Russell T. Hitt Der Dschungelflieger Nate Saint – sein Leben und sein Zeugnis Christliche Literatur-Verbreitung e. V. Postfach 11 01 35 · 33661 Bielefeld Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Jungle Pilot, Life and Witness of Nate Saint« bei Harper & Brothers, New York © der überarbeiteten deutschen Auflage 2009 by CLV Christliche Literatur-Verbreitung Postfach 11 01 35 · 33661 Bielefeld Internet: www.clv.de Übersetzung: Hans-Georg Noack Umschlag: typtop, Andreas Fett, Meinerzhagen Satz: CLV Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm ISBN 978-3-86699-217-7 Vorwort Niemand weiß besser als der Autor, dass dieses Buch die Arbeit vieler gewesen ist. Von Anfang an, als mich der Auftrag des Verlages Harper & Brothers und der Familie Saint erreichte, war es klar, dass Nates eigene Aufzeichnungen den Hauptanteil des Buches ausmachen sollten. Denn zusätzlich zu seinen vielen anderen Begabungen war er auch ein außerordentlich begabter Schriftsteller. Der Leser wird erregende Abschnitte finden, die unverändert von ihm übernommen wurden. Als Nate Saint im Jahre 1948 zum ersten Mal nach Ecuador ging, schrieb er in einem Brief an Charles Mellis von der Mission Aviation Fellowship1: »Ich will kein großer Schriftsteller sein, aber ich möchte mich gern gut ausdrücken, so wie ich mich oft danach gesehnt habe, vor einer großen Orgel zu sitzen und das zu sagen, was mich bewegt. 1 international und überkonfessionell tätige, auch Missionsflugdienst genannte Organisation, die Missionare in entlegenen sowie schwer zugänglichen Gebieten durch Versorgungsflüge unterstützt 5 Ich möchte gern die Geschichten erzählen, die sich um uns her zutragen. Es werden nur Versuche sein können, gewiss. Aber Versuche und hilfreiche Kritik anderer werden vielleicht Geschichten ergeben, die jene Würze haben, die nur aus der Augenzeugenschaft entstehen kann.« 6 »Tacasta!« Eine kleine Gruppe von Indianern und ein einsamer weißer Mann schwangen Äxte und Buschmesser, rodeten den ver- schlungenen und verfilzten Wald, fällten Bäume, zerschnitten die lianenartigen Luftwurzeln der Bejuka-Bäume und rissen die Chirichiri aus der schwarzen verrotteten Erde. Allmählich türmten sich beiderseits des unvollendeten Landestreifens über- mannshohe Haufen aus dem üppigen Teppich von Dschungel- gewächsen. Der einsame weiße Mann – ein großer, hagerer, hohläugiger junger Missionar – grub Stümpfe aus. Er hatte sich die kleine- ren vorgenommen und versuchte, nicht an den einen großen zu denken, der wie der Fels von Gibraltar genau dort stand, wo die Räder des Flugzeugs aufsetzen sollten. Immer öfter legten der Weiße und mit ihm die Indianer Pau- sen ein. Sie lehnten sich auf die Werkzeuge, um den westlichen Himmel mit den Blicken abzusuchen und auf das leise Brum- men zu lauschen, das die Ankunft Nate Saints in dem kleinen gelben Flugzeug ankündigen würde. Der unfertige Landestreifen wirkte wie eine vereinzelte 7 Narbe im östlichen Dschungel von Ecuador. Wo er endete, lag ein Eingeborenendorf, das vom großen, strohgedeckten Gemeinschaftshaus beherrscht wurde, etwa vier Tagereisen süd- ostwärts der Missionsstation Macuma, wenn man das Kanu und Dschungelpfade nutzte. Von dort war Roger Youderian gekom- men, um den Indianern bei der Fertigstellung des Landestrei- fens zu helfen. Als Roger, sein Missionsmitarbeiter Frank Drown und Nate Saint, der Dschungelpilot, den Plan gefasst hatten, bei dem Dorf der Achuara-Indianer ein Rollfeld zu roden, schien das eine ganz alltägliche Sache. Zwar hatten die Achuaras jahrelang Missionare von ihrem Gebiet ferngehalten und jeden, der ihre Grenzen zu überschrei- ten suchte, mit dem Tod bedroht; aber eines Tages war Santiaku, ihr Häuptling, zur Missionsstation gekommen, um Medizin zu erbitten, die ihn von einer schrecklichen und entstellenden Dschungelkrankheit heilen sollte. Nach seiner Genesung lud Santiaku Roger und Frank zu sich ein. Bei ihrem ersten Besuch brachten die Missionare Werkzeuge mit und überredeten die Achuaras, einen Landestreifen anzu- legen. Kein Landestreifen – keine Medizin. So einfach war das. Roger und Frank blieben drei Tage, in denen sie die Kranken des Stammes behandelten und so das Misstrauen der Indianer überwanden. Anschließend kehrten sie auf ihre Missionsstation zurück. In den folgenden Monaten flog Nate Saint regelmäßig her- über, um die Fortschritte am neuen Landestreifen zu beobach- ten. Schließlich wurde klar, dass die Indianer Hilfe brauchten, und so beschloss Roger, sich ihnen anzuschließen, um die Arbeit voranzutreiben. Auf der Missionsstation ahnte niemand, dass unvorhergese- hene Schwierigkeiten aufgetreten waren. Als Roger in Santiakus Haus ankam, musste er feststellen, dass sich viele Dorfbewoh- ner bei durchziehenden Soldaten mit Grippe angesteckt hatten. Es war ein tödliches Virus, dem die Indianer niemals zuvor aus- 8 gesetzt gewesen waren. Sie hatten ihm keinen Widerstand leis- ten können, und Roger wusste, dass sie vielleicht wie die Flie- gen sterben würden. Das konnte die Missionsarbeit unter die- sem Indianerstamm auf Jahre hinaus unmöglich machen. Es war bezeichnend für Roger Youderian, den ehemaligen Fallschirmjäger, dass er sofort zur Tat schritt. Mit dem Peni- zillinvorrat, den er bei sich hatte, behandelte er die schwersten Fälle und hoffte, die Epidemie eindämmen zu können. In den nächsten Tagen erholten sich die Kranken ein wenig, und es schien, als sollten keine weiteren Fälle mehr auftreten. Aber es war Roger völlig klar, dass ein sicheres und festes Verhältnis zu den Achuaras nur geschaffen werden konnte, wenn bald ein Arzt und weitere Hilfe eingeflogen wurden. Nate und das gelbe Flugzeug mussten so bald wie möglich auf dieser entlegenen Rodung landen. Die Luft war jetzt wärmer. Wolken von schwarzen Mücken wurden von den zuschlagenden Macheten aufgejagt und schwärmten über Rogers schweißnassen Körper, während er mit den Indianern am Landestreifen arbeitete. Mit vor Erschöp- fung hängenden Schultern hob der große junge Missionar den Zipfel seines zerfetzten und schmutzigen Hemds und wischte den Schweiß vom Gesicht und aus den schwarzen Bartstoppeln. Er betrachtete die dünne Schicht des Morgennebels, der wie ein Leichentuch über diesem entlegenen Teil des großen Waldes lag. Dann senkte er den Kopf und schloss die Augen. »Gott, lass die- sen Nebel verschwinden und schicke Nate recht bald«, betete er in englischer Sprache. Die Achuaras, diese unergründlichen Mörder des Urwalds, sahen einander verwundert an. Doch noch konnte das Flugzeug nicht landen. Roger wusste es. Aber er wusste auch, dass Nate, wenn er erst über ihren Köp- fen kreiste, sein einzigartiges Bord-Boden-Telefon im Eimer her- unterlassen würde, das gerade für solche Fälle entwickelt wor- den war. »Tacasta!« (Los jetzt!), rief Roger, und hielt die Indianer wieder zur Arbeit an. 9 Nach einiger Zeit begann der Nebel zu zerreißen, und die Morgensonne warf Muster von Licht und Schatten auf die nahe gelegenen Yuccafelder, wo die Frauen arbeiteten. In den gerode- ten Wurzellöchern spielten die Kinder; sie hielten sich lieber bei den Männern auf. Roger ging hinüber, um den großen Stumpf zu untersuchen. Er grub ein wenig um die mächtigen Hauptwurzeln herum. Widerspenstig … hartnäckig … unnachgiebig … herausfor- dernd – solche Wörter schossen durch Rogers müdes Hirn. Fast schien es, als sei der Stumpf nur da, um seine Willenskraft auf die Probe zu stellen. Gerade hatte Roger begonnen, ernsthaft zu graben, als ein Ausruf alle Arbeit auf dem Landestreifen stocken ließ. Warusch, der jüngste der Achuara-Männer, deutete aufgeregt mit seiner Machete Richtung Himmel: »Ich höre, ich höre!« Und einige Sekunden später sahen sie die Sonne auf den Tragflächen eines Flugzeugs glitzern. Nate flog geraden Kurs, ein wenig südlich an ihnen vorbei – aber nein! Plötzlich wurde der Motor abgestellt, das Flugzeug wendete scharf und kam genau auf die Lichtung zu, während es schnell an Höhe verlor. Als Nate über die Schneise brummte, kam Santiaku aus sei- nem Haus und stand still beobachtend abseits. Sein glänzendes, federngeschmücktes Kopfband und sein bemaltes Gesicht sta- chen von seinem langen, schwarzen, in Flechten herabhängen- den Haar ab. Nate wendete und flog die Schneise nochmals mit völlig gedrosselter Maschine an. Seine Stimme drang zu den Männern herab, als er dicht über ihren Köpfen war: »Landestreifen frei für Abwurf!« Roger rief die Indianer zusammen und drängte sie vom Streifen zurück. In vier Überflügen warf Nate Ballen mit Nahrung, Äxten und Kleidung für die Indianer ab. Während diese sich um die verstreuten Pakete balgten, stand Roger und wartete auf das, was er als Nächstes erhoffte. Das Flugzeug kreiste nun ständig in engen Kurven. Roger be obachtete die Maschine und sah, wie sich ein winziger schwar- 10 zer Punkt von ihr löste und hinter ihr zurückblieb. Bald war der kleine Punkt weit hinter dem Flugzeug zurückgeblieben und folgte dessen Kreisen. Nach zwei oder drei Runden glitt er auf die Kreismitte zu und näherte sich der Erde. Der Punkt wurde zu einem Leinwandeimer, und nun waren auch die beiden Kordelleitungen zu erkennen, die ihn mit dem Flugzeug verban- den. Der Eimer hing fast unbewegt vom Luftwirbel an der Spitze des von der Leitung gebildeten umgekehrten Kegels dicht über den Baumwipfeln. Er schwankte ein wenig, dann fiel er langsam fast in Rogers Hände – und wurde plötzlich wieder hochgeris- sen. Roger verstand, dass die Nebelfetzen Nate Schwierigkeiten bereiteten. Wenn Nate nicht mehr beobachten konnte, was mit dem Eimer geschah, zog er ihn über die Bäume hoch, bis er ihn wieder sehen konnte. Bei der nächsten Runde fiel der Behälter
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