
317 Kapitel VI. Fallstudien zur Imagewerbung japanischer Unternehmen In diesem Kapitel werden anhand verschiedener Fallstudien exemplarische Beispiele für kreative Unternehmenswerbung (kigyô kôkoku oder Corporate Advertising) vorgestellt. Dabei geht es darum, einen möglichst vielseitigen Eindruck langfristig imagebildender Werbestrategien zu geben, wobei die damit zusammenhängenden Faktoren wie Marketing und Corporate Identity (CI) nach Möglichkeit einbezogen werden. Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, wird zuerst eine allgemeine Einordnung von Corporate Advertising (im folgenden CA) bzw. Corporate Communications (CC, Unternehmens- kommunikation) im Gesamtkonzept von Corporate Identity (Unternehmensidentität) vorge- nommen. Daran anschließend werden der japanische CA-Begriff, bzw. die Entwicklung japanischer CI und CC-Strategien erläutert. Eine Betrachtung des Unternehmens-images als zentraler Bezugsgröße von CA-Maßnahmen und ein allgemeiner Überblick zu CA- Entwicklung und Status quo runden diesen „Vorspann” ab, bevor es konkret an die unter- suchten Beispiele geht. 1. Corporate Identity-Strategien und Imagewerbung in japanischen Unternehmen In der BRD sind Theorie und Praxis der Corporate Identity (CI) seit den 70er Jahren ein wissenschaftliches Thema. Grage (1993) führt den Begriff auf Durckheim zurück, der Identität als „das unverwechselbare Sein, die charakteristische Eigenart und Einmaligkeit einer Person“1 definiert. Die Übertragung individueller Eigenschaften auf Gruppen bzw. Unter-nehmen ist zwar ambivalent zu betrachten, wird im Falle gängiger Corporate Identity-Konzepte jedoch vorgenommen (Grage 1993:149). Bei der Definition von CI werden je nach Akzent mehr oder weniger identitätsorientierte bzw. methodische Konzepte einbezogen. Birkigt/Stadler definieren CI demnach als „(...) strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung des Unternehmens nach innen und außen, auf Basis eines definierten (Soll) Images, einer festgelegten Unternehmensphilosophie und Zielsetzung“.2 Außerdem sei der Wille, diese Instrumente in einen einheitlichen Rahmen zu 1 Durckheim (1972): Elementare Soziologie, S.57. Zitiert nach Grage (1993): Corporate Identity, Versuch einer begrifflichen Bestimmung unter besonderer Berücksichtigung des Corporate Design. S. 147. In: Bungarten (1993). 2 Birgikt/Stadler/Funk (HG.) (1992): Corporate Identity: Grundlagen, Funktionen, Fallbeispiele, S. 18. 318 bringen und nach außen darzustellen, entscheidend. CI ist zudem eine kommunikative Strategie, die sich über die herkömmliche Marketing-Zielsetzung hinaus auf sozialpsycho- logische Dimensionen ausweitet, d.h. „(...) über die strategische Ausrichtung von Verhalten, Kommunikation und Erscheinungsbild (führt CI) zum Zustand der Identität von Eigen- und Fremdbild“ (Grage 1993:153). Während Corporate Identity also das Selbstbild des Unternehmens bezeichnet, ist Corporate Image das Fremdbild, das vom Umfeld auf das Unternehmen projiziert wird. In der BRD lassen sich vier Phasen der CI-Entwicklung unterscheiden: Während in der frühindustriellen, traditionalen Phase die Unternehmerpersönlichkeit die Unternehmung prägte (z.B. Krupp, Siemens), vollzog sich zwischen den Weltkriegen der Wandel von der Persönlichkeit zur Marke. Hersteller und Marke wurden nun auch visuell als „synonym” konzipiert (z.B. Milde Sorte von „Markenpapst” Domizlaff). Seit den 50ern entwickelte sich die Design-Phase, in der Produkt- und Grafikdesign als Instrumente der Identitätsfindung nutzbar gemacht wurden.3 Seit Ende der 70er befindet sich CI in der strategischen Phase, d.h. sie wird als Mittel der ganzheitlichen Unternehmensstrategie eingesetzt (Birkigt/ Stadler/Funk 1992:33-36). Als international besonders erfolgreiches CI-Beispiel gilt übrigens der japanische Automobilhersteller Mitsubishi, der den Markteintritt in Europa mittels ausgefeilter CI- Strategie koordinierte. D.h. durch effektive Kommunikation und Positionierung des Images konnten beispielsweise die als Hürde empfundenen unterschiedlichen „Kulturen” z.B. die japanische Mutter und der Vertragshändler zusammengebracht werden (Schmidt 1994: 20). Mehr noch: dank übergeordneter CI-Maßnahmen war es japanischen Unternehmen möglich, auch innerhalb der Keiretsu ein Image zu vermitteln, das natürlich je nach Firma immer variiert, aber doch als „Dach” funktioniert.4 Es wäre aber im einzelnen zu untersuchen, ob mit Image hier lediglich Corporate Design-Elemente (also das visuelle Erscheinungsbild) und ein gewisses Identifikationsgefühl oder tatsächlich eine über- greifende, strategische Imagebildung gemeint ist. Ein Beispiel hierfür IBM („The Big Blue”). Das Unternehmen war in den USA lange Zeit vom Image her am höchsten angesehen, 3 Beispiel: die Arbeiten der Ulmer Hochschule für Gestaltung, Otl Aicher (Braun etc.). Grage merkt dazu an, daß durch den starken Einfluß dieser Periode aber für einige Firmen immer noch die CI vom Corporate Design überlagert wird. Vgl. Grage (1993), S. 150. 4 Gerade Mitsubishi wird dabei gern als Beispiel hergenommen: „von der Fischkonserve bis zum Öltanker”. Vgl. auch Olins (1990): Corporate Identity. Landsberg: Moderne Industrie. 319 inzwischen liegen aber Pharmaunternehmen wie z.B. Merck vorne. In der BRD rangieren (natürlich) die Zugpferde Mercedes und BMW sowie Geldinstitute an der Spitze des Image-Rankings.5 Welche Zielgruppen sind nun für die Imagebildung eines Unternehmens relevant? Demuth (1994) unterscheidet in sechs Bereiche:6 • Geschäftswelt: Kunden, potentielle Kunden, Lieferanten, Wettbewerber • Kapitalmarkt: Kapitalgeber, Investoren, Börse/Banken, Anlageberater, Analysten • Meinungsbildner: Medien, Interessengemeinschaften, Bürgerinitiativen, Verbraucher- schutzorganisationen • Arbeitswelt: Mitarbeiter, potentielle Mitarbeiter, Betriebsrat, Gewerkschaften • Politik: Regierung, kommunale und lokale Politiker, Parteien, Behörden • Allgemeine Öffentlichkeit: Bevölkerung, Verbraucher, regionale Bevölkerung, Anwohner 5 Imageumfragen werden in den USA jährlich vom Wirtschaftsmagazin Fortune unter 6.000 bis 8.000 Wirtschafts-repräsentanten durchgeführt. Dabei sind Qualität des Managements, der Produkte, Innovationskraft, Aktienwert, aber auch die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens Beurteilungs- kriterien. In der BRD führt das Manager Magazin ähnliche Befragungen in unregelmäßigen Abständen durch („Imageprofile”). 6 Demuth (1994): Erfolgsfaktor Image, S. 99. 320 Elemente der CI-Konzeption Um das Bild abzurunden, sei hier ein Überblick zum CI-Konzept gegeben. Das folgende Schaubild verdeutlicht die Beziehungen zwischen Selbstbild und Fremdbild sowie die Instrumente von CI-Strategien. Grafik 11: Elemente der Corporate Identity-Konzeption Corporate Corporate Design Communications CORPORATE PERSONALITY CORPORA TE IDENTITY UNTERNEHMENSPHILOSOPHIE STRATEGIE CORPORA TE IMAGE SELBSTBILD FREMDBILD Corporate Culture Corporate Behaviour Quelle: eigene Zusammenstellung. Die wichigsten CI-Instrumente sind Corporate Behaviour (Verhalten), Corporate Design und Corporate Communications. Unter Corporate Behaviour versteht man das Verhalten des Unternehmens in allen relevanten Bereichen, also z.B. Angebots-, Preis-, aber auch Kommunikations- und Sozialverhalten. Die Schlüssigkeit des unternehmerischen Handelns ist per se CI-konstitutiv, denn nach außen und innen wird das Unternehmen danach beurteilt. Voraussetzung eines funktionierenden Corporate Behaviours sind inner- betriebliche Kommunikation und Motivation. Corporate Design (CD) ist das visuelle Erscheinungsbild des Unternehmens in seinen Produkten, Marken, Architektur (Firmengebäude, Showroom, Einrichtung von Läden etc.). Ein Ziel jeder CI-Strategie ist die Vereinheitlichung sowie Stärkung des CD, damit einerseits Wiedererkennung, Identifikation und Kontinuität, andererseits Abgrenzung (von Wettbewerbern) visualisiert werden. Idealerweise sind alle Richtlinien für ein einheitliches 321 CD (Hausfarbe, Haustypo, Logo etc.) in einem CD-Manual festgeschrieben, nach dem sich Grafiker, Werbeagenturen und Hersteller der Materialien richten müssen. Corporate Communications (CC) sind als integrierte Unternehmenskommunikation zu charakterisieren, sie sind das strategische Dach aller Kommunikationsmaßnahmen eines Unternehmens oder einer Institution nach innen und außen. Ziel ist es, ein Image in der öffentlichen Meinung aufzubauen, zu korrigieren oder zu pflegen sowie eine ideale Gesamtwirkung von Produkt, Marken- und Unternehmensimage zu erreichen. Alle Mittel der Kommunikation – von der Anzeigenkampagne über TV- und Rundfunkspots, vom Sponsoring bis hin zur Berichterstattung, Pressearbeit und Information von Meinungsbildnern – können demnach CC zugeordnet werden. Dazu gehören auch Public Relations (PR), die den Dialog des Unternehmens mit der Öffentlichkeit herstellen bzw. als Spezialvariante der Krisen-PR bei besonderen Ereignissen „das Feuer löschen” sollen. Konkrete Maßnahmen von CC sind: • Standpunktwerbung: das Unternehmen bezieht Stellung zu gesellschaftlichen sowie politi-schen Themen und zu Fragen des öffentlichen Interesses (z.B. Umwelt) • Öffentliches Auftreten: Medien- und Öffentlichkeitspräsenz führender Unternehmens- vertreter (z.B. Reuter, Morita) • Human Relations: Programme zur Ausbildungsförderung, Pensionärsbetreuung, Kommunikation der Unternehmenswerte in Stellenanzeigen und im Unternehmensumfeld • Employee Communications (Mitarbeiterkommunikation): Teilbereich der Human Relations, internes Kommmunikationssystem zur gezielten Mitarbeiterinformation • Investor Relations: Kommunikation mit Investoren und Aktionären
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