Der Tod Des Grenzsoldaten Egon Schultz, Der Tunnel Und Die Propagandalüge Edition Berliner Unterwelten Im Ch.Links Verlag, 2

Der Tod Des Grenzsoldaten Egon Schultz, Der Tunnel Und Die Propagandalüge Edition Berliner Unterwelten Im Ch.Links Verlag, 2

Gelesen: 2018 Sonderausgabe Michael Baade (D, 2012) Mein Freund Egon Leben und Sterben von Egon Schultz Ingo Koch Verlag 2012 Vom Autor erworben Der Tod des Grenzsoldaten Egon Schultz, der Tunnel und die Propagandalüge Edition Berliner Unterwelten im Ch.Links Verlag, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2015 Der Rostocker Michael Baade, dessen Erinnerungen an Jan Vo- geler (vgl. „Gelesen im Feb. 2017“) mich begeisterten, hat mit „Mein Freund Egon“ (Erstauflage 2012) bzw. „Der Tod des Grenzsoldaten“ (Neuauflage 2015) einen wichtigen Beitrag zur www.mittelhaus.com jüngeren deutschen Geschichte und zum Sündenregister des Kasernenhof-Sozialismus der DDR vorgelegt. Und wie nebenbei Schlaglichter auf eine für mich schon leicht verschüttete Zeit aus Berliner bzw. West-Berliner Geschichte wirft: Fluchttunnel und Fluchthelfer. Ein Buch, das mit der Vielzahl der persönlichen Dokumente, der Zeitzeugenschilderungen und der stets spürbaren Emotion des Erzählers Michael Baade gegenüber dem Opfer, dem telhaus Grenzsoldaten, seinem Freund Egon Schultz, dokumentarisch eine außerordentliche Nähe schafft. Ein Buch, das so vielfach betroffen macht: - Wie verkraftet es der Autor, 20 Jahre junger, engagierter Pädagoge und Freizeitkorrespon- dent lokaler Zeitungen, wenige Jahre nach dem Mauerbau die Morgenzeitung aufzuschlagen el Mit und zu erfahren, dass sein bester Freund, Egon Schultz, tot ist, erschossen an der Berliner Grenze ? - Wie kann man benennen und fassen, dass die Verantwortlichen des MfS in der DDR propa- gandistisch die mindestens grob fahrlässige Tötung des Egon Schultz durch die eigenen Leute Micha (nach erster schwerer Verletzung durch westliche Fluchthelfer) in einen Mord vom Westen umlogen; und darauf die gesamte Propagandamaschine der DDR ansetzten? - Wie gehe ich selbst, der Rezensent, damit um, dass ich damals und lange danach, den weni- gen vorhandenen alternativen Medien (im Westen) geglaubt habe, die ihrerseits die MfS Lüge transportierten? Und mich somit in einer ähnlichen Lage versetzten, wie die ob des erzählt- gelogenen Geschehens in ehrlicher Empörung um Egon Schultz trauernden DDR Bürger? Biografisches Mir ging Thema und Geschichte sehr nahe und untypisch für meine Rezensionen habe ich eng und umfangreich mit dem Autor korrespondiert und kommuniziert. So habe ich mich gewun- dert, warum Egon Schultz, als Junglehrer SED-Kandidat und Unteroffiziersschüler wird, aber nicht als „Genosse“ in M. Baades Briefen angeredet werden möchte. Das resultierte wohl dar- aus, dass E. Schultz „ein ganz Lieber“ war, nicht „nein“ sagen konnte, Werbungen von NVA und Partei (die sehr nachdrücklich sein konnten) schwer ablehnen konnte. So berichtet mir der Buchautor im Gespräch. -1- Michael Mittelhaus Voltlage Gelesen im...... ...........März 2018 So hat er nur 2 Wochen vor seinem Tod beim letzten Heimaturlaub in Rostock dem Autor nichts von der SED-Kandidatur erzählt. Wohl aber vom Kummer keine Freundin zu haben, schüchtern und als Uniformträger in (Ost-)Berlin in der Damenwelt nicht unbedingt beliebt gewesen zu sein. Er war aber Lehrer mit Leib und Seele, eigentlich unpolitisch. Als Arbeiterkind und ohne Westverwandschaft schien er in damaligen DDR-Verhältnissen ideal für NVA und den Dienst an der Grenze, erklärt M. Baade mir. Er war ein sehr lieber Kerl, etwas schüchtern ein begeisterter Pädagoge. Darüber berichtet Baade in beeindruckenden Sätzen und schönen Dokumenten gerade zu Beginn seiner Bücher. Fotos, Bilder von E. Schultz mit Schülern, seine Berufung zur Lehrerausbildung, der Studentenausweis, die Bemerkung auf dem Abgangszeugnis: „Egon Schultz hat hart an sich www.mittelhaus.com gearbeitet, und mit dem Lernen hat er es sehr ernst gemeint.“ Dann Bilder aus seiner Lehrerzeit, Unterrichtsentwürfe. Schließlich Briefe, Karten, der Aus- tausch zwischen Berlin, wo Egon stationiert wird und Michael Baade, der in Rostock Lehrer bleiben konnte, nicht einberufen wurde. Ein alter ND-Artikel, den Baade richtig stellen muss, ein Brief des „Uffz-Sch. Egon Schulz“ an die Schulklasse seines Freunds. Besonders schön ein postmortem Schreiben einer ehemaligen Schülerin „Erinnerungen an meinen Klassenlehrer Egon Schultz.“ Schließlich zeitgenössische und heutige Einbettungen in diese Ära der DDR, man- ches hautnah, bestechend historisch. telhaus Ich habe lange mit dem Autor gesprochen, ihn gefragt, warum dieses Buch: „Ich möchte, dass Egon nicht vergessen wird, ich möchte erinnern, daher der Titel der ersten Ausgabe. Ich möchte, dass mein Jugendfreund nicht vergessen wird.“ Und gegen Ende el Mit unserer Telefonate: „Ich möchte gerne Egons Weg entlang gehen – mit Dir.“ Ich hoffe, mit diesem Text Michael Baades Anliegen etwas gerecht zu werden. Micha Der traurige Anlass Dies ist ein Buch über den besten Freund des Autors, der frisch gebackener Junglehrer aus Rostock, als NVA-Soldat bei der Auf- deckung eines Tunnel-Fluchtunternehmens an der Berliner Gren- ze im Dienst 1964 erschossen wurde. Und zwar durch „friendly fire“, also Schüsse aus der Kalaschnikow eines Kameraden, die Der Titel der überarbeiteten Egon Schultz tödlich trafen. Trafen, als er nach einer schweren Neu-Auflage 2015 Verwundung durch den Schuss eines West-Berliner Fluchthelfers verwundet am Boden lag. In der DDR wurde das in einen glat- ten Mord durch die Fluchthelfer umgelogen, was – landesweit – immense Trauer, Beileid und Ehrungen des Verstorbenen auslöste. Bis 1994/2001 die Wahrheit herauskam, was Michael Baade veranlasste dieses Buch / diese Bücher zu schreiben und seinem toten Freund so ein Ehrenmal zu setzen. -2- Michael Mittelhaus Voltlage Gelesen Lieber...... ...........März 2018 Der Mensch und sein Lebensweg Der Autor bringt dem Leser den Menschen, den Lehrer, den Pädagogen, den Freund Egon nahe. Das macht er - wie fast im ganzen Buch - anhand zahlreicher Dokumente, Bildern, Biefe, Faksimiles, die viel Zeitgeist transportieren. Z.B. in den Briefen von Egon, wo er den Stumpfsinn beim Dienst in der NVA beklagt, oder seinen Freund Michael bittet, auf den Briefen, die dieser ihm in die Kaserne nach Berlin schickt, nicht „Genosse“ Egon Schultz zu schreiben. Mehr dazu im obigen Abschnitt „Biografisches“; dazu noch ein Brief eines ehemali- gen Kameraden von Egon: „Im Grunde war er Pazifist und hätte nie an der Grenze eingesetzt werden dürfen.“ www.mittelhaus.com Ost/West Ich muss eine erklärende Entschuldigung beim Autor einflechten: Ihn bewegt die Trauer um seinen Freund Egon und die Aufklärung der vom MfS der DDR begangenen groben Geschichts- fälschung. Wie er und alle anderen Menschen, die um Egon Schultz in echter Anteilnahme trauerten, betrogen wurden und das Opfer einen zweiten Tod starb. Oder wie M. Baade es (1. Auflage, S.247) ausdrückt: „Ist Egon Schultz nicht ein dreifaches Opfer? telhaus Unschuldig mit 21 Jahren getötet, in der DDR als Held geehrt und gefeiert, und nach der Wende wird sein Name (Straßen, Schulen, etc.)gelöscht.“ el Mit Eine Frage, die man gut versteht und nur mit „Ja“ beantworten kann. Mich aber bewegt mein eigenes Erleben aus der Perspektive eines West-Berliners aus die- Micha ser Zeit, der sich mit der Aufdeckung der wahren Geschichte des Egon sich von eige- nen, lange erhaltenen Mythen und Dogmen trennen muss. Das kommt oft genug nicht überein mit dem Erleben des Autors. Von daher, pardon Michael Baade, wenn meine, wohl persönlich geratene Rezension, mancherorts Ihren Intentionen widersprechen sollte. Schließlich bewegt mich vieles in dem Buch selbst als eigen erlebte Geschichte, nur eben von der anderen Seite der Mauer. So die Artikel über das erste Berliner Passierscheinabkommen, exakt in der Ära des Tods von E. Schultz liegend. Ich habe selbst mit meiner Mutter und mei- nem Bruder abwechseln ab morgens um 5:00 fast 6 Std. vor dem Passierscheinbüro in der Belzigerstr. in Berlin (West)-Schöneberg angestanden, um eine Besuchserlaubnis für meine in Lichtenberg (Berlin-Ost) wohnende Großmutter zu erhalten. Oft also für mich eine andere Geschichte als die, die der Autor erzählt, eine typische Ost/West Kluft. Auch eine Geschichte, die sich hier reflektiert, wenn ich lese, dass E. Schultz mit genau diesem Abkommen an der Grenze eingesetzt war, ob meine Mutter ihn gesehen hat? Wahrgenommen sicher nicht, für uns, von der „anderen Seite“ blieben die „Kontrollorgane“ und die NVAler stets anonym. -3- Michael Mittelhaus Voltlage Gelesen im...... ...........März 2018 Zeitgefühl Bermerkenswert finde ich die Art, wie M. Baade sich der Wirklichkeit nähert, die Zeitdoku- mente, Artikel, Bilder, Briefe, Zeugnisse echter Trauer. Aber auch das Eingehen auf andere Mauertote wie Reinhold Huhn, kaltblütig von einem Fluchthelfer ermordet und von der west- deutschen Justiz geschützt. Dazu gehören auch Zeitungsartikel damaliger westlicher Medien, die auch offenbaren, dass aus den (Mord-)geschichten der Fluchten und ihrer Helfer gut bezahlte Sensationsstories wurden - der Stern zahlte 25.000 DM für die Publikationsrechte zur Flucht durch den Tunnel 57, den Tunnel, an dessen östlichem Ende Egon Schultz starb. Den Rest www.mittelhaus.com des Unternehmens finanzierte die schon immer mit rechtsnatio- nalen Kreisen gut vernetzte Berliner CDU, die sich am Schusswaffengebrauch der so bezahlten Fluchthelfer wenig stör- te - gegen das verhasste „Zonenregimer“ waren im Grunde alle Mittel Recht. So kann sich der Rezensent gut daran erinnern, dass im Westen in dieser Zeit Fluchthelfer - auch bewaffnete - als Helden gefei- ert wurden. Da nimmt es - meinerseits - wenig Wunder, dass es telhaus meist gegen Fluchthelfer im Westen keine (ernsthafte) Strafverfolgung gab. So auch im Falle

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