Deutschland Dass es diesmal keiner aus der Kultur- sche Filmwirtschaft allerdings nicht erlei- KULTUR szene ins Kanzleramt schaffen würde, war den. Die entsprechenden Passagen im Ko- von Anfang an klar. Gerhard Schröder, der alitionsvertrag stammten von Neumann. Verdienter das Amt schuf, wollte Botschafter aus der Helmut Kohl war einer der Ersten, die Kultur in die Politik holen. Merkel will das ihm zum Amt gratulierten. Als Kohl An- nicht. fang des Jahres 2000 im Strudel der Partei- Gefährte Jetzt ist das Kulturamt eine Pfründe ge- spendenaffäre versank, hatte Neumann ihn worden, die an verdiente Gefährten verge- demonstrativ als Ehrengast zum Neujahrs- Der Parteienstaat hat die Kultur ben wird. Der Parteienstaat hat das Terrain empfang nach Bremen geladen. Seitdem erobert. Und die politische Klasse scheint gilt er als öffentlich bekennender „Kohlia- erobert. Merkels neuer Staats- mit sich zufrieden. Neumann? „Ist doch ner“, was den Zugang zu Merkel nicht un- minister versteht nicht viel von den besser als irgend so ein Künstler“, findet bedingt erleichterte. schönen Künsten – dafür umso Kanzleramtschef Thomas de Maizière, über Deren Vertrauen erarbeitete er sich, in- mehr von schwarz-roter Kungelei. dessen Etage der Neue sein Büro hat. dem er ihr mehrfach in der Fraktion den Die Kulturszene reagiert skeptisch bis Rücken stärkte. Er unterstützte sie, als es on seinem Schreibtisch im 8. Stock entsetzt. „Wenn ein Amt schon keine um das Parteiverfahren gegen den Fuldaer des Kanzleramts hat Bernd Neu- Macht hat, sollte es wenigstens durch in- Rechtsaußen Martin Hohmann ging. Aber Vmann, 63, einen phantastischen tellektuelles Charisma glänzen“, urteilt der auch, als die CSU-Landesgruppe im Ja- Blick über Berlin. Es ist sein erster Amts- Schriftsteller Tilman Spengler. nuar 2005 den Aufstand probte und die tag, und draußen ist es kalt. Im Sommer, Auch die Theaterszene applaudiert nur „Teamfähigkeit“ der CDU-Vorsitzenden darauf freut sich der neue Kulturstaats- verhalten. „Ich hoffe, dass der ausgewie- anzweifelte. Bernd Neumann war es, der Merkel und Kohl, nach deren Zerwürfnis, wieder zu- sammenbrachte. Zur Feier seines 60. Ge- burtstags lud er beide ein. Seitdem reden sie wieder miteinander. Erste überregionale Beachtung fand der CDU-Politiker allerdings nicht als Ver- söhner, sondern als Spalter, der öffentlich gegen den Lyriker Erich Fried hetzte. Der zeige in seinen Versen zu viel Verständnis für die RAF-Terroristen, meinte Neumann im November 1977 als 35-jähriger CDU- Fraktionschef in der Bremer Bürgerschaft: „So etwas würde ich lieber verbrannt se- hen, das will ich Ihnen einmal ganz ein- deutig sagen.“ Anfang vergangener Woche kochte die alte Sache wieder hoch. Die Grünen woll- ten „keinen Bücherverbrenner als Kultur- staatsminister“, sagte deren Bundestags- abgeordneter Wolfgang Wieland. Wahr ist, dass Neumanns Äußerung ge- fallen ist. Aber der war schon in jungen Jahren schneller und wendiger als seine Widersacher. Noch bevor es zu einem von AXEL SCHMIDT / ACTION PRESS / ACTION AXEL SCHMIDT Radio Bremen arrangierten öffentlichen Bremer CDU-Chef Neumann: Ausgebuffter Polit-Profi mit angenehmen Umgangsformen „Streitgespräch“ mit Fried kam, hatte er sich heimlich mit dem Dichter getroffen. minister schon jetzt, will er Freunde einla- sene Filmspezialist sich in anderen Berei- „Ich habe ihm gesagt, dass das Mist war den und mit ihnen auf dem riesigen Balkon chen wie Literatur, Theater oder Kunst und mich entschuldigt. Und Fried hat mich tafeln, der vor den Fenstern liegt – als Ex- ebenso gut auskennt“, sagt der Regisseur umarmt und gesagt, damit sei die Sache perte für Esskultur. Jürgen Flimm. für ihn erledigt.“ Es war nicht leicht für ihn, hier hinein- Neumann, immerhin, gilt als ein aus- So tickt Bernd Neumann. Wenn es zukommen. Bis zuletzt hat ihn Angela gebuffter Polit-Profi mit angenehmen brenzlig wird, kann er eigene Fehler blitz- Merkel hingehalten. Ja doch, er sei ein Umgangsformen und ausgezeichneten schnell korrigieren. Wenn andere Fehler Kandidat, sagte sie ihm vor Wochen. Aber Kontakten. Seine Spezialdisziplin ist die gemacht haben oder schon am Boden lie- es gab eben auch andere. schwarz-rote Kungelei. Damit hat er reich- gen, tritt er nicht nach. Das hat ihm Aner- Zuerst Norbert Lammert, der dann aber lich Erfahrungen in seiner Heimatstadt kennung in allen Lagern verschafft – auch lieber Parlamentspräsident werden woll- Bremen gesammelt, wo er als Mitarchi- bei einflussreichen Grünen. te. Dann Maria Böhmer, die gestrenge tekt der seit 1995 regierenden Großen Ko- Als am Montagnachmittag die Stink- Vorsitzende der Frauen-Union. Als sie alition gilt. bombe aus dem Jahr 1977 zu riechen be- genannt wurde, schlugen die Experten die Schon in der ersten Arbeitswoche im gann, hat Neumann sofort Claudia Roth Hände über dem Kopf zusammen. Dann Kanzleramt hatte er Erfolg. Am vergange- angerufen und ihr die Geschichte mit Fried doch lieber Neumann, hieß es. Der ver- nen Donnerstag beschloss das Kabinett, erzählt. Danach war Ruhe. „Gerade wir“, stehe wenigstens etwas vom Film und von eine Reihe von Steuergeschenken abzu- sagte die Parteichefin später unter Anspie- den Medien. Schließlich war er dafür schaffen, darunter auch die steuerbegüns- lung auf den einstigen Steinewerfer Josch- zuständig – als Obmann der CDU/CSU- tigte Beteiligung an sogenannten Filmfonds. ka Fischer, „sollten mit solchen Vorwürfen Fraktion. Nachteilige Konsequenzen solle die deut- vorsichtig umgehen.“ Hartmut Palmer 42 der spiegel 48/2005.
Details
-
File Typepdf
-
Upload Time-
-
Content LanguagesEnglish
-
Upload UserAnonymous/Not logged-in
-
File Pages1 Page
-
File Size-