Raoul Hausmann Findbuch zum Dokumentarischen Teilnachlass (1900–1933) Version: 2.0 Stand: 30. April 2020 Raoul Hausmann | Dokumentarischer Teilnachlass Vorwort Vorwort Zur Person Raoul Hausmann * 12. Januar 1886 in Wien, Österreich-Ungarn (heute Österreich); † 01. Januar 1971 in Limoges, Frankreich Nachweis in der Gemeinsamen Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbibliothek: http://d-nb.info/gnd/118547143 Raoul Hausmann war ein österreichischer, tschechoslowakischer, vorübergehend staatenloser, deutscher Maler, Fotomontagekünstler, Fotograf, Schriftsteller, Vortrags- künstler, Tänzer und wissenschaftlicher Experimentator. Seine Eltern sind der Porträt- und Historienmaler Victor Hausmann (1956–1920) und dessen Ehefrau Irene Gabriele Hausmann, geb. Petke. Von seinem Vater erhält Raoul Hausmann Anleitungen für seine ersten künstlerischen Versuche. Seine philosophi- schen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse wird Hausmann sich weitgehend auto- didaktisch beibringen. 1900 siedelt die Familie von Wien nach Berlin über, wo Raoul Hausmann 1905 den Grabmal- und Gartenarchitekten und späteren „Oberdada“ Johannes Baader (1975– 1955) und die Geigerin Elfriede Schaeffer (1876–1952) kennenlernt, die er 1908 heira- tet. 1907 wird die gemeinsame Tochter Vera geboren. Von 1908 bis 1911 absolviert Hausmann in den von Arthur Lewin-Funcke geleiteten Studien-Ateliers für Malerei und Plastik in (Berlin-)Charlottenburg eine künstlerische Ausbildung. Zwischen 1909 bis 1914 gestaltet er jugendstilhafte Bucheinbände (u.a. für den Diederichs Verlag, Jena), Glasfenster- und Schriftentwürfe. Ab 1912 erfolgt die Abkehr Hausmanns vom Akademismus, und es entstehen erste expressionistische Lithographien und Holzschnitte, angeregt durch die Bekanntschaft mit den Malern der Brücke sowie die Rezeption der Futuristen in Ausstellungen der Berliner Galerie Der Sturm. Erste Textveröffentlichungen in der Zeitschrift Der Sturm folgen. In seiner Malerei findet er zu einer kubo-expressionistischen Formsprache. 1915 beginnt Hausmann eine Liebesbeziehung mit der Künstlerin Hannah Höch (1889–1971), die bis 1922 Bestand hat. In einer angestrebten Gemeinschaft mit Höch und seiner Ehefrau sucht Hausmann unter dem Eindruck der psychoanalytischen Texte von Otto Gross eine antipatriarchalische und antibürgerliche Lebensform zu rea- lisieren. Er lernt die bildenden Künstler Hans Richter (1888–1976), Conrad Felixmüller (1897–1977) und Arthur Segal (1875 – 1944) kennen und schließt Bekanntschaft mit Seite 2 Raoul Hausmann | Dokumentarischer Teilnachlass Vorwort dem Philosophen Salomo Friedlaender (1871–1946), genannt Mynona, dessen Hauptwerk Schöpferische Indifferenz sein Denken ebenso nachhaltig prägt wie das Konzept der „exzentrischen Empfindung“ des Philosophen Ernst Marcus. 1918 gründet Hausmann zusammen mit Richard Huelsenbeck (1892–1974), Johan- nes Baader und anderen den Berliner Club Dada. Hausmann ist Mitherausgeber der Zeitschrift Der Dada und des Prospekts Club Dada. Bei Dada-Veranstaltungen trägt er erstmals öffentlich seine Manifeste und Lautgedichte vor. Seine optophonetischen Pla- katgedichte werden gedruckt. Zusammen mit Hannah Höch entwickelt er die künstleri- sche Fotomontage, der er sich während Dadas Blütezeit vorrangig widmet. In Kurt Schwitters (1887–1948), Hans Arp (1886–1966) und Otto Freundlich (1878–1943) fin- det Hausmann Freunde. 1919 beteiligt sich Hausmann an der ersten Dada-Ausstellung im Graphischen Kabi- nett I. B. Neumann. Er richtet zusammen mit Richard Huelsenbeck, Johannes Baader, Jefim Golyscheff (1897–1970), George Grosz (1893–1959) und Walter Mehring (1896–1981) eine Dada-Soiree im Berliner Meistersaal aus. Hausmann organisiert 1920 dadaistische Veranstaltungen zusammen mit Johannes Baader und Richard Huelsenbeck in Dresden, Hamburg, Leipzig, Teplitz-Schönau (heute Teplice / Tschechien), Prag und Karlsbad (heute Karlovy Vary / Tschechien). Im Juli/August findet die Erste Internationale Dada-Messe in der Berliner Kunsthandlung von Dr. Otto Burchard statt, die Hausmann zusammen mit George Grosz und John Heartfield (1891–1968) veranstaltet. 1921 tritt Hausmann zusammen mit Kurt Schwitters auf der Antidada-Merz-Presentis- mus-Tournee in Prag mit Grotesktänzen und der Rezitation seiner Lautgedichte auf. Er engagiert sich in der Novembergruppe, stellt mir ihr aus und gibt mit einer inhaltli- chen Neuausrichtung die Veröffentlichungen der Gruppe unter dem Titel NG heraus. 1922 beginnt Hausmann mit seinen optischen und optophonetischen Untersuchun- gen. Im selben Jahr nimmt er am Kongress der Union internationaler fortschrittlicher Künstler in Düsseldorf teil und reist im Rahmen einer Dada-Tournee mit Kurt Schwit- ters nach Jena, Weimar sowie Hannover. 1922 trennen sich Hausmann und Hannah Höch; er lernt die Malerin Hedwig Mankiewitz (1893–1974) kennen, die er 1923, nach Scheidung von seiner ersten Frau Elfriede Hausmann-Schaeffer, heiratet. 1926 entsteht auf der Insel Sylt die Konzeption und Niederschrift des autobiografi- schen Experimentalromans Hyle. Ab 1927 widmet Hausmann sich vorrangig der Foto- grafie. Er lernt Vera Broïdo (1907–2004) kennen, mit der er und seine Ehefrau in einer ménage à trois bis 1934 zusammenleben. Seite 3 Raoul Hausmann | Dokumentarischer Teilnachlass Vorwort 1933 emigrieren die drei nach Ibiza (Spanien), wo Hausmann bis 1936 verbleibt. Seine Satiren Hurrah! Hurrah! Hurrah! werden von der Reichsschrifttumskammer auf den Index des „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gesetzt. Auf der Propa- ganda-Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 wird Hausmanns Zeitschrift Der Dada ge- zeigt. Nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs verlässt er mit seiner Frau Ibiza und hält sich zwischen 1936 und 1938 abwechselnd in Zürich, Prag und Paris auf. Von 1939 bis 1944 lebt er illegal in der Künstlerkolonie Peyrat-le-Château (Frank- reich). Ab 1944 wird er in Limoges (Frankreich) ansässig, wo er 1971 an den Folgen einer Gelbsucht versterben wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg sucht Hausmann wieder Kontakt zu László Moholy-Nagy (1895–1946) und Kurt Schwitters, mit dem er die Herausgabe der Zeitschrift PIN plant. Zwischen 1946 und 1959 erweitert Hausmann sein fotografisches Schaffen um kame- ralose Experimente (Fotogramme, Fotopiktogramme) und kommt auf die Fotomontage zurück. In der retrospektiven Beschäftigung mit Dada ist er bestrebt, seine eigene Rolle und Bedeutung für die dadaistische Bewegung als Chronist zu fixieren. Von 1959 bis 1964 wendet Hausmann sich erneut der Malerei zu. Es entstehen gesti- sche, zum Teil mit kalligraphischen oder piktographischen Zeichen versehene abs- trakte Gemälde. Im letzten Lebensjahrzehnt entstehen trotz stark nachlassender Seh- kraft zahlreiche Collagen. Werke von Raoul Hausmann in der Sammlung der Berlinischen Galerie Die Sammlung der Berlinischen Galerie umfasst neben dem dokumentarischen Teil- nachlass auch Kunstwerke von Raoul Hausmann: Dazu gehören neben frühen Ge- mälden auch rund 60 Werke auf Papier aus den Jahren 1911 bis 1930 sowie über 350 fotografische Arbeiten. Zum dokumentarischen Teilnachlass und weiteren Konvoluten in der Berlinischen Galerie Der Teilnachlass konnte 1992 von der Berlinischen Galerie erworben werden und um- fasst schwerpunktmäßig Zeugnisse des Lebens von Raoul Hausmann und seinen Ak- tivitäten in Berlin bis zur Emigration 1933 sowie den Briefwechsel mit Elfriede und Vera Hausmann bis zum Tod Raoul Hausmanns. Neben biografischen Dokumenten besteht der Teilnachlass zum großen Teil aus Kor- respondenzen. Diese dokumentieren u.a. den gedanklichen Austausch Hausmanns mit Zeitgenossen, darunter Johannes Baader, Adolf Behne, César Domela-Nieuwen- huis, Otto Freundlich, Werner Gräff, Franz Jung, Ludwig Mies van der Rohe, László Seite 4 Raoul Hausmann | Dokumentarischer Teilnachlass Vorwort Moholy-Nagy, Hans Richter, Franz Roh, Kurt Schwitters, Arthur Segal und Franz Wil- helm Seifert. Die maschinengeschriebene Geschäftskorrespondenz ist als Durch- schlag und Antwortbrief erhalten. Daneben sind im Teilnachlass Manuskripte und Texte von Hausmann (und Dritten) zu Kunst, Kultur und Philosophie sowie technisch-naturwissenschaftliche Studien überlie- fert. Schwerpunkt der literarischen Texte ist das Romanmanuskript Hyle, dessen Entwick- lungsstadien durch Manuskripte und Typoskripte dokumentiert ist. Im Jahr 2019 konnte der Bestand zu Hausmann durch eine Schenkung des deutschen Universalkünstlers, Professors und Käthe-Kollwitz-Preisträgers Timm Ulrichs (*1940) ergänzt werden. Das dokumentarische Konvolut umfasst die Korrespondenz von Ul- richs mit Hausmann aus den Jahren 1967 bis 1970, angereichert mit Textentwürfen Hausmanns.1 Zur archivischen Bearbeitung Der Teilnachlass kam ungeordnet in die Sammlung der Berlinischen Galerie. Die ein- zelnen Manuskripte, Briefe und Dokumente mussten vor der Inventarisierung entziffert und teilwiese neusortiert sowie systematisch geordnet werden. Insgesamt umfasst der Teilnachlass ca. 1.800 Verzeichnungseinheiten. Bei der archivischen Aufarbeitung wurde sich an den Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen (RNA)2 orientiert. Daher ist der Nachlass in folgende Hauptbestandsgruppen gegliedert: 1. Urkunden, Zeugnisse, Persönliche Dokumente 2. Private Korrespondenzen 3. Geschäftskorrespondenzen von und an Raoul Hausmann 4. Texte und Manuskripte von Raoul Hausmann 5. Texte zu Romanen von Raoul Hausmann 6. Tagebücher und Notizbücher 1908-1932 7. Texte von Johannes Baader und anderen Autor*innen 8. Materialsammlung 1 Siehe Sammlung-Online: https://sammlung-online.berlinischegalerie.de:443/eMP/eMuseumPlus?ser- vice=ExternalInterface&module=artist&objectId=11056&viewType=detailView
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