Kochia 6: 11–28 (2012) 11 Festuca rhenana spec. nov. und Festuca heteropachys , zwei verkannte Schwingel der Flora Deutschlands DIETER KORNECK & T HOMAS GREGOR Zusammenfassung : Seit über vier Jahrzehnten vonian slates). In Germany, F. rhenana occurs werden kräftige Schwingel von Silikatfelsen des in Rhineland-Palatinate and rarely in Hesse. mittelrheinischen Raumes irrtümlich als Festuca The genuine F. heteropachys exists also in heteropachys bezeichnet. Diese Pflanzen ge- Germany, but only in the southern part of hören zu keiner der bisher bekannten Sippen. Rhineland-Palatinate. The tetraploid F. he te - Sie werden unter dem Namen F. rhenana als ropachys is a mesophilous or somewhat ther- neue, in Deutschland endemische Art beschrie- mophilous grass with very (30–50 cm) long in- ben. Im Nordpfälzer Bergland, im Nahe- , im novation leaves, often more than half as long Mittelrhein- und im Moseltal besiedelt F. rhenana as the culms. As an extension to the occurrence extrem trocken-warme Felsstandorte auf ± ba- in Alsace, F. heteropachys grows on ± acid senreichen Silikatgesteinen (Rhyolith, Andesit, sandstone soils in the Palatinate Forest. Dis- Oberrotliegendes, devonische Schiefer). Fast tinctive characteristics between F. heteropachys , alle Fundorte liegen in Rheinland-Pfalz, zwei in F. rhenana , F. lemanii and the common F. guest- Hessen. Die wahre F. heteropachys kommt falica are given. ebenfalls in Deutschland vor, und zwar nur im südlichen Teil von Rheinland-Pfalz. F. hetero- pachys ist ein mesophiles bis schwach thermo- Dieter Korneck philes, Halbschatten ertragendes Horstgras. In der Held 33, 53343 Wachtberg Kennzeichnend sind die mit 30–50 cm oft sehr langen Grundblätter und die starke, deutlich bis Thomas Gregor über die Mitte der Halme reichende Beblätterung. Biodiversität und Klima Forschungszentrum Im Anschluss an die Vorkommen im Elsass (BiK-F) und Abt. Botanik und molekulare Evo- findet sich F. heteropachys hauptsächlich im lutionsforschung Senckenberg Forschungsin- Pfälzer Wald auf ± sauren steinigen oder san- stitut, Senckenberganlage 25, digen Böden über Buntsandstein. Unterschei- 60325 Frankfurt am Main; dungsmerkmale von F. heteropachys, F. rhe - [email protected] nana , F. lemanii und der häufigen F. guestfalica [email protected] werden dargestellt. Abstract : Festuca rhenana spec. nov. and F. heteropachys , two misinterpreted Fescues 1. Einleitung of the German flora. For more than four decades, stout Fescue plants of siliceous rocks Zu den schwer bestimmbaren Sippen der mit- in the Middle Rhine region in South-Western teleuropäischen Flora zählen die Schaf-Schwin- Germany were erroneously named as F. hete - gel in weitestem Sinn ( Festuca ovina agg.). In ropachys . These plants represent an unde- Deutschland kam es bei der Darstellung dieser scribed species, endemic in Germany: F. rhe - Artengruppe etwa ab dem Jahr 1950 öfters zu nana . In the Northern Palatinate mountain Fehleinschätzungen. range and in the river valleys of Nahe, Rhine Bereits Mitte der 1950er Jahre fielen dem and Moselle the thermophilous F. rhenana grows Erstautor an extrem trocken-warmen Felsstand- on very dry and warm sites on rocks of base- orten im Nahetal Schwingel von kräftigem rich siliceous stones (Permian stones or De- Wuchs mit teils sehr dicken Blattspreiten auf. 12 D. Korneck & T. Gregor Eine exakte Bestimmung gelang vorerst nicht. 2. Festuca rhenana KORNECK & T. G REGOR , Ein Beleg vom Rotenfels bei Bad Münster am spec. nov., Rheinischer Schwingel Stein (26.8.1956) wurde im Januar 1958 von Ingeborg Markgraf-Dannenberg †, Zürich, als Descriptio: Gramen perenne robustum, dense „Festuca ovina L. subsp. ovina cf. subvar. caespitosum, sine rhizomatibus, 30–75(90) cm robusta HACK .“ bestimmt. Unabhängig davon altum, innovationibus intravaginalibus; Folia bezeichnete S TOHR (1960: 403, 413) Belege basalia triens culmorum aequantes vel sub- aus der gleichen Aufsammlung vom Rotenfels erantes, 15–25(30) cm longa; laminae foliorum sowie solche vom Schwarzfels nahe Kirch- innovationium inter se crassitudine inaequales, heimbolanden (leg. D. Korneck , 26.4.1958) als interiores (superiores) 0,7–0,8 mm, ulteriores „Festuca cinerea subsp. crassifolia (G AUD .) (inferiores) 0,9–1,3(1,4) mm diam., firmae, (sub) - STOHR var. robusta (H ACK .) S TOHR ”. junceae, scabrae vel scabriusculae, raro glabrae, Seit über 45 Jahren, und zwar seit P ATZKE plerumque virides, non pruinosae, 7– 9(11)- (1965: 72), wird unsere Felspflanze in der flori- nerviae, in sectione transversali subrotundatae stischen und vegetationskundlichen Literatur vel obovatae, fasciculis sclerenchymaticis in Deutschlands als „ Festuca heteropachys “ ge- 2–4 stratis continuis instructae, integris, 3–5- führt. Die Werke von K ERGUÉLEN & P LONKA costatae, in superficie superiore multis pilis (1989) sowie besonders von P ORTAL (1999) praeditae; vaginae apertae, basi clausae, ple- zeigen aber, dass F. heteropachys und unsere rumque dense pubescentae. Culmi (cum vaginae Felspflanze deutlich verschieden sind. foliorum) saepe dense pubescenti, raro glabri, Am 24.5.2000 entnahm Jochen Müller le- infra paniculam scabri vel scabriusculi, canali- bende Pflanzen am Eierfels im Trollbachtal culati. Paniculae 7–10(13) cm longae, densae nordöstlich Dorsheim im unteren Nahegebiet vel subdensae, anguste oblongae, plus minusve (Kreis Bad Kreuznach) und an der Blums Lay erectae, ramulis subscabridis; spiculae 3–5(7)- nahe Winningen im unteren Moseltal (Kreis florae, inclusive aristae (7,5)8–12,5 mm longae; Mayen-Koblenz). Die von ihm vorgenommene glumae lanceolatae, inaequalis, inferiores 2,9– Messung von Spaltöffnungs-Schließzellen er - 3,3(3,8) mm, superiores 4,2–4,5(5) mm longae; gab, dass besagte Felspflanzen hexaploid sind lemmata lanceolata, 5,5–6,5(7,3) mm longa, (Š MARDA & al. 2005: 27, 32). Thomas Gregor plerumque pilosa vel marginalis ciliata, interdum zählte Chromosomen kultivierter Pflanzen von glabra; aristae 1,8–3,5(4) mm longae; antherae drei weiteren Herkünften (Mittelrheintal: Rhein- 2,7–3,4 mm longae. Plantae hexaploideae, chro- berg bei Brohl; Moseltal: Felshang unterhalb mosomatum numerus: 2n = 42. Karden; Nahetal: Hellberg bei Kirn). Er gelangte Planta endemica florae Germaniae. Crescit ebenfalls zu dem Ergebnis, dass diese Pflanzen in Germania occidentali. hexaploid sind (2n = 42). Zu diesen Felspflanzen bemerkten Š MARDA & al. (2005: 27): „ These Holotypus (Abb. 1): Herbarium Senckenbergia- plants fall morphologically within the limits of num. FR-0030905. Frankfurt/Main (FR). Festuca the hexaploid F. lemanii , a polymorphic taxon rhenana KORNECK & T. G REGOR . Herbarium with a broad distribution in France (K ERGUÉLEN Dieter Korneck[.] Festuca lemanii BASTARD , & P LONKA , 1989, sub F. bastardii KERGUÉLEN & Derber Schwingel[.] Poaceae [.] Nördliches Mit- PLONKA ) and is also native in England (W ILKINSON telrheingebiet[.] 1.5.2008: Rheinberg bei Brohl & S TACE , 1991), Belgium (A UQUIER & R AMMELOO , (5509/2), Schieferfelsen. Holotypus. [Zwei Zeich- 1973), and Luxembourg (A UQUIER & K ERGUÉLEN , nungen von Blattquerschnitten]. 1978: 51) “. Zunächst neigten wir dazu, dieser Einschät- F. rhenana (Abb. 1) ist ein kräftiges, 30 bis zung zu folgen. Aus den Darstellungen von 75(90) cm hohes ausdauerndes Horstgras; Er- WILKINSON & S TACE (1988, 1991), PORTAL (1999) neuerungssprosse intravaginal emporwachsend; und STACE (2010) ergibt sich jedoch, dass un - Grundblätter bis zum unteren Drittel der Halme sere Felspflanzen und F. lemanii BASTARD spe- oder auch höher reichend. Blattspreiten steriler zifisch verschieden sind (vgl. Tab. 1). Auch mit Triebe etwas verschieden, innere (obere) 0,7 anderen Festuca- Arten besteht keine Überein- bis 0,8 mm, äußere (untere) 0,9 bis 1,3(1,4) mm stimmung. Demnach handelt es sich bei diesen dick, steif, im oberen Drittel oder in der oberen Felspflanzen um eine unbeschriebene Art: Hälfte ± rau, seltener fast glatt, meist dunkelgrün, Festuca rhenana und F. heteropachys 13 Abb. 1: Festuca rhenana : Pflanzen und Querschnitte von Blättern aus Erneuerungssprossen. Rheinberg bei Brohl am Rhein, Schieferfelsen, 1.5.2008. – Plants and transverse sections of innovation leaves. Rheinberg near Brohl/Rhine, slate rocks, 1.5.2008. 14 D. Korneck & T. Gregor Abb. 2: Festuca rhenana: Verbreitung in Deutschland. – Distribution in Germany. Festuca rhenana und F. heteropachys 15 unbereift, im Querschnitt U- oder V-förmig, mit gare in voller Blüte. Zugleich hatten die Halme 7–9(11) Leitbündeln, Oberseite mit drei bis fünf von F. rhenana ausgetrieben und waren ihre Rippen, dicht mit Trichomen besetzt, Sklerenchym Rispen voll entwickelt. Hauptsächlich blüht einen dicht geschlossenen Ring aus 2–4 Zell- F. rhenana im Mai, doch treiben Halme und schichten bildend. Halme im oberen Teil rau, Rispen nicht selten schon ab Mitte April aus. gerieft, oftmals ebenso wie die Scheiden der Im Lahntal wurde F. rhenana nicht gefunden. Halmblätter dicht flaumhaarig, seltener kahl. In nördlich des Moseltales gelegenen, weniger Rispen 7–10(13) cm lang, ± zusammengezogen, wärmebegünstigten linksrheinischen Seitentä- schmal, ± aufrecht; Ährchen mit Grannen (7,5)8– lern, so im Nettetal und im Ahrtal, werden ähn- 12,5 mm lang; Hüllspelzen lanzettlich, ungleich, liche Felsstandorte von F. guestfalica BOENN . untere 2,9–3,3(3,8) mm, obere 4,2–4,5(5) mm ex R CHB . eingenommen. lang; Deckspelzen lanzettlich, 5,5–6,5(7,3) mm lang, meist behaart oder am Rande bewimpert, Zu berichtigen sind die Angaben für „ Festuca manchmal auch kahl, Grannen 1,8–3,5(4) mm heteropachys “ bei
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