Herr Pofalla wird Mensch Karrieren Ronald Pofalla, einst Spitzenpolitiker, hat sich als Manager neu erfunden. Mit neuer Brille, Frau, Hund und Charity. Bei der Bahn hat er gelernt, dass das Leben manchmal unberechenbar ist. Von Alexander Osang ür einen Mann, der als unverbindlich Wie heißt der denn? und Westanbindung der Bahn, darüber, und glatt gilt, erzählt Ronald Pofalla Och, sagt Pofalla. Den Namen hab ich wie er den Gewinn im „C-Ressort“ stei- gleich am Anfang ziemlich viel per- vergessen. gerte, wie er die CO -Reduktion weiter F ² sönliche Sachen. Zum Beispiel, dass er Er schmiert sich Butter aufs Gebäck. „anschärfen“ will und über das „Spitzen- morgens um sechs aufsteht. Immer. Er Wenn er verlegen ist, kann er das gut ver- gespräch“, das er gleich über den Ausbau macht sich dann einen Kaffee und liest die bergen. Der grüne Zuggast war nur eine der ICE-Strecke von Berlin nach Dresden Zeitung. Er kann so früh nichts essen. rhetorische Figur. Er sollte beweisen, dass führen wird. Die Volkstümlichkeit ist mit Dann: zweiter Kaffee. Meist trinkt er drei, Pofalla nicht allein und gut vernetzt ist, dass dem Vorspeisenteller verschwunden, Pofal - bevor er im Büro ist. Zwischendurch macht die Bahn grün ist und er auch. Irgend so la benutzt Fachwörter und Abkürzungen, er sich eine Stulle. Die nimmt er mit ins was. Was auch wichtig ist: Wegen der gan- er ist jetzt Experte. Bahner. Man versteht Büro und isst sie am späten Vormittag. Er zen Schnackerei hat er es erst kurz nach kaum noch was. Seine Rede hüllt einen sagt „Stulle“. Er sagt das ganz bewusst, Spandau zum Klo geschafft, und da blockier- ein wie der Berliner Nebel den Turm. weil es bodenständig klingt. Heute aller- ten schon die nervösen Berlin-Reisenden Pofalla könnte jetzt auch den Christian- dings, am Montag, ist er früh mit dem Zug die Bordtoilette. Pofalla musste auf die Toi- Anders-Schlager singen: „Es fährt ein Zug von zu Hause gekommen, aus dem Ruhr- letten am Hauptbahnhof. Da hat ihn eine nach Nirgendwo. Mit mir allein als Passa- gebiet, wo er mit seiner Frau die Wochen- Reisegruppe erkannt und wollte Handy - gier“, ohne Autorität einzubüßen. Es ist enden verbringt. Er reist ohne Stulle. Es fotos. So Leute, sagte er irgendwann, jetzt Januar 2017. Man erlebt gerade die Karrie- ist eins, und er hat noch gar nix gegessen. ist aber mal gut, ich muss pinkeln. Er sagt re des Bahn-Managers Pofalla auf ihrem Pofalla erzählt das alles im Penthouse „pinkeln“. Und als er rauskam, stand schon vorläufigen Höhepunkt. des Bahn-Turms am Potsdamer Platz, wäh- die nächste Reisegruppe da und wollte Fotos. Vor gut zwei Jahren ist er unter einigem rend die Kellnerin, die hier oben nur für Mit der Geschichte will er vielleicht be- öffentlichen Gepolter aus der Politik in die uns da ist, die Vorspeise aufträgt. Einen Sa- weisen, dass sein Image nicht so schlecht Wirtschaft gewechselt, eine Bewegung, die lat mit Roastbeef. Draußen liegt Berlin im ist. Oder das der Bahn. Oder beides. Es ist in Deutschland selten ist und misstrauisch Winterdunst, ein milchiges Licht hüllt die alles Teil des neuen Pofalla, den es seit beobachtet wird. Er verließ zunächst das Turmspitze ein wie ein dickes Badetuch. etwa zwei Jahren gibt. Kanzleramt und dann auch das Parlament, Es ist ganz still. An den Wänden hängt eine Das Problem mit Pofallas Erzählungen er wurde erst Generalbevollmächtigter der Ahnengalerie der Bahn. Mehdorn, halslos, ist älter, es stammt noch aus den Politiker- Bahn für die Verbindungen zur Politik, schaut zufrieden und bockig zugleich, der tagen. Man fürchtet, dass er von etwas ab- dann Vorstand in einem kleineren Ressort, Waldschrat unter den deutschen Managern. lenken will, während er von seiner Blase gerade übernahm er die Abteilung Infra- Ein Gemälde von Grube gibt es noch nicht, redet. Von etwas Wichtigem. Das hat mit struktur, die größte, die es bei der Deut- er ist zu diesem Zeitpunkt noch im Amt, der asymmetrischen Demobilisierung zu tun, schen Bahn gibt, 80 000 Mitarbeiter. Er ist sieben Tage noch. Sein Büro befindet sich die sich Pofalla einst für Angela Merkel nun der zweite Mann hinter Rüdiger Gru- direkt unter dem Klub. ausgedacht hat. Das ist eine politische Stra- be, der ihn in den Konzern holte und seine Es gibt nur einen Fahrstuhl, der ganz tegie, bei der man das Volk so lange mit schützende Hand über Pofalla hält. Grube nach oben fährt. Es gibt nur einen Tisch, Unverbindlichkeiten einlullt, bis es verges- hat mit dem Bund, dem einzigen Aktionär der im Himmel gedeckt ist. Pofallas. Höher sen hat, worum es überhaupt geht. Mit der bei der Deutschen Bahn, einen letzten speist keine Führungskraft in Berlin. Man asymmetrischen Demobilisierung habe er die Dreijahresvertrag ausgehandelt, der in we- kann die Macht und die Leere mit den Wahl 2009 geholt, glaubt Pofalla. Er war nigen Tagen vom Aufsichtsrat abgesegnet Händen greifen. jahrelang Merkels Generalsekretär und werden soll. Drei Jahre, in denen Pofalla Pofalla redet gegen diesen Eindruck an. Kanzleramtsminister, einer der wenigen zum Bahn-Chef reifen soll. Er will ein Mensch werden, wie Pinocchio. Menschen, dem sie wirklich vertraute. Zum Dessert raucht Pofalla eine Ziga- Seitdem er bei der Bahn sei, genieße er Zwischenzeitlich schien seine Demobi- rette. Er traut sich den Job zu. Er hat die die Wochenenden wieder, sagt er. Er verbrin- lisierung das ganze Land lahmzulegen. größte Partei einer politischen Weltmacht ge viel Zeit mit seiner Frau, die er im vorigen Sie funktioniert auch im Interview mit gemanagt, er hat deutsche Wahlen gewon- Sommer geheiratet hat. Es ist die dritte. Er dem Bahn-Mann Pofalla. Man merkt das nen, das Parteiprogramm einer Volkspartei geht mit dem Hund am Fluss joggen. Der später, wenn man die Aufzeichnungen geschrieben und den Euro gerettet, er hat Hund ist auch neu, er heißt Konrad. Ein un- liest. Die Schrift wird nachlässig, weil der keine Angst vor der Bahn. Er ist ein Self- garischer Vizsla. Am Sonnabend hatten sie Schreiber weiß, dass er seine Notizen nie mademan. Er kennt das Unternehmen in- Freunde zum Abendessen da, ganz spontan. brauchen wird. Es ist alles umsonst. zwischen, er weiß, was er kann, er weiß, Früher, als Spitzenpolitiker, hat er praktisch Der Hauptgang kommt, Lamm mit Ro- was ihn erwartet. Er drückt die Zigarette jedes Wochenende gearbeitet, er hat jeden senkohl. Pofalla redet über Ostkorridor aus und brennt sich gleich noch eine an. Urlaub abgebrochen. Am vergangenen Wo- Er muss dazu nicht auf die Terrasse. Pofalla chenende hat er höchstens zwei Dienstge- Video: Ronald Pofalla darf auch drinnen rauchen. spräche geführt, vielleicht drei. Die Arbeit im Profil Eine Woche später verhindert der Auf- fing erst wieder kurz nach Hannover an, als spiegel.de/sp072017pofalla sichtsrat der Bahn AG Rüdiger Grubes Ver- ein Sprecher der Grünen in den Zug stieg. oder in der App DER SPIEGEL tragsverlängerung. Ein paar Aufsichtsrats- 54 DER SPIEGEL / Gesellschaft L E G E I P S R E D / S S I E W E C I R U A M Bahn-Manager Pofalla: „Aber ich bin doch kein Politiker mehr“ DER SPIEGEL 6 / 5346 55 Gesellschaft mitglieder hatten sich über die Form geär - ren führten ein Programm auf, in dem sie gert, mit der sie mitgeteilt bekamen, dass den Konzern ein wenig vorstellten. Irgend - Grube drei weitere Jahre bleibe. In letzter wann baten sie Ronald Pofalla auf die Minute, per Fax oder Mail. Utz-Hellmuth Bühne und fragten, was er den Neuen mit Felcht, der den Aufsichtsrat und die Sit - auf den Weg geben könne. zung leitete, hätte die Diskussion mit ei - Pofalla nahm das Mikrofon zwischen die nem Satz beenden können, schließlich war Finger wie ein Schlagersänger, lief in die die Personalie längst durch die Bundes - Bühnenmitte und erzählte von seinem Be - politik abgesegnet. Stattdessen ließ Felcht rufsanfang. Er habe die Hauptschule ab - zu, dass sich die Stimmung hochschaukelte. geschlossen und auf den Wunsch seines Grube fühlte sich gedemütigt und legte Vaters hin eine Lehre als Autoschlosser be - E sein Amt nieder. Die schützende Hand C gonnen. Er quälte sich ein paar Monate N A I L über Pofalla war weg. L und bat dann seinen Meister, den Lehrver - A - E Utz-Hellmuth Felcht ist ein 70-jähriger R trag aufzuheben. Er habe das Abitur nach - U T C Chemiker und ehemaliger Reserveoffizier, I gemacht und studiert. P A P er wird von Leuten, die ihn erlebt haben, D „Meine Karriere war geprägt von Tal - / I N als wunderlich beschrieben. Schön, dass I fahrten und Aufstiegen“, sagt Pofalla. R A ausgerechnet so jemand Pofalla in die Que - B „Man muss den richtigen Weg finden für M A G re kam. Pofalla ist ja ein Meister im Erfüh - sich. Jeder hat seinen.“ O C I len und Drehen von Stimmungen. Aber R Pofalla nahm den Schülern für einen E D E er musste mit Grube vor der Tür warten, F Moment den bleiernen Druck des Anfangs. als Utz-Hellmuth Felcht die Zügel aus der Mit Kanzlerin Merkel im Wahlkampf 2009 Er hat ein gutes Gefühl dafür, wie man ei - Hand fielen. nen Saal bearbeitet. Seine Stimme knattert Der Vorstand Pofalla ist nun wieder ein und kräht zu sehr für die große Rede an Expolitiker, der erst seit zwei Jahren bei die Nation, aber er kann Menschen fangen. der Bahn arbeitet. Seine Vergangenheit Pofalla hat erst Sozialpädagogik studiert, schimmert durch die Managerhaut. Die al - mit Diplom, und weil das auch nichts war, ten Kritiker wachen auf. Die Aktion heißt: gleich hinterher noch Jura, erstes und zwei - „Nofalla“. Er sei noch nicht so weit. Er habe tes Staatsexamen. Da war er längst CDU- nicht den Sachverstand. Er habe nicht die Pofalla will Mitglied. Er hat sich die Ausbildung von Fähigkeiten, ein so großes Unternehmen ein Mensch werden, einem Klever Unternehmer namens Schön - zu leiten.