DIE GRÜNEN – 10. WP Fraktionsvorstandssitzung: 8.9.1986 206. 8. September 1986: Fraktionsvorstandssitzung AGG, B.II.1, 5373. Überschrift: »Protokoll über die 92. Sitzung des Fraktionsvorstandes am Montag, den 8. September 1986, Beginn: 11.30 Uhr, Ende: 14.00 Uhr«.1 Anwesend: Sprecherinnen und Sprecher der Fraktion: Borgmann, Hönes, Hoss. Parlamentarische Geschäftsführung: Eid, Senfft, Axel Vogel. Fraktionsgeschäftsführung: Friedrich, Trepke, Vesper. Sonstige: Pressestelle: Claudia Roth, Stänner. Betriebsrat: Appel, Erb-Sommer (beide zu TOP 4). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Hengelein, Monika Hoffmann, Kögel, Kolodziej. […] 2. Mitteilungen und Berichte; Aktuelles 2.1. Die Pressekonferenz des Fraktionsvorstandes, auf der die Ergebnisse der Fraktionsklausur vom vergangenen Wochenende dargestellt werden sollten, wird nachbereitet. Es wird ein- mütig kritisiert, daß Willi Hoss, insbesondere in der Frage des Ausstiegs aus der Atomenergie, Positionen bezogen hat, die mit denen der Partei und der Fraktion nicht übereinstimmen, und daß aufgrund dessen das auf der Pressekonferenz präsentierte Gesamtbild widersprüchlich und nicht gut war. 2.2. Die Fraktionsklausur in »Haus Wittgenstein« vom vergangenen Wochenende wird nachberei- tet. Hinsichtlich der Arbeit der Fraktion bis zur Bundestagswahl war auf der Grundlage eines Vorbereitungspapiers von Uwe Günther,UdoKnapp und Michael Vesper (siehe Anlage)2 u.a. beschlossen worden, a) einen hauptamtlichen Berater/innenstab einzurichten (Ziffer 2 des Papiers); b) mindestens dienstags, mittwochs und donnerstags um 8.00 Uhr eine k l e i n e L a g e einzuführen, an der außer dem Berater/innenstab die Fraktionssprecher/innen, der/die Pressesprecher/in und die beiden Geschäftsführer teilnehmen (siehe Ziffer 3 des Papiers); c) sicherzustellen, daß der Pressespiegel morgens bis 9.00 Uhr fertiggestellt ist (siehe Ziffer 4 des Papiers). Nach eingehender Diskussion wird – vorbehaltlich der Zustimmung der Betroffenen – beschlos- sen, daß dem Berater/innenstab Udo Knapp, Günther [Günter] Kolodziej, Mathias [Matthias] Küntzel und Birgit Meiners angehören sollen. Michael Vesper wird beauftragt, für die organisatori- sche Umsetzung einen Vorschlag zu erarbeiten. Die kleine Lage, an der auch ein Mitglied der Orga-Crew der Partei teilnehmen sollte, soll von der kommenden Woche an stattfinden. […] 5. Finanzangelegenheiten 5.1. Anti-Atom-Konferenz in Wien: Es bleibt bei der bisherigen Haltung, daß wir lediglich Exper- ten aus Dritt-Ländern einladen und deren Reisekosten finanzieren können. Das eigenmächti- 1 Das Protokoll trägt den handschriftlichen Zusatz »vertraulich«. 2 Vgl. Anl. A. Copyright © 2017 KGParl 1 DIE GRÜNEN – 10. WP Fraktionsvorstandssitzung: 8.9.1986 ge, nicht abgesprochene Verhalten von Eckhard Stratmann, der anschließend unerreichbar in den Urlaub geflüchtet ist, wird kritisiert. 5.2. Der Fraktionsvorstand genehmigt aus dem Verfügungsfonds einen Zuschuß in Höhe von 2000 DM zur Unterstützung der Hanauer Demonstration am 8. November 1986. 5.3. Der Fraktionsvorstand wird ein Mitglied der namibischen Befreiungsorganisation SWAPO einladen, das uns insbesondere über die Ausfuhr und Verwendung namibischen Urans in Hanau berichten soll. […] gez. Michael Vesper Anlage A 4. September 1986: Sitzungsunterlage:3 Schreiben von Michael Vesper. AGG, B.II.1, 5373. It’s Wahlkampf-Time! Der Fraktionsvorstand hatte mich beauftragt, für die Klausurtagung der Fraktion am 5./6. Sep- tember 1986 einige strukturpolitische Überlegungen zur Arbeit der GRÜNEN IM BUNDESTAG in den nächsten Monaten vorzulegen, was ich hiermit tue. Die nachstehenden Vorschläge entstan- den in Gesprächen zwischen Uwe Günther,UdoKnapp und mir und werden von uns gemeinsam getragen; ich habe es lediglich übernommen, sie schließlich zu Papier zu bringen. 1. Konzentration und Professionalität: Die Fraktion steht in den kommenden Monaten in der doppelten Gefahr, sich einerseits zu verzetteln, andererseits den routinemäßigen Betrieb ein- fach weiterlaufen zu lassen. Nach dreieinhalb Jahren Fraktionsbetrieb ist es menschlich ver- ständlich, daß es bei manchen von uns viel Routine, teilweise beamtenähnliche Einstellungen zur Fraktionsarbeit und auch eine gewisse »Abschlaffung« gibt. Im Wahlkampf brauchen wir allerdings Power. In den kommenden Monaten müssen wir poli- tisch agieren statt reagieren, frische Umsetzungsideen entwickeln statt weitere trockene Gesetzentwürfe, mit dem Mut zur Lücke politische Schwerpunkte setzen, statt der Sehnsucht nach Vollständigkeit und Proporz der Themen zu verfallen. Darum muß die Struktur der Fraktion während des Wahlkampfs verändert werden. Dabei geht es nicht um langfristige Konzepte – über die mag die neue Fraktion bestimmen –, sondern um kurzfristig mögliche Lösungen. 2. Die tägliche politische Beratung des Vorstands verbessern: Der Vorstand braucht einen politi- schen Berater/innenstab, der sich aus drei – für diese Aufgabe »full time« tätigen – Vorrük- kern/innen oder auch Mitarbeitern/innen zusammensetzen sollte. Dieser Berater/innenstab muß die Fraktion mit Ideen anregen, muß sie kritisieren, wenn sie Chancen ausläßt, muß sie antreiben. Er darf überhaupt keine anderen Aufgaben haben als zu beraten, zu kritisieren und anzutreiben. (Organisatorisch wird die Einrichtung dieses Berater/innenstabs so geregelt, daß Neueinstellungen nicht stattfinden.) 3. »Kleine Lage« als Koordinationsstelle: Eine (fast) tägliche politische Koordinationsstelle, die kleine Lage muß eingeführt werden. An ihr nehmen das jeweils zuständige Mitglied des Frak- tionsvorstands, der/die Pressesprecher/in, der Berater/innenstab und die beiden Geschäftsfüh- rer teil. Die kleine Lage findet mindestens dienstags, mittwochs und donnerstags um 8.00 Uhr 3 Diese und die folgenden Anlagen sind Unterlagen für die Klausursitzung der Fraktion am 5. und 6. September 1986 in Haus Wittgenstein in Bornheim-Roisdorf bei Bonn, zu der kein Protokoll ermittelt wurde. Copyright © 2017 KGParl 2 DIE GRÜNEN – 10. WP Fraktionsvorstandssitzung: 8.9.1986 statt, so daß Entscheidungen vor Bürobeginn getroffen sind und bei Bürobeginn umgesetzt werden können. 4. Das Informationsniveau aller muß verbessert werden: Der Pressespiegel liegt zur Zeit wieder erst mittags vor. Beklagt wurde das schon oft, geändert hat es sich immer nur für kurze Dauer. In den kommenden Monaten ist es unbedingt notwendig, daß der Pressespiegel pünktlich um 9.00 Uhr in den Kästen ist. 5. Die Stärkung des Vorstands ist die Stärkung der Fraktion (jedenfalls jetzt): In der jetzigen Situation muß der freigewordene Sprecher/innenplatz wieder besetzt werden – mit einem/r Sprecher/in, der/die seinen/ihren Arbeitsschwerpunkt in der Mobilisierung der Fraktion für den Wahlkampf sieht. 6. Entlastung des Vorstands: In den kommenden Monaten muß der Vorstand von Aufgaben, die nicht unmittelbar dem Ziel der politischen Darstellung und Mobilisierung der Fraktion die- nen, tunlichst entlastet werden, also vor allem von Aufgaben im administrativen, personalrecht- lichen und finanziellen Bereich. Deren Erledigung muß in stärkerem Maße an die dafür zuständigen Stellen (Fraktionsgeschäftsführung/Parlamentarische Geschäftsführung) dele- giert werden. 7. Wiederbelebung der Fraktionssitzungen: In der Vergangenheit hat es häufig sehr spannende Fraktionssitzungen gegeben – hohes Diskussionsniveau, produktiver Streit, brechend voller Saal. In letzter Zeit war das anders; man kann es schon an den geringen Teilnehmer/innenzah- len ablesen. Ein Rezept, die Fraktionssitzungen wiederzubeleben, gibt es nicht, und Appelle helfen selten. Trotzdem: Die Fraktionssitzungen müssen wieder spannend, inhaltliche Ausein- andersetzungen organisiert werden. An einer Fraktionssitzung teilzunehmen, muß für die Mandatsträger/innen und die Öffentlichkeit wieder verlockend werden. Denkt daran: Es sind nur noch sieben oder acht Sitzungen bis zur Wahl. 8. Die Leistungen der Fraktion müssen vorgezeigt werden: Unser stärkstes Argument für die Notwendigkeit, wieder in den Bundestag einzuziehen, ist die Bilanz dessen, was die Fraktion in den vergangenen vier Jahren bewegt hat, was anders geworden ist in Bonn – oder umgekehrt: was ohne DIE GRÜNEN an politischen Themen und Fragestellungen, aufgedeckten Skandalen, an politischer Kultur und Lebendigkeit fehlen würde. Stärker als Versprechungen für die Zukunft, stärker als die Bilanz dessen, was wir tun wollen, überzeugt die Leute das, was wir getan haben. Und da ist die Fraktion in besonderem Maß gefordert, diese Arbeit kann ihr niemand abnehmen. Dabei müssen wir auch zu neuen Umsetzungsideen finden, jenseits der Produktion schriftlicher Erzeugnisse. Wir sollten, um nur ein Beispiel zu nennen, in der Presse breit angekündigte Tage der offenen Tür durchführen, an denen wir Interessierte hautnah über unsere Arbeit informieren. 9. Der Teure-Heimat-Untersuchungsausschuß4 ist eine verpaßte Chance: Anders als die bisheri- gen Untersuchungsausschüsse haben wir ausgerechnet den Teure-Heimat-Untersuchungsaus- schuß, der nun ganz offen als Wahlkampf-Ausschuß zugeschnitten ist, nicht – jedenfalls nicht öffentlich – nutzen können. Ob und wie das noch zu ändern ist, muß die Fraktion auf der Klausurtagung entscheiden. 4 Der Ausdruck persifliert den »Neue Heimat«-Untersuchungsausschuss, der Unregelmäßigkeiten beim Geschäft der gewerkschaftseigenen, gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft klären sollte. Vgl. Datenhandbuch, Bd. II, S. 2216–2219. Copyright © 2017 KGParl 3 DIE GRÜNEN – 10. WP Fraktionsvorstandssitzung: 8.9.1986 Anlage B 2. September 1986: Sitzungsunterlage: Henning Schierholz betr. Einrichtung einer grün-nahen
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