GUDRUN SWOBODA (HG.) Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums BAND II EUROPÄISChe MUSEUMSKULTUREN UM 1800 Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums 2013 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR GUDRUN SWOBODA (HG.) Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums BAND 2 EUROPÄISCHE MUSEUMSKULTUREN UM 1800 2013 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR IMPRESSUM Gudrun Swoboda (Hg.) Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Band 1 Die kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837) Band 2 Europäische Museumskulturen um 1800 Kunsthistorisches Museum Wien, Wien 2013 Redaktion Gudrun Swoboda, Kristine Patz, Nora Fischer Lektorat Karin Zeleny Art-Direktion Stefan Zeisler Graphische Gestaltung Johanna Kopp, Maria Theurl Covergestaltung Brigitte Simma Bildbearbeitung Tom Ritter, Michael Eder, Sanela Antic Hervorgegangen aus einem Projekt des Förderprogramms forMuse, gefördert vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF): PUB 121-V21/PUB 122-V21 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Abbildungen auf der Eingangsseite Bernardo Bellotto, Wien, vom Belvedere aus gesehen. Öl auf Leinwand, um 1758/61. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie Inv.-Nr. 1669, Detail Druck und Bindung: Holzhausen Druck Gmbh, Wien Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Austria ISBN 978-3-205-79534-6 Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. © 2013 Kunsthistorisches Museum Wien – www.khm.at © 2013 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co.KG., Wien Köln Weimar Inhalt 316 Museumskulturen: Europäische Perspektiven um 1800 Gerhard Wolf 336 Dynamiken von Sammlungskultur im 17. Jahrhundert INSTABILE ENSEMBLES, FÜRSTLICHES MÄZENATENTUM UND DIE AMBITIONEN DER EXPERTEN Robert Felfe 358 Vom „malenden“ zum „wissenschaftlichen“ Galeriedirektor DIE LEITUNG DER KAISERLICHEN GEMÄLDEGALERIE UND DIE INSTALLATION DER „MODERNEN SCHULE“ DURCH DIE DIREKTOREN FRIEDRICH HEINRICH FÜGER, JOSEF REBELL UND JOHANN PETER KRAFFT Sabine Grabner 384 The Kaiserlich Königliche Gemäldegalerie in Vienna seen from an International Perspective 1780 – 1855 – 1891: ITS ARCHITECTURAL SETTING AND MUSEOLOGICAL EMBEDDING Debora J. Meijers 406 „Unschätzbare Meisterwerke“ DER PREIS DER KUNST IM MUSÉE NAPOLÉON Bénédicte Savoy 420 Ein Blick in die Sammlung GALERIEWERKE DES 18. JAHRHUNDERTS Astrid Bähr 436 Schulzimmer: „Nicht nur zum Vergnügen“ GALERIE – BIBLIOTHEK – VERSCHULUNG Kristine Patz 458 Zur Entstehung des Museums als „sichtbare Geschichte der Kunst“ CHRISTIAN VON MECHELS VERHÄLTNIS ZU JOHANN GEORG WILLE UND JOHANN JOACHIM WINCKELMANN Elisabeth Décultot 476 Auf dem Weg zur Kunstgeschichte PIGAGES UND MECHELS KATALOG DER DÜSSELDORFER GEMÄLDEGALERIE Thomas W. Gaehtgens 498 Marco Lastris L’Etruria pittrice und eine „sichtbare Geschichte der Kunst“ Gabriele Bickendorf 512 Von der Wand ins Buch – und zurück an die Wand NACHTRÄGLICHES ZU MALRAUX’ MUSÉE IMAGINAIRE Felix Thürlemann 528 Zwischen Erlebnis und Erkenntnis GEDANKEN ZU ALTERNATIVEN FORMEN DER SAMMLUNGSPRÄSENTATION Wolfgang Ullrich 538 ANHANG Quellen- und Literaturverzeichnis Abbildungsnachweis 558 AUTORENVERZEICHNIS 562 REGISTER 316 Gerhard Wolf Museumskulturen: Europäische Perspektiven um 1800 Ursulae 1. MUSEUM ALS LIEU DE MÉMOIRE UND ORT DES VERGESSENS. WIEN, FLORENZ Abb. 1 Wenn wir durch die Alten Meister gehen, bewegen wir uns durch Räume der Thomas Struth, Geschichte: Im wörtlichen Sinn handelt es sich um Schichten unterschiedlicher Momente Museo del Prado 7, und Epochen, die in ihnen präsent sind, bzw. präsent gehalten oder gemacht werden.1 Madrid 2005, Wenn wir eines der Bilder aus der Serie Museum Photographs von Thomas Struth betrachten Chromogener Abzug, (Abb. 1), dann zeigt dieses wiederum einen solchen Moment aus einem Blickwinkel, bei 177,5 x 218,6 cm. dem inszenierte Kontingenz und Kalkül des Photographen zusammen spielen. Ein im Prado Lissabon, aufgenommenes Photo sei deswegen gewählt, weil dort zur Eröffnung des neuen Flügels Banco Espirito Santo im Jahr 2007 eine Ausstellung dieses Künstlers gezeigt wurde, auch dies ein mehrschichtiges (Privatsammlung) Unterfangen, das wiederum mit dem Werk Struths das Museum als öffentlichen Ort zelebriert und kritisch hinterfragt. Man stelle sich vor, wie die Besucher vor seinen Photo- graphien stehen, sich um sie bewegen, bevor oder nachdem sie die Alten Meister selbst besucht haben. Las Meninas, angeschnitten zu sehen in Struths Photo, ist ein Gemälde, das sich diesem Spiel aufs beste leiht, einen Blick in eine Ateliersituation und auf ein Königs- paar durch Spiegel erlaubt, und damit ist vieles gesagt über die Spannung von Konzepten von Gegenwarten, wenn ich mir diesen Plural erlauben darf, in einem musealen Raum, der die Persönlichkeit des Malers in den Vordergrund stellt und dies in einer spezifisch-histori- sierenden Ästhetik der Inszenierung einer Gemäldesammlung tut. Das heißt mit dem Prado an einem Ort, der mit allen Brüchen wiederum im Zentrum einer monarchischen Repräsentation steht, bzw. mit Thyssen-Bornemisza und dem Museum Reina Sofia zu einer der höchsten Bild- und Malereiverdichtungen der Welt gehört, die auch für Samm- lungskulturen und -traditionen stehen. Der Prado bietet im Parcours seiner Galerien die Referenzebenen einer nationalen Erzählung: Man denke sich dies so, dass die Meisterwerke der italienischen und niederländischen Schule in der spanischen Malerei auf eine übertref- fende Synthese gebracht werden und mit Goya die Brüche im Museum selbst manifest, ja als Kunst exponiert werden. Eine solche Geschichte ist in Wien oder Berlin nicht in der Abfolge der Meisterwerke nachvollziehbar; den Schülerinnen und Schülern wird man dort eine andere Geschichte erzählen. Die Meisterwerke in Paris erlauben eine sichtbare Geschichte der Nation durchaus, in der tiefen Verbundenheit der Bilder und der Bildthemen von Poussin, Rubens bis Gericault in und mit der französischen Geschichte.2 Es ist zugleich der Ort selbst, der evokativ ist: Man kann den Besuch mit dem mittelalterlichen Burgbau des Louvre beginnen, um zu dem in einen Musentempel verwandelten Königspalast aufzusteigen, den Weg wählen durch die Säle mit den Antiken, am Schiffsbug mit der Nike von Samothrake vorbei zum Oberge- schoß in die Grande Galerie zu Mona Lisa, und von da aus dann in die französischen Säle, zu den komplexen Allegorien von Rubens für Maria de‘Medici und dem Floß der Medusa. 317 Wolf Museumskulturen In den Gemäldegalerien, wer immer an ihrem Anfang beginnt und nicht Tage Zeit hat, wird man zwangsläufig zum Kenner der italienischen Schulen von Giotto bis Veronese, der sog. toskanischen, venezianischen, lombardischen, römischen, neapolitanischen Schulen, und um die Verschulung der Kunst als Kunstgeschichte soll es in diesem Band ja u.a. gehen. In Dresden, Wien oder Berlin etwa ist der Gang durch die Gemäldegalerie auf solche Abfolgen konzentriert, fokussiert in unterschiedlicher Weise die Regionen, die Künstler oder das Einzelwerk (etwa das ultimative Meisterwerk der Sixtinischen Madonna in Sempers sakraler Inszenierung); ihre Orte sind als Museumsbauten entstanden und führen durchaus nicht zu den Werken, welche die nationalen Dramen der anbrechenden Moderne thematisieren. Oder man hat eine Trennlinie legen wollen wie in Berlin mit der Einrichtung der neuen Nationalgalerie, wo man die deutschen Meisterwerke jenes Jahrhunderts bewundern kann, welches eine Vielzahl solcher Museen geschaffen hat. Die Uffizien bilden einen Sonderfall, wenn man das Museum auf seine Rolle als lieu de mémoire oder auf seine Position zwischen lieu und non-lieu befragt. Es handelt sich um Büros eines frühabsolutistischen Staatsapparats und zugleich um den Ort von Sammlung wie Ausstellung seit dem 16. Jahrhundert mit Theater, Werkstätten, Raritätenkabinett, Skulpturen und Gemälden. Man bedenke seine Umgestaltung im späten 18. Jahrhundert in osmotischer Beziehung zu Wien – ich meine den berühmten Bildertausch von 1792 – in eines der dichtesten Narrative der italienischen Schulen.3 Viele ihrer Meisterwerke sind gleichwohl solche von Künstlern, die sie in Florenz geschaffen haben; die Uffizien blieben insofern Vasaris Galerie, wenn man so möchte, aber in einer Relektüre, die das Modell des Aufstiegs und Falls (bei Vasari eher Epochenzyklus als biographisch) umdifferenzierte in eine Geographie der Schulen in kennerschaftlicher Perspektive, mit einem Fokus auf letz- terer als ultimativer Methode einer sich am Horizont abzeichnenden akademischen Kunst- geschichte im Sinne des 19. Jahrhunderts. Die Uffizien bleiben im Königsweg ihrer Meister- werke eine Zelebration von Florenz und Rom (bzw. der Rolle von Florenz für Rom) mit Seiten- blicken nach Venedig oder nach Norden, in einer gewissen historischen Geschlossenheit. So wird durch diese Umgestaltung aus den Uffizien als Sammlungsort mit enzyklopädischem Anspruch ein purifizierter Rest herausgefiltert in einer komplexen Ordnung, aus einem Modell von Welt in allen ihren Erscheinungsformen und dem Zusammenspielen von Natur und Kultur eine Gemäldegalerie in Verbindung mit einer Aufstellung antiker Skulpturen. Man kann das schön an der Tribuna
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