
Herausgegeben von der GESELLSCHAFT FOR POMMERSCHE GESCHICHTE ALTERTUMSKUNDE UND KUNST Neue Folge .Band 45 VERLAG CHRISTOPH VON DER ROPPoHAMBURG Der angebliche Landzusammenbang zwischen Riagen und dem Ruden in historischer Zeit und die Entstebtmg der Einfahrten dm Ostrdnd des Greifswalder Boddens Von Friedrich-Wilhelm Dwars Der Ostrand des Greifswalder,Boddens wird begrenzt durch eine vom südöstlichen Teil der Insel Rügen, der Halbinsel Mönchgut, nach Südosten verlaufende Untiefenzone zur Insel Usedom, die im folgenden als ,,BoddenrandschwelleC bezeichnet werden soll. Diese Schwelle hat eine durchschnittliche Tiefe von 1,5-4,O m; sie fällt im Westen ziemlich steil auf 8,O-10,o m Tiefe ab, während sie sich im Osten allmählich ZU grö- deren Tiefen senkt (Abb. l), Auf der Schwelle liegen zwei kleine Inseln, im Süden die flache Düneninsel Ruden, im Osten die aus Geschiebemergel aufgebaute Greifswalder Abb. I - Die Boddenrandschwclle 9 Oie, deren Nordostteil fast eine Höhe von 20 m erreicht. Die Insel Ruden dehnte sich noch in historischer Zeit in etwas breiterer Form weiter nach Norden aus. Sie hat bei fast jeder Sturmflut so stark gelitten, daß sie heute nur noch künstlich durch umfang- reiche Uferschutzanlagen erhalten werden kann. Das Ostseehandbuch (1955) nennt zwei Fahrrinnen, welche von der Ostsee über die Boddenrandschwelle in den Greifswalder Bodden führen, das ,,OsttiefM zwischen dem Ruden und Usedom (Peenemünder Haken) und das ,,Landtief" südlich der Halbinsel Mönchgut (Thiessow). Das Osttief ist eine 1,4 Seemeilen lange Baggerrinne mit 5,6 m Wassertiefe, die von Schiffen bis zu 5,2 m Tiefgang befahren werden darf. Für Schiffe über 2,5 m Tiefgang besteht Lotsenzwang. Das Landtief ist eine 1,7 Seemeilen lange und 60 m breite Baggerrinne mit einer Tiefe von 4,O rn, die seit 1945 für die SJniffahrt gesperrt ist und der. allmählichen Versandung unterliegt. Im vorigen Jahrhundert war noch eine dritte Einfahrt vorhanden, das ,,West- oder Westertief". Es befand sich im Südosten vom Landtief und verlief in Nordost-Südwest-Richtung. Auf der Hagenow- schen Karte von 1829 ist das Westertief noch eingezeichnet (Abb. 2), auf den heutigen Seekarten und in den Seehandbüchern ist es nicht mehr aufgeführt'. Diese Untiefenzone am Ostrand des Greifswalder Boddens hat im Zusammenhang mit einigen historischen Nachrichten zahlreichen Verfassern immer wieder Anlaß gegeben, einen Landzusam- menhang zwischen Südostrügen und dem Ruden zu vermuten, der erst zu Anfang des 14. Jahrhunderts durch eine groi3e Sturmflut zerstört worden sein ~0112.Besonders in der heimatkundlichen Literatur war dieser Stoff immer sehr beliebt und ist oft mit Sagen und Erzählungen ausgeschmückt dargestellt worden. Auch die wissenschaftliche Literatur hat sich mit diesem Problem befafit, ohne jedoch bisher Obereinstimmung und völlige Klarheit zu erzielen. B 1 ü t h g e n (1952 S. 3) 1i13t in seiner Monographie über Greifs- walder Oie und Ruden dieses Problem offen, da ,,die mehr oder weniger kritikbedürfti- gen Außerungen der Chronisten kaum ernsthafl zur Entscheidung herangezogen werden können". Sch ü t z e (1931 C. 94 f.) ist der Ansicht, daß zwischen dem Ruden und Mönchgut eine Nehrung vorhanden war, die zurückgeschnitten und schließlich durchbrochen wurde. Dieser Durchbruch, der sich dann immer mehr erweitert habe, sei jedodi schon weit vor 1300 erfolgt. Er schreibt: „Die Wirkung späterer großer Sturm- fluten, deren eine die zu Anfang des 14. Jahrhunderts war, wurde von den Chronisten mit noch älteren Nachrichten identifiziert und so der früher erfolgte Durchbruch erst für 1304 angenommen. Aber auch das ist nur eine Annahme." Die ältere Literatur (B o r n h ö f t 1885, Cre d n er 1893, L ehm ann 1910, K r ü - g e r 1911 und andere) stützen sich alle auf die quellenkritische Untersuchung von B o 11 (1865 S. 199-202), der feststellte, dai3 die ältesten Chronisten von einer Trennung des Rudens von Rügen nichts berichten, sondern nur von der Entstehung eines ,,Neuen Tiefs". Doch wo lag das Neue Tief? Dieser Name ist auf den modernen Seekarten nicht mehr vorhanden, und aus dem Sprachgebrauch ist er ebenfalls verschwunden. Die 1 Zur besseren Orientierung habe i& das Westertief ebenfalls in die Abb. 1 eingetragen. 2 Eine besondere Rolle hat die Annahme dieser Landverbindung bei den Streitigkeiten zwischen der Univer- sität Greifswald als Nadifolgerin des Klosters Eldena, soweit es deren Besitzungen betrifft, und der Stadt Greifswald gespielt bezüglidi des Eigentums am Greifswalder Bodden und am Rydcfluß. So führte Professor Frommhold als Sprecher der Universität am 10. 2. 1908 aus: "Sicher ist nun nah gemeinem Römischem und Deutsdiem Recht das Meer in seiner Totalität der Eigentumssphäre entrückt, indessen lcann an einzelnen Teilen wieder Eigentum bestehen, so können die Meeresufer im Eigentum des Staates und von Privatpersonen stehen. nicht minder gehört der Meeresgrund zu dem Eigentum an Bauten, die im Meere errichtet sind. So sind nament- lich auch die Buditen der Ostsee zwiscben Rügen und dem Festland sehr wohl zu Objekten des Eigentums und Besitzes geeignet. Im besonderen Maß muO dies aber für das streitige Gebiet gelten, das bis zu Anfang des 14. Jahrhunderts ein mit der Ostsee nur durcb das schmale Ostertief zusammenhängendes Binnengewässer bil- dete, da erst durch eine Sturmflut am 1. November 1304 das von der Halbinsel Möndigut bis zum Ruden sich erstredtende Land fortgerissen und so die gegenwärtige breite Verbindung des Boddens mit der Ostsee her- gestellt wurde* (Akten des Greifswalder Universitätskuratoriums Abt. N 30 NI. 50). t 4' .' 6' 8' 90' 9' 6' 3' 4 7' 72' 7' 7' - 78' 79' Land Tief 72, 72' ,.;:$.{t 4 12' 4....;$fi:$? .*.(.f.,..T\:.:: 24' , ;:?*ll;*$, 30' ..,.....;!?Yi:>:;p <::{;3;&g<+$jj@pj<,.,,:;~$:5x~~!~&&$ .:p...::;::.?;t:.;..$'$:.. '-.:.,%.W 11 ' ,:;.,;~;:~:~;:84~x::,;:)!.?::,:..i~ + i.*;:::i.x::.......:............... ....' ;~~~:....;>'I.:.~.~.I.. '.):;.!.+:~;i,:::~ ~~;:l,!,>$:Z<:,.,, ........... 27' .............:..:...::....;-:.:......-..-l...,......:..-.....:.~....:...:..~::q;~ Wester ........................33~3z$j~~c~j~{$(;~<;j>~. 70 e Böttcher .+...........V........... ...$..<.> ...,...,......>.>::.. .........:::;' .:....... jr::.*y;. ............................................. ::.Y. ........ .'..J<,......... Tief -!%%rund .....................,....i........................................ :' ...................... ............... ..i; f........................ t::..::.;.-;>;:s+:::::.:.$ qj$$ .. ..Y..-.:..........-..S....P..:;:?:;~F.:~:................",..;.;:>y?;;:.::. ....- 70 ...............................<V ,, .:.i..J;:.t$:r~:3:2. 2:' ...................... ....................... :V. 79 ....................................... ,\;?:C: ...........................>-?:::;V,$ 3' >.I............ ..: -.-. .::::;5..:;............. 78 ............&:(+AT schum#~r:.:f,<isf Grund 74 '$ilq&.:&* 77 ~~esepd@$r~aken lgl~f$i$~f3$~$$~,:....... J Abb. 2 - Das Land- und Vestertief, nach Hagenow 2829. Tiefenangdben in Fuß Karten des 17. und 18. Jahrhunderts sind zu ungenau, als daß man sie zu Rate ziehen könnte. In Unkenntnis der Lage des Neuen Tiefs ist der Name auf diesen zum Teil mehrmals angeführt. So findet er sich z. B. auf der Homannsdnen Karte von 1806 allein viermal im Bereich des Greifswalder Boddens, während auf der Schmettauschen Karte von 1704 die ganze Nordhälfle des Boddens so benannt ist. Auf der Lubinschen Rügen- karte von 1608 liegt das Neue Tief zwischen der Stubber Sandbank und Mönchgut im Nordostteil des Boddens. Die Seekarte von J. Blaeuw 1627 gibt das Westertief als Neues Tief ana. Die Frage, welche von den drei anfangs genannten Fahrrinnen - Land-, Vester- oder Osttief - das Neue Tief war oder ob es überhaupt mit diesen identifiziert werden kann, konnte bisher ebenfalls nicht eindeutig beantwortet werden. Auch hier lassen sich die unterschiedlichsten Meinungen anführen. Nach B o 11 ist das Landtief das ursprüngliche Neue Tief. B 1 ü t h g e n dagegen glaubt, wahrscheinlich in Anlehnung an die Lubinsche Karte von 1608, dai3 es zwischen Südostrügen und dem Stubber lag, während Cre d n e r sich für die Lage östlich vom Landtief ausspricht und B i erh a 1 s (1939) es auf Grund historischer Nachrichten mit dem Westertief identi- fiziert. Die meisten Bearbeiter schließen sich den Ausführungen von B o 1 1 an und halten das Landtief für das ursprüngliche Neue Tief. Zuletzt besteht noch die Möglichkeit, daß alle diese Nachrichten sich überhaupt nicht auf die Entstehung eines Neuen Tiefs im Bereich der Boddenrandschwelle beziehen, da die ältesten chronikalischen Berichte keine genaue Lokalisierung des Neuen Tiefs geben. Es gibt U. a. ein weiteres Neues Tief im vorpommerschen Raum, das ebenfalls durch eine Sturmflut entstanden ist. Die Ereignisse, die zur Uffnung dieses Tiefs geführt haben, könnten später falsch lokalisiert sein. Es handelt sich um das ,,Neue Tief arn Zingst" östlich des Prerowstromes. Es ist zum erstenmal auf der Pommernkarte von Lubin von 1618 eingezeichnet. B o 11 erwähnt in diesem Zusammenhang zwei Urkunden (S. 216117). Eine Stralsunder Urkunde, die schon aus dem Jahre 1240 stammt, nennt einen portus Nova Reka. Da jede weitere Ortsangabe fehlt, bleibt für alle möglichen Vermutungen der Lage des portus Nova Reka genügend Raum. B o 1 1 identifizierte ihn mit dem Neuen Tief auf der Karte Lubins, nennt aber gleichzeitig eine Barther Urkunde von 1325, die nur den Prerowstrom als Fahrstraße dieses Raumes kennt. Darüber hinaus gibt es noch eine Chronikstelle, die über die Entstehung eines ,Neueu Tiefs vor dem Sunde" berichtet
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