2 Wochenschau Bauwelt 25 | 2007 Bauwelt 25 | 2007 3 KUNST AM BAU KINO sie lacht, er widerspricht. Installation von „It’s stupid, but great.“ Frank Gehry vor Rudolf Herz im Bauamt Aschaffenburg der Kamera von Sydney Pollack Christoph Tempel Ralph Eue Darf das Verb „schlafen“ auf der Ankreuzliste stehen, chen in Ewigkeit gegossen die hellen Stirnwände Was soll man bloß jemandem schenken, der schon ginn seines Films und lässt damit ex negativo auf- So sehr Gehry für Pollack ein Freund ist, so sehr um- wenn eine bayerisch-freistaatliche Behörde zum des Licht hofs, gemeinsam mit: ich denke, du planst, alles hat? Der spanische Regisseur Pedro Almodóvar, scheinen, was Sketches of Frank Gehry nicht ist, nicht weht ihn doch immer auch die Aura des Genies. Und Nachdenken über sich selbst aufgefordert wird? Und er widerspricht, sie lacht, es bleibt, ihr staunt und der die Frage in einer France Culture-Sendung einmal sein will und nicht sein kann: eine Fallstudie (wie ein Genie ist zwangsläufig geheimnisumwittert – was ist mit: träumen, lieben, genießen? Manch ei nem sie kämpfen. beantworten sollte, musste dafür nicht lange überle- Mirjam von Arx’ Building the Gherkin), eine verwandt- muss es sein. Aber entwerfen und bauen ist Team- im Staatlichen Bauamt Aschaffenburg schien das zu Während sich Herz bei der Auswahl der acht gen: eine Ausstellung zum Fünfundfünfzigsten. Die - schaftlich motivierte Entdeckungsreise wie Natha- work. Gehry diskutiert mit seinen Mitarbeitern, doch heikel, allein schon wegen der Außenwirkung seiner Zweiwortsätze noch streng der Statistik fügte, griff se Ausstellung hat er dann, nicht umsonst ist er ja Al- niel Kahns My Architect oder gar eine stolze und her- die Hierarchie bleibt immer gewahrt. Brav faltet und Behörde. Doch weshalb tritt ein Bauamt überhaupt er bei der Hängung ein und formte aus je zwei kur- modóvar, schließlich auch bekommen: an prominen - metische Medien-Kunst-Unternehmung (wie Heinz schneidet der Assistent ein Fassadenteil, bis der Meis- zu so weitreichender Selbstreflexion an? Den Anstoß zen Sätzen ein folgerichtiges Aussagepaar pro Etage. tem Ort, im neuen Gebäude der Cinémathèque Fran- Emigholz’ Schindlers Häuser). Stattdessen: ein frei lau- ter sagt: „Great“, die Hände hochwirft: „It’s stupid, gab die Kunst, besser gesagt: die viel geschmähte Es steht dem Besucher selbstverständlich frei, die çaise im ehemaligen American Center von Paris-Bercy, fendes Tisch-Gespräch zwischen Freunden, Bewun- but great.“ Um aus den Modellen mit den geschwun- Kunst am Bau, Ergebnis eines Wettbewerbs, ausge- Sätze anders zu kombinieren oder einzeln zu betrach- das Frank Gehry seit 2003 einer mehrjährigen kos- derung nicht ausgeschlossen. Skizzenhaft. Die Genre- genen Linien, den Falten und Bauchungen exakte lobt im Rahmen des Wiedereinzugs von Staatlichem ten. In der vorgeschlagenen Lesart folgt auf „wir metischen Überarbeitung – in anderen Lebensberei- Bezeichnung, Sketches, ist durchaus buchstäblich zu Ausführungspläne zu machen, wurde ein Computer- Bauamt und Wasserwirtschaftsamt ins angestammte, bauen“ ganz logisch „ihr staunt“, und auf „ich denke“ chen nennt man das Lifting – unterzogen hat. Frank nehmen. Es ist ein Film, der, wenn ich noch einmal programm entwickelt, das ähnlich funktioniert wie generalsanierte und um ein Stockwerk erweiterte folgt „du planst“. Plötzlich wird aus den willkürlich Gehry, dem die gleiche Frage im vergangenen Jahr ge- auf die bereits erwähnte synästhetische Gleichung zu- beim Flugzeugbau. Eine einzige Szene zeigt das Groß- Domizil in der Cornelienstraße 1. scheinenden Aussagen eine Unterhaltung über die stellt wurde, hat mit der Antwort ebenfalls nicht rück kommen darf, einem wie Olivenöl mit frischem raumbüro, in dem ein ganzer Stab von Leuten die Der Münchner Künstler Rudolf Herz gewann den Arbeit im Staatlichen Bauamt, die den Lichthof mit lange gezögert. Dank „Sketches of Frank Gehry“, dem Ciabatta vorkommen kann und den man sich am Ende Ideen bearbeitet. Hier wird klar: Das Genie braucht eingeladenen Wettbewerb mit der ebenso einfachen Flüsterton erfüllt. Die Konsequenz von „sie kämpfen“ Porträt-Film seines Freundes Sydney Pollack (Regis- noch mit einem Espresso rund macht. seinen Ameisenstaat. Oder wie Gehry selber sagt: wie bestechenden Idee einer „behördlichen Selbst- ist „es bleibt“, und schon steht einem vor Augen, seur u.a. von Tootsie, Jenseits von Afrika), sei ihm Spektakuläre Architekturaufnahmen nehmen „Ich bin gern Kumpel, aber eben auch ambitiös.“ beschreibung“. 150 Mitarbeiter konnten in einer Ta- dass es sich zu kämpfen lohnt. jetzt das Drängen einiger Verleger vom Hals geschafft, uns gefangen: Wir schauen gebannt, wie unterschied- Die lustigste Figur in der Besetzungsliste des belle die acht Pronomen ich, du, er, sie, es, wir, ihr, Die Reduktion auf Subjekt und Prädikat, der demnächst doch bitte seine Memoiren zu schreiben. lich sich die Bauten aus unterschiedlichen Blickwin- Films – darunter Julian Schnabel, Bob Geldof, Mi- sie mit vom Künstler ausgewählten 32 Verben kom- Verzicht auf das erklärende Objekt, eröffnet die Mög- Nicht, dass er sich diesen Film wirklich gewünscht keln präsentieren. Wie sich die Fassaden und Treppen chael Eisner, Philip Johnson und Dennis Hopper – ist binieren und so kurze Aussagen über sich und die lichkeit der imaginierten Unterhaltung. Jedem steht hätte, aber jetzt sei er halt da und erweise sogar sei- des Vitra-Museums wölben oder wie uns die Ein- Gehrys Therapeut Milton Wexler. Er plaudert darü- Menschen ihrer Umgebung tätigen. Die acht am häu- es frei, sich das umkämpfte Objekt vorzustellen, den nen praktischen Nutzen. gangs front in der Disney-Concert-Hall umfängt. Fas- ber, dass nach Gehrys Durchbruch jede Menge Archi- figsten genannten Sätze würden an den Wänden des Bau oder die Leistung, die uns zum Staunen brin- Ausstellungen oder Filme, so scheint’s, sind ziniert sehen wir, wie sich Wolken und Regentrop- tekten bei ihm in die Analyse wollten, in der Hoff- Lichthofs angebracht werden, hieß es in der Auffor- gen. Man sieht die Frau förmlich, wie sie lacht, und einfach die coolere, wahrscheinlich unaufwendigere fen in den Titanhäuten des Guggenheim in Bilbao nung, er könne auch sie zu Genies machen. Nachdem derung, Öffentlichkeit war also garantiert. Etwa die es fällt genauso leicht, sich vorstellen, dass sie über und sicher effizientere Alternative gegenüber der spiegeln und wie Abendlicht und Morgensonne die Pollack Gehry und seine Architektur so gut zur Gel- Hälfte der Mitarbeiter nahm das Angebot von Ru - ihn lacht, der immer widerspricht und an allem rum- Mühsal, sich aus unzähligen Einzelteilen die Kontinu- Bauten strahlen lassen. Das sind die Bilder, die tung gebracht hat, ist es denkbar, dass die nun auch dolf Herz an und agierte auf der von ihm bereiteten mäkelt. Aber vielleicht widerspricht er dem Bau ei - itäten und Brüche der eigenen Arbeit, Entwicklung wir erhofften. Diese Teile wurden aufwendig, den bei ihm Schlange stehen. Bühne. So wurde schlafen immerhin drei Mal ange- ner neuen Schnellstraße, hebt damit die Lebensqua- oder, ja, warum nicht: Karriere zurechtzubuchstabie- Schauwer ten Rechnung tragend, auf „35 mm State kreuzt, genießen elf Mal, und zwölf Personen träu- lität der Anwohner und bringt sie so zum Lachen? ren. Vielleicht verhält sich die süffige Showdrama- Of The Art-Movie-Film-Stock“ (Sydney Pollack) ge- Sketches of Frank Gehry | Dokumentation, men – alles nachzulesen in der Ergebnisliste im Erd- Wer weiß? turgie einer Ausstellung oder eines Porträtfilms zu dreht. Und immer wieder natürlich auch Gehry 83 Minuten, USA, 2005, Regie und Drehbuch: geschoss des Lichthofs, die das Procedere sehr schön Je nachdem, mit welchem Anliegen man das der eher kargen Performance von Memoiren oder selbst: ein jovia les, lächelndes Gegenüber, das ger- Sydney Pollack | ▸ www.frankgehry.kinowelt. erklärt. Bauen – wie konnte es anders sein – wurde Staatliche Bauamt Aschaffenburg betritt, bekommen ei ner Autobiographie wie Olivenöl zu Margarine, wie ne erklärt und man ches auch gerne einfach stehen de | Filmstart am 5. Juli von 36 Mitarbeitern für wichtig erachtet, 22 davon die Aussagen immer neue Konnotationen, für Mitar- Ciabatta zu Komissbrot oder Espresso zu Malzkaffee. lässt. Diese Teile dagegen, Sony sei Dank, wurden kreuzten „wir bauen“ an, und diese Aussage ziert beiter wie Besucher, das erreicht Kunst am Bau nur Er habe weder vom Dokumentarfilm Ahnung mit beweglichen DV-Kameras von mehreren Ope- nun stählern und mit Hilfe von titanisierten Oberflä- selten. In Aschaffenburg ist es mehr als nur gelungen. noch von Architektur, bekennt Sydney Pollack zu Be- rateuren, einer davon Pollack selbst, aufgezeichnet. Rudolf Herz bat die Mitarbeiter des Bauamtes Skizze Gehrys zum Guggenheim Museum um „Selbstbeschreibungen“. Die acht am häu- in Bilbao. figsten genannten Promomen-Verb-Kombina- Abbildungen: Kinowelt Filmverleih GmbH tionen wurden im Lichthof des Amtes ange- bracht: sie kämpfen, ich denke, wir bauen, sie lacht auf der einen, es bleibt, du planst, ihr staunt, er widerspricht auf der andern Seite. Foto: Hans Döring, München.
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