L. KUCHARZ Parteifreunde Kiep, Kohl auf dem CDU-Parteitag 1985: Ein Typ, mit dem man „Pferde stehlen kann“ AFFÄREN „Krummes Ding abgezogen“ Aus der Schmiergeldaffäre um einen Panzer-Deal mit Saudi-Arabien wird womöglich ein Partei- spenden-Skandal. Der einstige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep behauptet, nicht er, sondern seine Partei habe von dem Waffenhändler Karlheinz Schreiber eine Million Mark kassiert. ie Gerichtsstraße im idyllischen Kö- Als der einstige niedersächsische Fi- wesen. Und sein Anwalt, der Kölner Steu- nigstein im Taunus lag noch verlas- nanzminister, der auch 21 Jahre die Kasse erstrafrechtler Günter Kohlmann, assis- Dsen da. Nur ein eilig herbeigerufe- der Union hütete, gegen 12.15 Uhr durch tiert: „Das war eine Spende für die CDU. ner Wachtmeister, eine Protokollführerin den Hinterausgang des Königsteiner Ge- Herr Kiep hat von dieser Million keinen und die Haftrichterin Christine Radema- richtsgebäudes verschwand, war die Justiz Pfennig bekommen und musste deshalb cher waren am vergangenen Freitagmor- beruhigt. Dafür jagt ihn jetzt die CDU. auch nichts versteuern.“ gen schon vor sieben Uhr erschienen. Im- Denn Kiep – wegen des Verdachts der merhin hatte ein Prominenter aus der Steuerhinterziehung von der Staatsan- Nachbarschaft angekündigt, sich stellen waltschaft Augsburg gesucht, weil er zu wollen. Schmiergelder aus einem Panzer-Deal mit Tags zuvor, als der Haftbefehl gegen ihn Saudi-Arabien nicht angegeben haben soll vollstreckt werden sollte, aß der Beschul- – hatte in der fünfstündigen Vernehmung digte gerade mit Siemens-Chef Heinrich sein bisheriges Schweigen gebrochen. Die von Pierer im Münchner Hotel Vier Jah- drohende Untersuchungshaft vor Augen, reszeiten zu Mittag.Anschließend reiste er gab er dem Fall eine Wende, die womöglich zu einer Lesung aus seinem neuen Buch den Beginn einer neuen Parteispenden- „Was bleibt, ist große Zuversicht“ zum Au- Affäre bedeutet und die ins Herz der tomobilclub nach Stuttgart – und war Christdemokraten zielt. schon wieder weg, als dort am Donnerstag Das Geld, eine Million Mark, erklärte die Polizei erschien. der konservative Grandseigneur mit der Walther Leisler Kiep, 73, ist schwer zu Vorliebe für schwere Motorräder, sei nie fassen. für ihn, sondern für die CDU bestimmt ge- Beschuldigte Pfahls, Schreiber: Millionen als 22 der spiegel 45/1999 Deutschland Die Verteidigungsstrategie In der Essener Konzernzentrale von ihres ehemaligen Schatzmeis- Thyssen wurden Unterlagen beschlag- ters löste in der Union, die sich nahmt, wonach bei dem Geschäft mit ei- gerade daran gewöhnt hatte, nem Auftragsvolumen von 446,4 Millionen die Pannen der rot-grünen Re- Mark „als Provisionen und nützliche Auf- gierung genüsslich auszukos- wendungen“ – vulgo: Schmiergeld – insge- ten, helle Panik aus. CDU-Ge- samt 219,7 Millionen Mark geflossen sind; neralsekretärin Angela Merkel allein Schreiber soll davon 24,4 Millionen sprach von einem „bemerkens- Mark erhalten haben. Nach Überzeugung werten Vorgang“ und ga- der Staatsanwaltschaft ist er einer der Män- rantierte „rückhaltlose Auf- ner, die für die Verteilung zuständig waren. klärung“. 3,8 Millionen soll Pfahls von Schreiber Gleichzeitig räumte sie aber dafür bekommen haben, dass er den Deal ein, dass dies derzeit leider auf der Hardthöhe durchsetzte, 12,5 Mil- nicht möglich sei. Das Geld sei lionen sollen an die beiden Thyssen-Obe- auf einem Treuhandkonto ge- ren zurückgeflossen sein. landet, da komme man nur Und noch gegen drei weitere angebliche schwer an die Unterlagen ran. / ARGUM STOCKMEIER F. Helfer wird ermittelt: gegen den Strauß- Auch der von Kiep benannte Vernommener Kiep: „Ich muss erst mal nach Amerika“ Sohn Max Josef, den früheren CSU-Wirt- Zeuge, immer noch ein Ge- schaftstaatssekretär Erich Riedl und eben schäftspartner der Union, sei unerklärli- genen Fraktion den Kanzler eindringlich Kiep. Alle dementieren, als wirklich heiß cherweise nicht zu erreichen. Parteichef vor der Ernennung gewarnt. galt keine dieser Spuren. Wolfgang Schäuble habe schon seinen Vor- Mühelos schaffte der Ex-Politiker die Erst in der vorvergangenen Woche in- gänger Helmut Kohl gefragt, aber auch der von der Haftrichterin festgelegte Kaution formierten die Augsburger Fahnder das Altbundeskanzler wisse von nichts. von 500000 Mark in bar herbei, um sich bayerische Justizministerium von dem ge- Fehlende Unterlagen, Erinnerungslü- vorerst einen Gefängnisaufenthalt zu er- planten Haftbefehl gegen Kiep. Die Aus- cken, Schmiergeldübergabe im Koffer – die sparen.Alle drei Wochen hat Kiep sich jetzt wertung von Geldbewegungen auf einem Umstände der Panzer-Affäre erinnern fatal bei der Polizei zu melden, an den Flick-Skandal der achtziger Jahre. solange der Haftbefehl nur Damals hatte der Konzern flächendeckend außer Vollzug gesetzt ist. Politiker und Beamte großzügig mit Ba- Nach der Vernehmung fiel rem versorgt, um umstrittene Steuer- der rastlose Geldeinsamm- entscheidungen zu beeinflussen. Es scheint, ler in alte Verhaltensmuster als wiederhole sich ein düsteres Kapitel zurück: „Ich kann jetzt der Geschichte – das Ermittlungsverfah- nichts sagen, ich muss erst ren 502 Js 127135/95, das schon so gut wie mal nach Amerika.“ erledigt schien, hat plötzlich das Potenzial Die Zurückgebliebenen für eine Staatsaffäre. machen sich derweil auf die Die seit über vier Jahren laufenden Er- Suche nach der Wahrheit. mittlungen der Augsburger Staatsanwalt- Ein CDU-Vorständler war schaft hatten Kiep und seine zahlreichen im Urteil über den alten Freunde bisher einfach ignoriert. Der Pen- Parteikameraden schnell sionär ist immer noch viel beschäftigt. Er bei der Hand. Kiep habe sitzt im Beirat der Deutschen Bank und „ein krummes Ding abge- steht nicht nur der European Business zogen. Er lügt, dass sich die School, sondern auch dem deutsch-ameri- Balken biegen“. kanischen Eliteclub Atlantik-Brücke vor. Ganz so einfach aber Kanzler Gerhard Schröder zählt er zu wird die Union den lästi- AFP / DPA seinen Duzfreunden. Der Regierungschef gen Nestbeschmutzer wohl Panzer im Golfkrieg (1990): Hilferuf der Saudis hatte ihn gerade erst im Juli gebeten, sich nicht los. in seinem Namen um die fragilen deutsch- Im Mittelpunkt der Affäre steht der Schweizer Rubrik-Konto Schreibers, das türkischen Beziehungen zu kümmern. Da- Kauferinger Geschäftsmann Karlheinz die Ermittler Kiep zuordnen, hat nach ih- bei hatten führende Mitglieder seiner ei- Schreiber, 65, ein alter Kumpan des ver- rer Ansicht aus dem „seit längerem beste- storbenen Franz Josef Strauß. Schreiber henden Tatverdacht“ einen „dringenden soll 1991 im Zusammenhang mit dem Golf- Tatverdacht“ gemacht. Mit der Begrün- krieg die umstrittene Lieferung von 36 dung, Kiep habe ein Haus in Lenzerheide „Fuchs“-Panzern an Saudi-Arabien mit im schweizerischen Kanton Graubünden, Bargeld befördert haben, derzeit kämpft er wurde eine Fluchtgefahr bejaht. in Kanada gegen seine Auslieferung nach Bis dahin hatten die Indizien gegen ihn Deutschland. Zwei damals verantwortli- als ziemlich dünn gegolten: In einem bei che Manager des Fuchs-Herstellers Thys- Schreiber beschlagnahmten Kalender aus sen sind nur gegen Millionenkaution auf dem Jahr 1991 – das war das Jahr des Pan- freiem Fuß. Der ehemalige Verteidigungs- zer-Deals – fanden sich zwölf Hinweise auf staatssekretär und Verfassungsschutzprä- Kiep: „Max wg. LK wie gehts weiter“, hieß sident Ludwig-Holger Pfahls wird von es etwa. Oder „LK 1 = 1000000 DM“. Ei- Zielfahndern des Bundeskriminalamts nen weiteren von Schreiber offenbar für (BKA) gejagt, seit er im Juli in Hongkong die Tarnung von Geschäftspartnern ge- CP wie ein gewöhnlicher Krimineller unter- brauchten Codeschlüssel glauben die Fahn- „Provisionen und nützliche Ausgaben“ tauchte. der geknackt zu haben: Statt des Kürzels der spiegel 45/1999 23 „LK“ stand dann für den einstigen CDU- Funktionär und Hobbyjäger der Name „Waldherr“. Aus allen Hinweisen folgert die Staatsanwaltschaft, Kiep habe 1991 eine Füchse für die Wüste Million von Schreiber erhalten und die bei seiner Steuererklärung nicht angegeben Wie Staatssekretär Ludwig-Holger Pfahls Widerstände gegen das und so 529000 Mark Steuern hinterzogen. Panzer-Geschäft mit Saudi-Arabien aus dem Weg räumte. Kiep, der die Vorwürfe „Unsinn“ nennt, ann ist ein Geschäft perfekt? Als Thyssen-Manager Jürgen WMaßmann am 5. Januar 1991 nach Saudi-Arabien flog, um den Lie- fervertrag über 36 „Fuchs“-Panzer zu unterzeichnen, fingen seine Probleme erst richtig an. Der Fuchs-Panzer galt als Kriegs- waffe und durfte deshalb nicht in Kri- sengebiete verkauft werden. Gegen die Lieferung nach Saudi-Arabien gab es denn auch ressortübergreifende Ab- lehnung in der Bundesregierung. Hin- zu kam: Selbst bei Erteilung einer Ex- portgenehmigung war Thyssen gar nicht in der Lage, auf die Schnelle die bestellten 36 Panzer zu liefern. Bereits parallel zu den Verhandlun- gen in Riad hatte das Unternehmen versucht, die Widerstände im Wirt- schafts- und Außenministerium aus dem Weg zu räumen – ohne Erfolg. Am 11. Januar 1991 beschrieb Maß- mann in einer vertraulichen Notiz an den Kaufmann Karlheinz Schreiber präzise sein Problem. Um möglichst schnell liefern zu können, sei „im We- Spürpanzer „Fuchs“: Die Bedenken der Heeresleitung einfach ignoriert sentlichen Folgendes erforderlich“: Man benötige die „Genehmigung der des Golfkriegs hatte die Bundeswehr beteuerte vor der Haftrichterin: „Ich bin Ausfuhr dieser Fahrzeuge“ und die 79 Spürpanzer an andere Nato-Staaten unschuldig.“ „Zurverfügungstellung von Transport- sowie drei weitere an Thyssen abgetre- Zur Untermauerung seiner Angaben panzern aus Bundeswehrbeständen“.
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