Die Figur Des Wanderers Bei Peter Härtling Inhalt

Die Figur Des Wanderers Bei Peter Härtling Inhalt

Alessandra Riva Justus-Liebig-Universität Gießen 15. Oktober – 15. Dezember 2004 Die Figur des Wanderers bei Peter Härtling Inhalt Inhalt..............................................................................................................S. 2 1. Vorwort....................................................................................................S. 3 2. Einleitung: Reise – Spaziergang - Wanderung........................................S. 6 3. Das Thema des Wanderers und der Wanderung bei Peter Härtling........S. 12 a. Die Nazi-Zeit und die „Fremde“ .................................................S. 13 b. Natur und Fremde: Wanderer der Vergangenheit und Wanderer der Gegenwart.............................................................S. 17 c. Einflüsse von Goethe auf Härtlings Auffassung vom Wanderer..S. 22 d. Einflüsse von Müller auf Härtlings Auffassung vom Wanderer .S. 25 e. Einflüsse von Nietzsche auf Härtlings Auffassung vom Wanderer .............................................................................S. 30 4. Fazit .........................................................................................................S. 34 5. Bibliografie..............................................................................................S. 38 Anhang ..........................................................................................................S. I 2 1. Vorwort Während der Analyse von Härtlings Annäherungen an Hölderlin, Schubert, Schumann und Hoffmann habe ich bemerken können, dass alle Figuren und der Autor selbst besondere Eigenschaften gemeinsam haben. Ihre Rastlosigkeit, ihr Streben nach einer unerreichbaren inneren und äußeren Ruhe, die modernen Züge ihres Denkens und ihrer Kunst, die sie zu Außenseitern in ihrer Epoche werden lassen, erlauben, sie als „Wanderer“ zu verstehen. Ihre Reise findet nur um des Wanderns willen statt und hat kein Ziel bzw. kann kein bestimmtes Ziel erreichen. Härtling zeigt eine Vorliebe für die Wandererfigur und hat darüber 1988 ein ganzes Buch geschrieben – Der Wanderer. Der Ausgangspunkt dieses Werkes ist ein Konzert der Nachkriegszeit, auf dem der Autor „sein“ Lied zum ersten Mal gehört hat, d.h. Gute Nacht vom Winterreise-Zyklus Müllers, den Schubert vertont hat. Die ersten zwei Verse dieses Liedes bringen Härtlings Zustand vollkommen zum Ausdruck: Fremd bin ich eingezogen, Fremd zieh ich wieder aus. In einer Mischung aus Erzählung, Bericht und Essay beschreibt Härtling eine der Grundsituationen des Menschen, die Erfahrung der Fremde, der Heimatlosigkeit, sei sie geographischer oder emotionaler Natur. Zerrissenheit, das Gefühl des Nicht-Dazu- Gehörens ebenso wie Heimweh und Sehnsucht nach Ruhe sind das Thema des Wanderers.1 Härtling will die Thematik der Wanderschaft und der Fremdheit als Leitmotiv unserer Zeit, und nicht nur als Teil seiner Biografie, erklären.2 In Der Wanderer verbinden sich nämlich autobiografische Elemente, Geschichte und Literaturgeschichte, wie man in Härtlings Werken gewohnt ist. 1 Anonym: Peter Härtling: Sympathie mit den Heimatlosen. In: Kieler Nachrichten. Nr. 276. 25.11.1988. S. 16. 2 Vgl. Von Schirnding, Albert: Fremd bin ich eingezogen... In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 230. 5.10.1988. O.S. 3 Dabei verschränken sich Erlebtes und Er-Lesenes, Realität und Kunst, Erfahrung und Geschichte zu einem eigentümlichen Assoziationsgeflecht, einem lockeren und doch reißfesten Gewebe aus erzählenden und essayistischen Elementen.3 Härtling ist aber nicht der einzige, obwohl er hier im Vordergrund steht,4 der die Wanderer-Erfahrung erlebt hat. Neben seiner Wanderschaft stellt er die Wanderschaften anderer Künstler seiner Zeit und der Vergangenheit dar, die eine Fremde wie er gefühlt haben. Es folgen [...] biographische Fragmente von (Auswahl): Walter Benjamin (und Lisa Fittko), Werner Gross, Friedrich Hölderlin, Werner Kraft, Eduard Mörike, Wilhelm Müller, Fritz Ruoff, Franz Schubert und Andrej Tarkowskij. Jacob Taubes und ein Herr namens Szondy [...], und [...] Philemon und Baucis aus Goethes „Faust“ kommen ebenfalls zu einem kurzen Auftritt, meist ähnlich motiviert wie der folgende: „Mir fällt der Schluß von Thomas Manns ‚Zauberberg’ ein, Hans Castorps Abschied.“5 Einigen von ihnen hat der Autor Romane bzw. ‚Annäherungen’ gewidmet. Da ich das Wanderermotiv sehr faszinierend finde, habe ich beschlossen, es bei Härtling zu vertiefen. Nach einer Einleitung über das Thema der Mobilität, in der es um die Begriffe „Reise“, „Spaziergang“ und „Wanderung“ und deren Unterschiede geht, stelle ich Härtlings Wanderer-Auffassung, den Grundzug der „Fremde“ und die sich allmählich ändernde Beziehung des Menschen zur Natur vor. Seine Wanderer–Erfahrung setze ich in seine Epoche, d.h. in die Nazi- und Nachkriegszeit. Danach betrachte ich die Einflüsse von Goethe, Müller und Nietzsche auf Härtling näher, und mithilfe einiger Texte vergleiche ich die wichtigsten Punkte der Wanderer- 3 Ib. Vgl auch Stenger, Michael: Wanderer in dieser Welt. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Nr. 242. 15.10.1988. S. 4; Staehle, Ulrich: Am Rastplatz angekommen. In: Stuttgarter Zeitung. Nr. 246. 22.10.1988. S. 50. 4 Vgl. Mohr, Peter: Nicht mehr als ein fader Aufguß. In: General-Anzeiger. Nr. 30 032. 27.10.1988. S. 30. Vgl. auch ders.: Wanderung durch die Fremde. In: Die Presse. Nr. 12.194. 29./30.10.1988. S. IX; ders.: Der Schriftsteller als Wanderer. In: Kölner-Stadt-Anzeiger. Nr. 275. 25.11.1988. S. 52; ders.: Wanderschaft als Zwang. In: Eßlinger Zeitung. 18.01.1989. S. 25. 5 Lüdke, Martin: Kurzstreckenläufer. In: Die Zeit. Nr. 41. 7.10.1988. S. 2. Vgl. auch Schulz, Gerhard: Dichter auf der Flucht. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 24.1. 15.10.1988. O.S.; Stenger, Michael: Wanderer in dieser Welt. A.a.O. 4 Auffassung dieser drei Autoren mit der Härtlings. Diese Elemente entnehme ich aufschlussreichen Gedichten bzw. Schriften der drei Autoren, die ich im Anhang am Ende der Arbeit zusammen gestellt habe. Schon im Wanderer-Kapitel in meiner Magisterarbeit habe ich die Beziehungen zwischen Härtling und Goethe, Müller/Schubert und Nietzsche kurz erörtert. Sie sind zwar nicht die einzigen, die mit ihrer Weltanschauung Härtling beeinflusst haben. Ich habe mich aber trotzdem auf sie beschränkt, weil sie in diesem Fall die bedeutendsten sind. In der Schlussbetrachtung fasse ich die wichtigsten Aspekte der Wanderer-Auffassung zusammen, die in verschiedenen Weisen von Goethe, Müller, Nietzsche und schließlich Härtling betrachtet und entwickelt wurden. Außer dem schon erwähnten Anhang liegt eine genaue Bibliografie bei. Die in ihr verzeichneten Texte sind eine nützliche Hilfe für diese Arbeit gewesen. 5 2. Einleitung: Reise – Spaziergang – Wanderung Reise, Spaziergang und Wanderung sind drei Begriffe, die eine Bewegung des Menschen bezeichnen. Sie sind aber keine richtigen Synonyme, weil sie sich aufgrund einiger Eigenschaften der Fortbewegung unterscheiden, auf die sie hinweisen. Nach Wahrigs Deutschem Wörterbuch lauten die drei Erläuterungen: Reise: längeres Entfernen vom Heimatort, großer Ausflug, Fahrt Spaziergang: Gang im Freien zur Erholung od. Unterhaltung Wanderung: das Wandern; Strecke, die man gewandert ist, Ausflug zu Fuß; Wechsel des Wohnsitzes (von Völkern, Tieren) wandern: zu Fuß reisen, zu Fuß weit umhergehen; sich regelmäßig einen anderen Wohnplatz, Laichplatz suchen (von manchen Tieren)1 Man unternimmt eine Reise, wenn es eine längere Entfernung zwischen dem Ausgangspunkt und dem Ziel gibt; normalerweise geht es um eine Fahrt, d.h. man bewegt sich mit einem Verkehrsmittel. Im Gegensatz dazu findet ein Spaziergang statt, wenn man zu Fuß geht, und die Entfernung, die man vor sich hat, nicht so groß ist. Die Wanderung ist jedoch eine Mischung der beiden o.g. Erläuterungen. Wenn man wandert, geht man zu Fuß, die Entfernung ist aber nicht so eingeschränkt wie bei einem unterhaltsamen Spaziergang, sondern viel länger, und die Bedingungen viel unbequemer. Von der Antike bis zur Gegenwart ist die Mobilität des Menschen ein Thema der Literatur geworden. Die Reise in der Vielfältigkeit ihrer Formen (Entdeckungsreisen, Kreuzfahrten, Pilgerschaften, Bildungsreisen, utopische Reisen u.a.) ist ein wichtiges Motiv. In der literarischen Tradition wird nicht nur die Bewegung durch den Raum im eigentlichen 1 Wahrig, Gerhard: Deutsches Wörterbuch. München: Mosaik Verlag 1986. 6 Sinn beschrieben, sondern die Reise wird zur Metapher der Suche und der Entdeckung der Umgebung und des Selbst. The essence of travel is displacement, a displacement “in time, in space, and in social hierarchy” (Lévi-Strauss), an estrangement from the protective environment of the familiar in order to discover the newness of oneself and of things.2 It is the element of seeking that transforms the banal act of traversing space into an authentic act of travelling.3 Eine Reise hat ein bestimmtes Ziel, das man erreichen will. Es besteht im Finden eines besonderen Ortes (z. B. Gelobtes Land) oder eines wichtigen Gegenstandes (z. B. der Heilige Gral). Das Thema der Reise erscheint sehr früh im literarischen Kontext. Darüber existiert schon eine umfangreiche Forschungsliteratur, deswegen will ich mich dabei nicht lange aufhalten. Schon die Bibel gibt zahlreiche Beispiele von Reisen.4 In der Antike wurden große Reisebeschreibungen hergestellt, wie auch im Mittelalter. Die Gattung umfasst dann die späteren Reiseberichte des 16. und 17. Jahrhunderts und die Bildungsromane des 18. Jahrhunderts. Auch in den letzten Jahrhunderten hat sich die Literatur mit der Thematik der Reise beschäftigt, indem Werke über utopische

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