Repositorium für die Medienwissenschaft Ludger Kaczmarek; Hans Jürgen Wulff; Matthias C. Hänselmann Musik im Animationsfilm: Arbeitsbibliographie 2016 https://doi.org/10.25969/mediarep/12799 Veröffentlichungsversion / published version Buch / book Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Kaczmarek, Ludger; Wulff, Hans Jürgen; Hänselmann, Matthias C.: Musik im Animationsfilm: Arbeitsbibliographie. Westerkappeln: DerWulff.de 2016 (Medienwissenschaft: Berichte und Papiere 164). DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/12799. Erstmalig hier erschienen / Initial publication here: http://berichte.derwulff.de/0164_16.pdf Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer Creative Commons - This document is made available under a creative commons - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0/ Attribution - Non Commercial - No Derivatives 4.0/ License. For Lizenz zur Verfügung gestellt. Nähere Auskünfte zu dieser Lizenz more information see: finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Medienwissenschaft: Berichte und Papiere 164, 2016: Musik im Animationsfilm Redaktion und Copyright dieser Ausgabe: Ludger Kaczmarek u. Hans J. Wulff. ISSN 2366-6404. URL: http://berichte.derwulff.de/0164_16.pdf Letzte Änderung: 12.1.2016. Musik im Animationsfilm: Arbeitsbibliographie Zusammengestellt von Hans J. Wulff und Ludger Kaczmarek Mit einer Einleitung von Matthias C. Hänselmann: Phasen und Formen der Tonverwendung im Animationsfilm* Der Animationsfilm ist ein von Grund auf syntheti- die lange Zeit dominante Animationsform handelt, sches Medium: Alle visuellen Aspekte – und das 2) gerade der Zeichentrickfilm Prinzipien der anima- wird besonders am Zeichentrickfilm deutlich – müs- tionsspezifischen Musikverwendung hervorgebracht sen zunächst künstlich erzeugt werden. Es müssen hat und diese Prinzipien 3) dann auch von anderen Serien syntagmatisch kohärenter Bewegungsphasen- Animationsfilmformen übernommen wurden bzw. bilder hergestellt werden, ehe diese durch einzelbild- sich prinzipiell auf diese übertragen lassen. weise Abfotografierung auf den Filmstreifen ge- bracht werden können, von wo aus sie sich dann un- Versuche der organischen Verbindung von dynami- ter geeigneten Vorführbedingungen als konsistenter, scher Malerei (als was sich der Zeichentrickfilm auf- flüssiger Bewegungsablauf auf die Leinwand proji- fassen lässt) mit koordiniert organisierten Tönen (als zieren lassen. was man Musik ansehen kann) begannen Anfang des Was für den Bildbereich gilt, ist im Tonbereich 20. Jahrhunderts mit eher technisch-wissenschaftli- grundsätzlich nicht anders. Auch die akustischen cher Zielsetzung denn mit künstlerisch-kreativen Komponenten eines Animationsfilms müssen zu- Ambitionen. Es war Rudolf Pfenninger, der bereits nächst künstlich hergestellt werden, bevor sie mit um 1922 während seiner Arbeit bei der Münchener dem Bildmaterial zusammenkopiert werden können. Lichtspielkunst AG (EMELKA) damit begann, unter Gespräche müssen bildsynchron eingesprochen, Ge- dem Stichwort „gezeichnete Musik“ bzw. „tönende räusche erzeugt und Musik eingespielt werden, ehe Handschrift“ ein System zur Erzeugung syntheti- sich der Animationsfilm als das audiovisuelle Medi- schen Tons zu entwickeln, indem er zunächst mit ei- um konstituiert, als das man ihn seit den 1930er Jah- nem Stift per Hand auf ein Blatt Papier grafische ren kennt. Zeichen auftrug. Anschließend fotografierte er diese Das ist evident, da die Kader für Kader vonstat- direkt mit der Filmkamera ab, um sie so auf einen tengehende Aufzeichnung der Bildspur jede zusam- Lichttonfilmstreifen zu bringen, der dann – von ei- menhängende Aufnahme von etwaigen szenischen ner Seleniumzelle abgelesen – zum ersten Mal die Originalgeräuschen unmöglich macht. Gleichzeitig seiner künstlich hergestellten Zeichnungen entspre- bedeutet das, dass die Bild- und die Tonspur des chenden Töne hörbar werden ließ. Ähnliche Versu- Animationsfilms sich in einer sehr freien und d. h.: che fanden ungefähr zeitgleich u. a. in Russland statt in einer flexiblen und kreativ gestaltbaren Beziehung mit den Experimenten von Arseni Michailowitsch zueinander befinden. Diese künstlerische Freiheit Awraamow, dem bis 1930 entwickelten Variophon wurde bereits sehr früh bemerkt und experimentell von Evgeny Sholpo und dem Vibroexponator von ausgetestet, ehe sich audiovisuelle Strategien für den Boris Yankovsky, der 1932 fertiggestellt wurde. All Animationsfilm festigten, die bis heute auch im diese Versuche folgten jedoch einer primär wissen- kommerziellen Mainstreamfilm Verwendung finden. schaftliche Motivation. Der folgende Abriss der wichtigsten Entwick- Erstmals stärker künstlerisch setzte László Mo- lungslinien der Tonverwendung im Animationsfilm holy-Nagy die Technologie des synthetischen Licht- legt das Hauptaugenmerk auf den grafisch-maleri- tons für sein Tönendes ABC (1932) ein, indem er die schen Zeichentrickfilm, da es sich bei diesem 1) um Buchstaben des Alphabets zunächst fotografisch auf Musik im Animationsfilm // Medienwissenschaft, 164, 2016 /// 2 die Tonspur eines Filmstreifens brachte und dann die Tonpsychologie, die Ruttmann und Fischinger auf Buchstaben noch einmal als optische Elemente in die Gestaltung des „dynamisierten Bildes“ übertru- die Bildfelder des Films aufnahm. Auf diese Weise gen. So wird das Lauterwerden eines Tones bei- erreichte Moholy-Nagy, dass dem Zuschauer spielsweise mit dem Anwachsen eines Bildelements zugleich die optische Darstellung des Alphabets parallelisiert; kurzen, schrillen Tönen werden spitze, sowie dessen akustische Übersetzung durch die kurz aufblitzende Formen zugeordnet; „dunkle“ Lichttonabtastung des Projektors präsentiert werden Klangfarben bestimmter Instrumente der Tonspur konnte. Diese Idee wurde ab 1938 von Norman werden mit dunklen Farben in der Bildgestaltung McLaren aufgegriffen und weiterentwickelt, so dass korreliert etc. er etwa in Boogie-Doodle (1941) sogar eine Kombi- Ruttmann erstellte insgesamt vier „Lichtspiele“, nation von synthetischem und natürlichem Ton ver- deren erstes bereits am 27. April 1921 öffentlich ur- wendete. Mehrere folgten nach, wie beispielsweise aufgeführt wurde, sowie eine Reihe weiterer, meist auch Bruno Böttge, der 1966 für das DEFA-Studio zu Werbezwecken bestimmter abstrakter Tonkurzfil- grafisch Silhouettenketten gestaltete und diese Za- me wie etwa die Filme Der Sieger für Excelsior Rei- ckenschrift auf die Lichttonspur eines Films über- fen und Das Wunder für Kantorowicz-Liköre (beide trug. 1922). Fischinger fertigte zwischen 1921 und 1925 vier als „Studien“ bezeichnete abstrakte Tonfilme an Ungefähr zur gleichen Zeit, als diese ersten Versu- und ist vor allem auch für seine Arbeiten Allegretto che zur Herstellung von Geräusch und Musik mit (1936), Komposition in Blau (1935) und An Optical den Mitteln der Malerei unternommen wurden, such- Poem (1937) bekannt. te man auch nach Prinzipien und Verfahren, wie be- Betrachtet man die Entstehungszeiten besonders reits vorbestehende Musik in ein harmonisches Zu- der frühen Werke, fällt auf, dass sie im Zeitraum vor sammenspiel mit animierten Bildinhalten zu bringen der Etablierung des eigentlichen Tonfilms liegen. sei. Es war der Pionier des kameralosen Films Hans Tatsächlich entwickelte vor allem Fischinger vor der Lorenz Stoltenberg, der in seiner Schrift Reine Farb- Erfindung und Etablierung des Lichttonverfahrens kunst in Raum und Zeit und ihr Verhältnis zur Ton- eine Technik zur synchronen Wiedergabe von kunst von 1920 neben Walter Ruttmann als einer der Schallplatten- und Filmaufzeichnungen, die sich Ersten theoretische Überlegungen zu den Möglich- wahrscheinlich am Prinzip des Kinetophonographen keiten einer harmonischen Verbindung von visuellen von Thomas Alva Edison orientierte. Seine Experti- und akustischen Syntagmen anstellte und dabei auch se in der harmonischen Kopplung von abstrakten explizit den Film als Medium zur Realisierung einer Bildelementen mit Musikstücken brache Fischinger solchen Synthese miteinbezog. Auch wenn er selbst während seines Amerikaexils in Kontakt zu einem nur wenige Anstrengungen unternahm, seine Theo- anderen großen Pionier des „tönenden Trickfilms“: rie in die Praxis umzusetzen, so konnte er doch be- zu Walt Disney. reits 1937 in der zweiten Auflage seines Bändchens u. a. auf Walter Ruttmanns Lichtspiel Opus 1 und Obwohl es immer noch häufig zu lesen ist, war Dis- Oskar Fischingers Komposition in Blau (1935) ver- ney nicht der Erste, der einen mit Tonspur versehe- weisen. nen (gegenständlichen) Zeichentrickfilm fertigte. Diese beiden Arbeiten waren durchweg abstrakt, Bereits im April 1926 hatte das Studio Max Flei- wurden von – teils eigens komponierten – Musikstü- schers mit dem sechsminütigen My Old Kentucky cken begleitet und zielten derart auf eine symbioti- Home (1926) die erste Folge der „Song Car-Tunes“ sche Verbindung von Ton und Musik, dass wechsel- produziert. Diese Cartoon-Serie nutzte den von Lee weise die akustische Dimension der Filme die visu- de Forest auf Basis des Triergon-Verfahrens entwi- elle und umgekehrt die visuelle Dimension die akus- ckelten Phonofilm, eine frühe Form des Lichtton- tische erhellen, vertiefen und in ihrer ästhetischen films, bei dem akustische Informationen fotografisch Wirkung steigern sollte. Sowohl Ruttmann als auch aufgezeichnet werden und sich mittels Verstärker Fischinger machte sich dabei den Umstand zunutze, und Lautsprecher wieder abspielen lassen. Fleischers dass die einzelbildweise Aufnahmetechnik des Ani- Cartoons
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