Karl May und Hermann Hesse zu sein. Ihr Ziel ist es, anhand einer vertieften Analyse wichtiger Aspekte aus Leben und Werk der beiden ‚Bekenntnisschriftsteller‘ zu zeigen, dass May und Hesse (in Abwandlung des von Klaus Funke für Karl May und Sascha Schneider verwandten Begriffs ‚Geistesbrüder‘) Seelenbrüder waren, de- ren – sich in Stil, Sujets und Darstellung der Akteure stark unterscheidende – Werke das Anliegen verbindet, die Leser zu einer autonom gestalteten, inneren Reise hin zu einem transzendenten Humanismus anzuregen. Herrn Dr. Florian Schleburg gilt mein ganz besonderer Dank für seinen engagier- ten und zeitaufwändigen Einsatz für dieses Buch. Dank gilt auch dem Deutschen Li- teraturarchiv Marbach, Herrn Hans-Dieter Steinmetz und Herrn Dr. Johannes Zei- linger für die Bereitstellung von Bildern sowie – last but not least – der Karl-May- Gesellschaft, die mir seit 1977 ein außerordentlich anregendes Umfeld für meine Be- schäftigung mit einem Fixstern an meinem literarischen Firmament bietet und deren Vorstand die Veröffentlichung der ‚Seelenbrüder‘ ermöglicht hat. 7 8 Inhalt 1. Kapitel Zwei Vielgelesene ................................................................................... 11 2. Kapitel Psychische Deformation als Triebfeder von Kunst ...................... 15 3. Kapitel Kunstverständnis und literarische Programmatik ........................ 20 4. Kapitel Das Menschenbild bei May und Hesse ........................................... 27 4.1 Die Polarität des Menschlichen 28 4.2 Identität und Autonomie des Menschen 33 4.3 Die Erziehung des Menschen 37 4.4 Der vollendete Mensch 39 5. Kapitel Mystische Spiritualität und Ethik ...................................................... 42 5.1 Mystische Konzepte 43 5.2 Das Gottesbild 45 5.3 Das Verhältnis von Gott und Schöpfung 48 5.4 Liebe 53 5.5 Jesus Christus 59 5.6 Die unio mystica 62 5.7 Das Böse 65 5.8 Tod und Jenseits 71 5.9 Entwicklungsvorstellungen 74 5.10 Transkonfessionelle Religiosität 82 5.11 Vergleich 84 6. Kapitel May und Hesse auf Orientfahrt ......................................................... 89 6.1 Deutsche Literaten im Orient 89 6.2 Reisemotive 90 6.3 Reiseverläufe 94 6.4 Wirkung der Reisen 100 6.5 Erste Ernte der Reisefrüchte 102 6.6 Zweite Ernte der Reisefrüchte: Die umfassende Vergeistigung des Orients 120 6.7 Fazit 132 7. Kapitel Musik bei May und Hesse ................................................................. 134 8. Kapitel May und Hesse als Pazifisten ........................................................... 139 9. Kapitel Die Seelenbrüder Karl May und Hermann Hesse...................... 144 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 146 Abbildungsnachweis .................................................................................................... 156 Anhang 1 .......................................................................................................................... 157 Anhang 2.......................................................................................................................... 160 9 10 1. Kapitel Zwei Vielgelesene Hermann Hesse und Karl May haben nicht nur Millionen von Lesern fasziniert, ihr Leben und ihre Werke sind auch Gegenstand intensiver Forschungen. Bei beiden Au- toren übersteigt der Umfang der Sekundärliteratur mittlerweile den ihres Werkes. Ob- wohl die vorliegenden Studien natürlich auch die Einordnung von Hesse und May in das geistige und literarische Umfeld des 19. und 20. Jahrhunderts zum Gegenstand haben, gab es bislang keine vergleichende Untersuchung zu diesen beiden Autoren. Dies ist nicht verwunderlich: Blickt man auf die ‚Außenseite‘ der dichterischen Ge- staltung des Stoffes und die Wahl der Sujets dieser beiden Schriftsteller, so erkennt man kaum Berührungspunkte zwischen dem empfindsamen Ästheten, wortmächti- gen Poeten, ethischen Humanisten und feinsinnigen Psychologen Hesse, der 1946 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, und dem Phantasten May, der nie als preiswürdig angesehen wurde. So ging seitens der May-Forschung der Jurist Claus Roxin 1970 davon aus, dass es „keine literarische Verwandtschaft“ der beiden Autoren gebe.1 Nach der damals von ihm publizierten Studie ist ein Vergleich „vom ästhetischen Standpunkt aus unergie- big“.2 Parallelen „unter leserpsychologischem Aspekt“ schließt Roxin allerdings nicht aus und weist darauf hin, dass beide Autoren in ganz unterschiedlicher Weise – Hesse mit seinem „‚Weg nach Innen‘“ und May mit seinem „Aufbruch in ein exotisches Phantasiereich“ – die „Fesseln der bürgerlichen Alltagsrealität […] zerbrechen“ und so auf ihre Leser, insbesondere Heranwachsende, wirken.3 Eine weitere Parallele sieht Roxin im Pazifismus, der Hesse lebenslang und May im Alter prägte.4 Allerdings hat die Forschung, insbesondere zu Karl May, seit 1970 Erkenntnisse zu Tage gefördert, die neue Ansatzpunkte für eine vergleichende Analyse aufzeigen. Wurde Hermann Hesses Werk, trotz mancher abschätziger Urteile, schon seit jeher der anspruchsvollen Literatur zugerechnet, ist auch für Karl May mittlerweile nach- gewiesen, dass seine literarischen Schöpfungen nicht nur exotische, eskapistische Abenteuererzählungen, sondern ebenfalls – zunächst in un- oder halbbewusster Ver- arbeitung biographischer Ereignisse, später in ambitionierter künstlerischer Gestal- tung – ‚Reisen ins Innere‘ des Menschen sind. Mays Bedeutung als spirituell motivier- ter Autor mit hohem ethischem Anspruch wird in vielen Untersuchungen verfochten. Selbst die literarische Qualität der vor dem künstlerisch bedeutsamen Spätwerk ent- standenen literarischen Produktion Mays wird mittlerweile aufgrund vertiefter Befas- sung mit seiner Erzähltechnik differenzierter und insgesamt deutlich positiver gese- hen als einst. Der in Quellenstudien geführte Beweis, dass May in hohem Umfang fremdes Gedankengut übernahm, hat der Wahrnehmung seines Werkes als unver- wechselbares Original im Kern nichts anhaben können. Kulturwissenschaftliche Un- tersuchungsansätze ermöglichen mittlerweile eine Einordnung von in Mays Werk ver- mittelten Aussagen in den historischen, sozialen und politischen Kontext seiner Zeit. 1 Roxin, Hesse Pazifismus, S. 12. 2 Ebd. 3 Ebd. 4 Ebd., S. 13f. 11 Die Vielfalt der Erträge der May-Forschung soll hier Ausgangspunkt für einen neuen Blick auf mögliche Affinitäten von Karl May und Hermann Hesse sein. Ange- sichts des mittlerweile anerkannten Rangs Mays ist heutzutage auch die Gefahr gerin- ger, mit einem solchen Versuch von vornherein auf Unverständnis zu stoßen oder sich dem Vorwurf auszusetzen, es gehe nur um den Versuch der Aufwertung eines Trivialschriftstellers durch den Vergleich mit einer anerkannten literarischen Größe. Roxins Feststellungen von 1970 sind insoweit unverändert gültig, als bei einer ver- gleichenden Betrachtung der beiden Autoren nicht die äußere Thematik ihrer Werke oder die Art und Weise der poetischen Gestaltung als zentraler Ansatzpunkt gewählt werden kann. Zu offensichtlich ist, wie auch die dieses Buch eingestreuten Anfänge von jeweils drei Romanen Mays und Hesses belegen, der Unterschied bei der Wahl der Sujets und der Art ihrer literarischen Aufbereitung. Mays Schreibstil ist – vor dem 1899 veröffentlichten Orientroman Am Jenseits – „sicher frei von literarisch-ästheti- schen Ambitionen, in den Erzählungen dominiert der Dialog, und Mehrdeutigkeit, Reflexionen oder Abstraktionen finden kaum statt. Die Protagonisten treten meist als fertige Gestalten ohne große Entwicklung auf, und Individuen wie Gruppen werden häufig in Stereotypen beschrieben“.5 Hermann Hesse Karl May Hesses Stil und Darstellungsweise sind zwar meist durchaus eingängig, aber doch künstlerisch ambitioniert, wenngleich er nur in seiner Frühphase einem ausgespro- chenen Ästhetizismus huldigte. Auch in seinen Werken wird gereist, aber nicht in exo- tische, phantastische Abenteuerwelten außerhalb der durch bürgerliche Normen ge- prägten Zivilisation. Bei Hesse finden wir keinen übermächtigen, unverletzlichen Ich- Helden, der allen anderen Protagonisten überlegen ist und alles regelt. Seine Charak- tere stehen zwar, worauf noch einzugehen sein wird, häufig für die von ihm aufgrund seines eigenen Lebensgefühls postulierte polarische Spaltung alles Menschlichen, sie sind aber nicht holzschnittartig, sondern psychologisch nuanciert gezeichnet. 5 Zeilinger, Islamrezeption, S. 167. Das Zitat von Zeilinger, das für eine Vielzahl

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