Zurück in Teboulba

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Zurück in Teboulba Die zweite Reise zu den tunesischen Fischern Oktober 2010 EineEine Aktion Aktion des des Komitees Komitees SOS SOS Mittelmeer Mittelmeer – – Lebensretter Lebensretter inin NotNot 1 Zurück in Teboulba Euro) im Monat und können die Familie da- von kaum unterstützen. Das Komitee SOS Mittelmeer, das sich 2010 gründete, hat erneut Spenden sammeln Amine Bayoudh, Sohn des verurteilten Kapi- können, um diese zu den tunesischen täns, hat vor drei Jahren eine Ausbildung ab- Fischern nach Teboulba zu bringen. geschlossen. Er ist kein Fischer und war nur Vom 12.-16.10. waren Judith Gleitze und als Ersatzmann an jenem Tage an Bord. Seit Frank Jugert vor Ort, haben mit den Fischern seinem Aufenthalt in Berlin zur Verleihung der gesprochen und ihnen diese zweite Carl-von-Ossietzky Medaille im Dezember Spendensumme übergeben. Die Fischer 2009 lernt er Deutsch an einer Sprachschule richten über uns die herzlichsten Grüße und in Ksar Hellal. Er hat sich im ganzen Land be- Dank an die Unterstützer_innen in worben, findet aber keine Arbeit. Er macht Deutschland aus. sich große Sorgen, dass immer mehr Zeit nach Abschluss seiner Ausbildung ins Land Die derzeitige Situation der sieben Fischer geht und er nicht mehr auf dem neuesten Im November 2009 waren die beiden Kapitä- Stand bleiben kann. Amine hat versucht, über ne Abdelbasseet Zenzeri und Abdelkarim eine in Deutschland lebende Cousine auch Bayoudh verurteilt worden, Migranten nach nach Deutschland zu kommen, um hier zu ar- Italien geschleppt zu haben. Die fünf Fischer, beiten, doch die Bürgschaften und Verpflich- die ebenfalls an Bord der „Morthada“ und der tungserklärungen, die die Cousine auf sich „Mohamed El Hedi“ waren, wurden freige- nehmen müsste, sind zu teuer. So muss er sprochen. weiter zur See fahren, um ein wenig Geld zu Alle Sieben haben ihre Arbeit während des verdienen. Amine Bayoudh ist aufgrund sei- Prozesses verloren, die beiden Schiffe sind ner Situation sehr bedrückt. von den Italienern konfisziert worden und liegen seit August 2007 auf Lampedusa fest. Abdelkarim Bayoudh, einer der verurteilten Sie sind unbrauchbar geworden. Kapitäne, arbeitet inzwischen wieder mit ei- Das größte Problem neben den nicht mehr ner provisorischen Arbeitserlaubnis, die aber vorhandenen Schiffen stellte die Konfiszie- nur ein Jahr gültig ist. Er hat kein eigenes rung der Dokumente dar: von fast allen Fi- Boot und arbeitet auch nicht mehr für die schern waren Ausweise und Arbeitserlaubnis- Reeder Nouira, für die er vorher über 11 Jah- se in Italien einbehalten worden. re gearbeitet hatte und denen die „Mohamed El Hedi“ gehörte. Der Fischer Lassaad Gharred hatte seine Fi- schereilizenz auf einem anderen Schiff und Abdelbasseet Zenzeri war lange Zeit arbeits- konnte somit nach kurzer Arbeitslosigkeit wie- los, wie die anderen Fischer auch. Im April der als Seemann auf einem Fischkutter an- hatte er sich noch gegen die Kauf des Bootes heuern. Er arbeitet heute meist mit Fischern entschlossen, das die Reeder Nouira, für die aus Mahdia. auch er seit Jahren arbeitete, für ihn bauen wollten, da er keine Verpflichtungen eingehen Abdelwahed Ben Hayadi arbeitet nur, wenn wollte. Die „Morthada“ gehörte ihm zu 50%, er einen Job bekommt. Mit ihm sowie mit er hat also den größten finanziellen Verlust Hamza Brahim haben wir nicht länger reden durch die Seenotrettung und deren Folgen er- können, da beide kein Französisch sprechen. leiden müssen und hat nun kein Geld mehr, So wie es scheint haben sie nur ab und zu um ein neues Boot zu kaufen. Arbeit. Mit Hilfe eines Professors aus Tunis ist es ihm nun geglückt, sich doch mit den Reedern Das bestätigt auch Kamel Ben Kalifa, der uns zu einigen und das im Bau befindliche Boot zu sich nach Hause einlädt und uns sein allein auf seinen Namen und nicht auch auf Haus zeigt: die ganze obere Etage ist seit der den der Reeder eintragen zu lassen. Die „Ha- Rettung im Rohbau, in ihr hausen seine Sö- bib Allah“ ist seit Ende September seetüchtig, hen, Geld für den weiteren Ausbau ist nicht er muss den Reedern Nouira in den nächsten da, er hat nur gelegentlich Arbeit. Nun, so sieben Jahren ca. 35.000 € abzahlen. Das Ben Kalifa, kommen auch noch die schwieri- bedeutet, dass seine Familie und er von ca. gen Wintermonate, in denen gar nicht gear- 250 Euro im Monat leben müssen, aber es beitet wird. Somit kommt bis Februar kein bedeutet auch Freiheit, da ihm das Boot nie- Verdienst ins Haus, seine Söhne verdienen mand mehr nehmen kann. auch nur um die 350 – 400 Dinar (175-200 2 Aber auch für ihn kommen jetzt Monate der Am ersten Tag haben wir mit Zenzeri, Ben Arbeitslosigkeit, da das Wetter zu schlecht Kalifa, Ben Hayadi, Brahim und den beiden- ist, um hinaus zu fahren. Bayoudhs gesprochen. Mit unserer Unterstüt- zung haben Zenzeri und die anderen drei er- neut versucht, die Fischer, die nicht unter- zeichnet hatten, doch dazu zu bewegen – es glückte auch nach langwierigen Diskussionen in Arabisch nicht. Daraufhin haben wir erneut bei Germana Graceffo angerufen und ihr die Situation geschildert: die Fischer hätten Angst, irgendwas zu unterzeichnen, was ih- nen nicht geheuer ist. Unser Anruf in Italien, die Versicherung, dass die Anwälte nicht auch für die Reeder arbeiten, und dass die Unterschriften nichts mit den Reedern zu tun haben bricht das Eis endlich ein wenig. Allgegenwärtig: Staatschef Ben Ali an der Hauswand und – Fisch! Doch die Diskussionen gehen auch am zwei- Die Vollmachten ten Tag im Hause Zenzeri und im Hause Bay- Unsere eigentliche Mission, den Fischern die oudh weiter. Nach dem Mittagessen bei Bay- Spendengelder zu überbringen, ist auch die- oudhs scheint endlich klar zu sein, dass auch ses Mal nur ein Teil der Aufgabe. Wichtig ist die anderen die Vollmachten unterzeichnen es unseres Erachtens, zu erfahren, was aktu- werden. ell vor sich geht und wo die Probleme liegen. Die Diskussion um die „procurations“, die Doch verstanden, um was es eigentlich geht, Vollmachten, hat die ganze Zeit des Besu- haben wir dann erst am letzten Abend in Tu- ches eingenommen. Worum geht es: im April nis. Ein die Fischer unterstützender Professor hat Juristin Germana Graceffo, die mit den klärt uns darüber auf, dass es zu Missver- Verteidigern der beiden Kapitäne zusammen ständnissen zwischen dem Mittelsmann, der arbeitet alle Fischer unterschreiben lassen, sich um die Behördengänge der Fischer küm- dass sie ihre Dokumente und Arbeitserlaub- mert, und den Fischern selber gekommen nisse vom italienischen Staat zurückfordern. sei. Die Vollmachten seien bei diesem Mit- Die fünf freigesprochenen Fischer sollten zu- telsmann angekommen, der für die Überset- dem eine Vollmacht für einen Antrag auf zungen natürlich auch Geld verlangt. Doch Haftentschädigung unterzeichnen. etwas hatte einige der Fischer stutzig ge- Das Gericht in Agrigento hat diese Vollmach- macht: in dem arabischen Text hatte der Dol- ten nicht anerkannt und gefordert, dass die metscher Freiräume gelassen, die es im ita- Anwälte diese Vollmachten selber einholen lienischen Text nicht gab. Die Angst, es könn- oder einen anderen offiziellen Weg finden. te etwas eingefügt werden, was man dann Der Konsul des tunesischen Konsulats, erst unwissentlich schon unterschrieben habe, seit kurzem im Dienst, hat sich bereit erklärt, war groß. Als der Professor davon erfuhr bat diese Vollmachten der Anwälte nach Tunesi- er, die Texte nochmal aufsetzen zu lassen – en weiter zu leiten. Das hat ca. zwei Monate ohne Lücken! gedauert. Den Fischern wurde dann übermit- Wichtig war den Fischern auch, dass die an- telt, dass sie sich im Ministerium einzufinden waltliche Vertretung zwischen ihnen und den haben, um diese Vollmachten zu unterzeich- Reedern getrennt wird, was wir durch den An- nen. Doch nur Zenzeri, Gharred und Ben Ka- ruf bei den italienischen Anwälten noch ein- lifa haben unterzeichnet, die anderen haben mal bestätigt haben. sich geweigert. Wir haben vor unserer Abrei- Unser Besuch, so sagen alle, habe aber ge- se erneut eine Mail in französischer Sprache holfen, verständlich zu machen, worum es gesandt, in der wir ihnen erklärt haben, dass geht, und dass es allein den Fischern zugute die Unterzeichnung allein in ihrem Interesse kommt, wenn sie unterzeichnen. liegt, doch die anderen Fischer weigerten sich weiterhin beharrlich. Dieser Weigerung galt es bei der Reise auf den Grund zu ge- hen. 3 ten. Seit über 20 Jahren fährt er zur See, mit 14 habe er die Schule abgebrochen, seither kein Buch mehr angerührt, sondern sein gan- zes Leben dem Meer gewidmet. Im Hafen von Monastir „Habib Allah“ - MO 925 Eine sehr erfreuliche Nachricht ist, das Abdel- basseet Zenzeri nun doch endlich ein neues Boot hat! Die „Habib Allah“ hatten wir schon Abdelbasseet Zenzeri an Bord der „Habib Allah“ bei unserem letzten Besuch im Rohbau gese- hen. Die Nouira hatten das Boot gebaut, da „Ein Freund sagte mir, dass er mir helfe, ich sie sich die Anmietungskosten anderer Boote habe angenommen und bin somit bei meinen (die „Morthada“ und „El Hedi“ wurden ja kon- Reedern geblieben, damit ich mein eigenes fisziert) nicht mehr leisten wollten. Sie Boot haben kann“, so Abdelbasseet Zenzeri brauchten dafür aber einen Kapitän, wie uns Ganz einfach war der Bau eines neuen Boo- Zenzeri schon im April berichtete. tes eh nicht, da der tunesische Staat die An- zahl der neuen Boote gesetzlich begrenzt. So stand der Bau dann auch eine Weile still, weil das Landwirtschaftsministerium keine Geneh- migung für die Zulassung gegeben habe. Erst im Sommer wurde dem Antrag statt gegeben. Begründung: Man habe das alte Boot verlo- ren, dafür gebe es ein neues, es sei kein zu- sätzliches Boot, sondern nur ein Ersatz. Das Ministerium stimmte zu. Für die „El Hedi“ gibt es keinen Ersatz. Die gehörte immer noch den Reedern Nouira, auch wenn Abdelkarim Bayoudh sie eigent- lich Stück für Stück mit seiner Arbeit erwor- Ein stolzer Kapitän: Abdelbasseet vor der „Habib Allah“ ben hatte. Er hat keinen Ersatz erhalten und arbeitet nun mit anderen Reedern.

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