ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Nachrichten des Entomologischen Vereins Apollo Jahr/Year: 2002 Band/Volume: 23 Autor(en)/Author(s): Damm Matthias, Füldner Kai Artikel/Article: Die Makrolepidopterenfauna der Zitterpappel (Populus tremula L) in Waldmantelgesellschaften in Südniedersachsen 89-96 88 Nachr. entomol. Ver. Apollo, N. F. 23 (1/2): 89–96 (2002) 89 Die Makrolepidopterenfauna der Zitterpappel (Populus tremula L.) in Waldmantelgesellschaften in Südniedersachsen (Lepidoptera) Kai Füldner und Matthias Damm Dr. Kai Füldner, Matthias Damm, Institut für Forstzoologie, Büsgenweg 3, D-37077 Göttingen, Deutschland; E-Mail (K. Füldner): [email protected] Zusammenfassung: Bei Untersuchungen im südniedersäch- nur im Imaginalstadium, sondern in vielen Fällen auch sischen Bergland und im Solling wurden von 1997 bis 2000 in den während der Larvalphase bevorzugten Habitaten an insgesamt 327 jungen Zitterpappeln (Populus tremula L.), beobachten. Überwiegend an schattigen oder feucht- die an verschieden exponierten Waldinnen- und -außenman- telgesellschaften aufwuchsen, im wöchentlichen Rhythmus kühlen Exposition wachsende Gehölzarten werden zur Vegetatonszeit alle Phytophagen abgesammelt. Dabei weitgehend gemieden. So steht beispielsweise die konnten insgesamt 3172 Individuen von 65 Makrolepido- „Lichtbaumart Eiche“ (kombiniert Quercus robur und Q. pterentaxa im Raupenstadium festgestellt werden, deren petraea) mit 179 hieran fressenden Lepidopterenarten Fundhäufigkeiten sowie präferierte Fundlokalitäten tabel- der Schattbaumart Hainbuche (Carpinus betulus) mit larisch vermerkt sind. Ergänzt wird diese Tabelle durch alle nur 25 Arten gegenüber. Die Schlehe (Prunus spinosa) Makrolepidopterentaxa, die literarisch bislang von Pappel vermeldet wurden. Bei elf der festgestellten Arten fand sich beherbergt 113 Arten, der Holunder (Sambucus nigra) bislang noch kein Literaturvermerk über eine Nutzung der dagegen nur vier (Hacker 1998). Für die mögliche Diver- Espe als Nährpflanze. Zwei Arten (Atolmis rubricollis, Eilema sität der Besiedlung durch Phytophage spielen neben lurideola; beide Arctiidae) sind Flechten- und Grünalgen- möglichen Abwehrstoffen der einzelnen Pflanzenarten fresser und daher nur indirekt an den Fraßbaum gebunden. auch die Breite der genutzten Standorte und damit die Die neun weiteren Arten sind überwiegend polyphage Spe- Vielfalt der angebotenen Nischen eine Rolle, denn viele cies, die ihren Entwicklungsschwerpunkt auf anderen Nähr- pflanzen haben dürften. Es handelt sich um Arctia caja, Tierarten nutzen innerhalb des so gebotenen Nahrungs- Spilosoma lutea (Arctiidae), Calliteara pudibunda (Lyman- spektrums nur einen engen Bereich. triidae), Cosmia trapezina (Noctuidae) sowie Alsophila aes- Nur ein sehr geringer Teil der Lepidopterenarten befrißt cularia, Epirrita autumnata, Crocallis elinguaria, Ennomos quercinaria und E. erosaria (Geometridae). Die hohe Zahl monophag eine Pflanzenart; die Bedeutung der jewei- der aufgefundenen Taxa zeigt den wichtigen Stellenwert ligen Fraßpflanze ist je nach Präferenzen gegenüber der Zitterpappel als Habitat für Lepidopteren innerhalb von anderen möglichen Wirtspflanzen unterschiedlich zu Waldmantelgesellschaften. gewichten. Eine reine Nennung der Artenzahlen der an einer Pflanzenart fressenden Taxa ist daher wenig The macrolepidopteran fauna on aspen (Populus aussagefähig. Diese Zahlen sind zudem ohne Nennung tremula L.) at the edges of forests in southern der Quellen als unzuverlässig zu bezeichnen, da hier häu- Lower Saxony (Lepidoptera) fig Daten unsicherer Herkunft verwendet werden und Abstract: In southern Lower Saxony in the Solling area and the region around Göttingen all phytophagous insects have die Fehlinterpretationen früherer Autoren oft kritiklos been collected from 327 aspen bushes and trees (Populus tre- Eingang selbst in Standardwerke gefunden haben. Auch mula), which were growing at differently exposed plant socie- bei auffälligen Tieren wie den heimischen Tagfaltern ties at the outer and inner edges of the forest. The plants stehen oftmals sowohl die wissenschaftlichen Namen were controlled weekly in the years 1997 to 2000 during (Beispiele Thecla betulae oder Satyrium spini) wie auch the vegetation period. In total, 3172 individuals of 65 differ- die daraus abgeleiteten deutschen („Birkenzipfelfalter“, ent species of macrolepidoptera larvae were recorded. For these, the quantitiy and details of ecological circumstances „Schlehenzipfelfalter“) ohne Zusammenhang zur tatsäch- were noted. These numbers are supplemented in a table by lichen Nahrungspflanze dieser Tiere (Weidemann 1995). macrolepidoptera larvae which are said to have been found Erhebliche Probleme bereitet auch die Verwechslung feeding on Populus species in literature. For eleven of the von „Fütterungspflanzen“ in der Zucht mit tatsächlich species found on aspen, there has no such observation been im Freiland genutzten „Futterpflanzen“. So entwickeln published before. Two of these are feeding on lichens and sich nach Ebert (1991) unter Zuchtbedingungen an Poa green algae (Atolmis rubricollis and Eilema lurideola, both Arctiidae) and, therefore, are only indirectly dependent annua sämtliche in Baden-Württemberg nachgewiese- from the tree. The nine other species are polyphagous spe- nen Satyrinenarten bis zur Imago; tatsächlich gibt es an cies which are usually found on other foodplants. These are dieser Grasart nicht einen einzigen Freilandfund einer Arctia caja, Spilosoma lutea (Arctiidae), Calliteara pudibunda Raupe einer dieser Augenfalterarten. Aufgrund der (Lymantriidae), Cosmia trapezina (Noctuidae) as well as Berücksichtigung nur aus Zuchten bekannter Fraßpflan- Alsophila aescularia, Epirrita autumnata, Crocallis elin- zen, Verwechslungen vom Eiablageort mit dem Fraßort guaria, Ennomos quercinaria and E. erosaria (Geometridae). The high number of species observed feeding on aspen certi- der ausschlüpfenden Raupe (Weidemann 1982) und fies the importance of this tree as a habitat for Lepidoptera Heranziehen veralteter, nicht überprüfter Bestimmungs- larvae at the edges of the forest. literatur besteht Unklarheit über das tatsächliche phyto- phage Artenspektrum an vielen Pflanzenarten. Einleitung Pappeln, insbesondere Zitterpappeln, als Pionierhölzer Die thermophile Lebensweise eines Großteils der mit- findet man auf xerothermen Standorten genauso wie teleuropäischen Makrolepidopterentaxa läßt sich nicht in Moor-Randlagen. Auch das äußere Erscheinungsbild © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main 90 91 mit vielfältigen Übergängen vom zwergenhaften Strauch- chen einmal pro Jahr gezielt nach Raupen von Apatura wuchs bis zum großen Waldbaum bietet eine Vielzahl ilia und Limenitis populi abgesucht und bemerkenswerte von strukturellen Nischen. Die Zahlen der hieran vor- Beifänge ebenfalls vermerkt. kommenden Makrolepidopteren schwanken je nach Autor erheblich. Die höchsten und scheinbar am genau- Beprobte Versuchsbäume esten recherierten Artenzahlen finden sich bei Hacker Von 1997 bis 2000 wurde an verschieden exponierten (1998): Bezogen auf den mitteleuropäischen Raum gibt Waldinnen- und -außenmänteln sowie auf kleineren Suk- er für Pappel allgemein 87, für die Zitterpappel 58 Arten zessionsflächen im Waldinneren die Phytophagenfauna an. Bei mehrjährigen eigenen Untersuchungen an Zitter- der hier jeweils wachsenden Zitterpappeln (Populus pappeln in Waldmantelgesellschaften wurde hier eine tremula) erfaßt (Damm 1999, unveröff.). Die Zitterpappel Vielzahl von Makrolepidopterenarten im Raupensta- ist hier als Baumart eindeutig vom Jungwuchs anderer dium festgestellt. Diese Funde werden im Folgenden dar- Pappelarten zu unterscheiden; nur die Blätter an jungen gestellt und dienen der Ergänzung und dem kritischen Langtrieben erinnern im Einzelfall an P. nigra oder P. Vergleich der bislang aus der Literatur bekannten Makro- pyramidea. lepidopterentaxa an Populus. Die Höhe der untersuchten Baumindividuen lag in der Regel zwischen 0,5 und 4 m. Dies ermöglichte, gegebe- Material und Methoden nenfalls durch vorsichtiges Herabbiegen des Baumes, Untersuchungsgebiet eine vollständige Kontrolle aller belaubten Bereiche. In Einzelfällen wurden auch untere Astpartien größerer Die Untersuchungsflächen liegen im südlichen Nieder- Baumindividuen beziehungsweise mittels eines motor- sachsen, regional zu unterteilen in je einen Untersu- getriebenen Hubsteigers die Kronenbereiche von über chungsblock im Südniedersächsischen Bergland sowie 12 m hohen Bäumen abgesucht. im Solling. Der erste Untersuchungsblock liegt 5–15 km Als geeigneter Parameter zum Größenvergleich der östlich Göttingens in den niedersächsischen Forstämtern beprobten Bäume wurde die „Länge der beblätterten Göttingen, Reinhausen und Bovenden in einer Höhen- Triebe (LbT)“ definiert. Diese Größe beschreibt die lage zwischen 200 und 300 m. Buntsandstein bildet in Länge belaubter Äste an jedem Untersuchungsbaum in allen Fällen das Ausgangssubstrat. Der mittlere Jahres- Metern. An jedem Baum wurden am Ende der jeweiligen niederschlag für das Untersuchungsgebiet beläuft sich Vegetationsperiode alle Äste mit anhaftenden Blättern auf 680 mm, die Jahresmitteltemperatur schwankt je oder beblätterten Kurztrieben über 10 cm aufsummiert. nach Höhenlage von 7,8 bis 8,5°C. Der solchermaßen ermittelte Wert ergibt eine Größe, Der zweite Untersuchungsblock liegt im Forstamt Für- die der tatsächlich abgesuchten Blattmasse entspricht. stenberg im westlichen
Details
-
File Typepdf
-
Upload Time-
-
Content LanguagesEnglish
-
Upload UserAnonymous/Not logged-in
-
File Pages9 Page
-
File Size-