Managermagazin 2/2006 Unternehmen Siemens

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Unternehmen Siemens 56 managermagazin 2/2006 Unternehmen Siemens Die KCK-Herrschaft SIEMENS Der neue Vorstandschef Klaus Kleinfeld steckt dem Konzern ein ambitioniertes Wachstumsziel. Aber hat er auch die richtige Strategie? anchmal sind es merkwürdige versorgen. Siemens-Ingenieure, lobt wärmekraftwerk, wie der Vorstandschef Themen, die Siemens-Chef Kleinfeld, haben den Wärmetauscher den Elektronikgiganten strategisch neu MKlaus Kleinfeld (48) ins entwickelt, der weltweit erstmals eine ausrichten will. BOSTELMANN/WIRTSCHAFTSWOCHE BERT FOTO: Schwärmen bringen. Ein Erdwärme- wirtschaftliche Stromerzeugung bei die- „Siemens ist ein Infrastruktur-Anbie- kraftwerk in Unterhaching nahe Mün- sen Wassertemperaturen ermöglicht. ter“, postuliert der anglophile Topmana- chen zum Beispiel. Ein typischer Fall von Selbstverliebt- ger, der in Englisch flüssiger formuliert 123 Grad Celsius heiß ist das Wasser, heit deutscher Ingenieure? Mitnichten. als in seiner Muttersprache. Knackig das dort in 3000 Metern Tiefe aus dem Genau hier soll die Zukunft des Welt- amerikanisch klingt es denn auch sehr porösen Kalkstein sprudelt. Nächstes konzerns Siemens liegen. Unterhaching viel pathetischer, wenn er sagt: „Wir tra- Jahr soll dieses Wasser, durch ein Bohr- dient Kleinfeld als Beweis für die Inno- gen dazu bei, die großen Probleme unse- loch nach oben gepumpt und in Elektri- vationskraft seines Unternehmens, als res Planeten zu lösen.“ zität verwandelt, 2000 Haushalte der Beleg für dessen Wachstumspotenzial. Mit dieser heroischen Offerte soll der Gemeinde mit Strom und Fernheizung Vor allem aber demonstriert das Erd- Umsatz des Konglomerats, das Pro- managermagazin 2/2006 57 Unternehmen Siemens Hohe Hürden Erst sechs Siemens-Bereiche erreichen die Margenziele Umsatzrendite in Prozent Bereiche Marge 2005 Minimalziel 2007 Zukunftschancen 12,8 Magnetresonanz-, Computertomografen, Röntgentechnik sind Medizintechnik 11 erstklassig; Hörgeräte mit extrem hohem Gewinn, Ultraschall verlustreich, beim Boomthema IT-Lösungen fehlen die Aufträge. 12,3 Weltmarktführer bei Werkzeugmaschinen und in der Produkt- Automatisierungstechnik 11 industrie; Zukäufe nötig bei Prozessindustrie, Installationstechnik unpassend, da quasi Endverbrauchergeschäft. 11,8 Turbinen und Kraftwerksservice erstklassig positioniert, Energieerzeugung bei Windenergie Zukäufe nötig, 10 unsichere Aussichten beim neuen Feld Biomasse. 10,8 Weltmarktführer bei Standardleuchten, Osram hohes Wachstum bei Autolicht, 10 Investitionen im Zukunftsgeschäft Leuchtdioden notwendig. 6,6 Motorsteuerungen, Sicherheitstechnik erfolgreich, VDO Automotive bei Navigationssystemen Investitionsbedarf, Elektromotoren 5 nach Restrukturierung wieder mit besseren Chancen. 5 Bei Hochspannungs- und Mittelspannungstechnik Energieverteilung hohe Wachstumschancen; bei Transformatoren ist die Sanierung 5 im Gang, aber kein strategischer Charme. 4,1 Prestigeträchtige Aufträge bei Sicherheitstechnik, Gebäudetechnik 7 Gebäudetechnik schwach positioniert, leidet unter Altlasten. 3,5 Erfolgreiche Nummer zwei bei Mobilnetzen, Festnetze technisch Kommunikation rückständig und verlustreich, Firmensysteme bedroht durch 8 IT-Technik, insgesamt hoher Sanierungsbedarf. 2,6 Nummer zwei bei Wassertechnik; Flughafen-, Postsysteme Industrielösungen erfolgreich; nur wenige Projekte in der Telematik; auf vielen 4 Gebieten jedoch ein Sammelsurium ohne klare Ausrichtung. 1,1 Weltmarktführer bei Bahnleittechnik; Transportsysteme eigentlich gute Chance bei Zügen und im Nahverkehr, 5 aber Probleme bei Qualität und Projektmanagement. –12,8 Nur regional bedeutender Anbieter von IT-Diensten, Outsourcing weiter mit Anlaufverlusten, Systementwicklungen 5 SBS wichtig für Integration von Projekten. Quelle: Siemens, eigene Recherchen dukte wie den ICE, Hörgeräte oder Geschäfte ohne großes Federlesen ab- Zumindest eines hat Kleinfeld in sei- Postsortieranlagen offeriert, endlich stößt. Ja, mancher sieht in ihm gar den nem ersten Jahr als Konzernprimus wieder kräftig zulegen. „Wir werden Zerstörer von Siemens. schon bewiesen: Er ist kein Mann der doppelt so stark wachsen wie das glo- leeren Worte. PR(2) PRESS, ACTION BRAUCHITSCH, V. WOLFGANG JENS SCHICKE/ECOPIX, FOTOS: bale Bruttosozialprodukt“, verkündet DIE EINSEITIGE WAHRNEHMUNG resul- Bei seinem ersten großen Auftritt im Kleinfeld. tiert nicht nur aus der Tatsache, dass April 2005 in Lissabon knüpfte der Eine ziemlich ambitionierte Vision. Kleinfeld größere Aufräumarbeiten Vorstandschef sein persönliches Schick- Gegenüber dem Rekordjahr 2000 ist der leisten muss, als er sich bei der Über- sal daran, dass alle Geschäftsbereiche Konzern deutlich geschrumpft (siehe nahme des Chefpostens wohl träumen des Mischkonzerns binnen zwei Jahren Grafik Seite 60). Und wenn der Neue ließ. Der Vormann hat öffentlich auch ihre Margenvorgaben erreicht haben. seiner Linie folgt und alle margenschwa- noch nicht klar erklärt, wie er sein famo- Ein Ziel, das in der Siemens-Historie chen Geschäfte verkauft, wird der Um- ses Wachstumsziel realisieren will. noch nie verwirklicht wurde. Auch satz erst einmal weiter sinken. „Kleinfeld muss zeigen, dass seine heute – 15 Monate vor der Stunde der Verständlich, dass kaum jemand abstrakt formulierten Megatrends mehr Wahrheit – erwirtschaften erst sechs Kleinfelds eigentliche Botschaft regis- sind als Sandkastenspiele“, fordert Frank der elf Sparten den gewünschten Ge- triert. In der Öffentlichkeit, bei vielen Rothauge von Sal. Oppenheim. So wie winn (siehe Kasten oben). seiner deutschen Mitarbeiter, ja sogar der Analyst rätseln Beobachter und Kleinfeld aber arbeitet konsequent unter den meisten seiner Fans genießt Gefolgsleute, ob der neue Siemens- daran, das scheinbar Unmögliche zu Kleinfeld nicht gerade den Ruf eines Lenker tatsächlich eine echte Strate- schaffen. Und übt dabei einen nie ge- großen Strategen. Ob Freund oder Kri- gie vorzuweisen hat. Oder ob am Ende kannten Druck aus. „Wir müssen uns tiker, fast alle charakterisieren ihn als auf sein Sanierungsprogramm namens eine Hochleistungskultur angewöhnen“, knallharten Abwickler, der unprofitable „Fit4More“ gar kein „mehr“ folgt. peitscht er seine Mannschaft an. 58 managermagazin 2/2006 Unternehmen Siemens Weil der einstige Leiter der internen ihnen der Wechsel vom distinguierten, Bereich. Das Geschäft mit Schnurlos- Unternehmensberatung immer streng diplomatischen, konsensorientierten telefonen soll verkauft werden. systematisch vorgeht, verpasste er je- Heinrich v. Pierer (64) hin zu seinem Keine Frage, Kleinfeld wirbelt mäch- dem seiner Manager eine persönliche amerikanisch geprägten Nachfolger, tig. Mit aller Kraft und gewaltigem Ar- Scorecard. In diesem Pflichtenheft, das der – unvergessene Szene – auch mal ein beitsaufwand – oft bis zu 18 Stunden am ein Foto des Betreffenden ziert, sind Handy im Wasserglas versenkt. Tag – will er die Erfüllung der Margen- konkrete Ziele aufgeführt, die dafür not- ziele für die Bereiche herbeizwingen. wendigen Maßnahmen und die Termine SEINE ANHÄNGER loben das unkonven- Doch verkaufen allein genügt nicht. Und für die Erfüllung definiert. tionelle Verhalten als erfrischend, offen, so fällt die Bilanz seines ersten Jahres Und KCK – wie Klaus Christian Klein- spontan. Die Skeptiker dagegen halten an der Spitze des größten deutschen In- feld intern in englischer Diktion genannt die neue Nummer eins für ungehobelt, dustriekonzerns trotz aller Schufterei wird – hält nach. In Meetings mit ihm unglaubwürdig und einen eher lausigen nur durchwachsen aus. bekommt jeder Teilnehmer eine To-do- Kommunikator. Die Übernahme der Handysparte Liste. Schon nach kurzer Zeit folgt – bis- Eines jedoch gestehen Kleinfeld beide durch den taiwanischen Konzern BenQ weilen auch um zwei Uhr nachts – eine Fraktionen zu: Allen internen Wider- hat Siemens ein Vermögen gekostet – E-Mail vom Chef: Ob denn die Sache er- ständen zum Trotz hat er den Konzern Experten sprechen von rund 1,7 Milliar- ledigt sei? Wehe, der Angefunkte wartet auf Tempo gebracht. Selbst Entschei- den Euro. Trotz der teuren Entsorgung mit einer faulen Ausrede auf. Da wird dungen, die der Zustimmung des Auf- ihres größten Verlustträgers steckt die Der innere Zirkel Mit welchen Männern der Siemens-Chef besonders eng arbeitet Johannes Feldmayer Thomas Ganswindt Heinrich v. Pierer Heinz-J. Neubürger Joe Kaeser (Zentralvorstand (Zentralvorstand Com- (Aufsichtsratsvorsitz) (Finanzchef) hat sich (Chefstratege) sucht Europa) hätte CEO munications) muss ist höchst aktiv in sei- mit Kleinfeld zusam- nach den besten werden können, Com und SBS nem neuen Job und rät mengerauft – auch Objekten für die im Notfall wäre er sanieren, eine Schick- Kleinfeld – der Magen! wenn er sich selbst geplanten Milliarden- Kleinfelds Ersatz salsfrage für den Chef – zu Cola ohne Eis für CEO-fit hält akquisitionen der sonst gern lachende und scherzende sichtsrats bedürfen, werden mittler- Com-Sparte weiter in der Bredouille. Bremer schnell scharf, laut und deutlich. weile binnen Tagen gefällt – per Telefon- Für das ausgegliederte Gebiet Dematic, So etwa krachte es gehörig, als Klein- konferenz. das industrielle Verteilsysteme baut, hat feld um Nennung der wichtigsten Kun- So gelang es Kleinfeld noch drei Tage Kleinfeld noch keinen Abnehmer gefun- den bat, die er innerhalb seiner ersten vor Weihnachten, einen Teil der hoch- den. Und auch der Verkauf der produkt- 100 Tage im Amt besuchen wollte. Die defizitären IT-Tochter SBS an Fujitsu nahen Dienste saniert mitnichten die Anfrage löste in der Münchener Zent- Siemens Computers abzugeben. Analys- verlustreiche IT-Tochter SBS. rale

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