„Natürliche Einheit Des Wissens“? Von Der Metaphysik Als Wissenschaft Zur Metaphysischen Naturwissenschaft

„Natürliche Einheit Des Wissens“? Von Der Metaphysik Als Wissenschaft Zur Metaphysischen Naturwissenschaft

Einheit des Selbstbewußtseins oder „natürliche Einheit des Wissens“? Von der Metaphysik als Wissenschaft zur metaphysischen Naturwissenschaft. Von der Philosophischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation von Christiane Müller, geboren am 14.04.1971 in Hannover 2013 Referent: Prof. Dr. Günther Mensching Korreferentin: Apl. Prof. Dr. Myriam Gerhard Tag der mündlichen Prüfung: 19. April 2013 Abstract In dieser Arbeit wird die Frage thematisiert, welche ursprüngliche Einheit der Erkenntnis besser geeignet ist die Existenz wissenschaftlicher Objektivität zu begründen: Die Einheit eines transzendentalen Selbstbewußtseins oder eine ontologische Welteinheit. Das Interesse an dieser formalen Frage ist dabei vor allem durch die Konsequenzen für eine objektive Bestimmung des Menschen motiviert, die aus der jeweiligen Einheitsvorstellung resultieren. Um diesen Zusammenhang darzustellen, wird die Transzendentalphilosophie Immanuel Kants mit verschiedenen Ansätzen verglichen, die sich alle unter dem Begriff „metaphysische Naturwissenschaft“ zusammenfassen lassen, es handelt sich dabei um den Monismus Ernst Haeckels, die Evolutionäre Erkenntnistheorie von Konrad Lorenz, Gerhard Vollmer und anderen sowie die Soziobiologie und ihren jüngsten Ableger, die Evolutionspsychologie. Anhand der berühmten vier Fragen Kants: „Was kann ich wissen?“, „Was soll ich tun?“, „Was darf ich hoffen?“ und „Was ist der Mensch?“ gliedert sich eine Untersuchung, die am Ende aufzeigen wird, daß die vermeintlich moderneren Autoren keine „Revision der Transzendentalphilosophie“ (Vollmer) im „Lichte der gegenwärtigen Biologie“ (Lorenz) vollziehen, sondern tatsächlich bloß hinter den von Kant im 18. Jahrhundert erreichten Stand in der Erkenntnistheorie zurückfallen und damit letztlich einem „Menschenbild“ Vorschub leisten, das in seiner Willkürlichkeit und Relativität einen angestrebten „biologisch untermauerten Humanismus“ (Pinker) ad absurdum führt. Demgegenüber macht Kants (viel ältere) Herangehensweise es möglich, einen Begriff des Menschen zu gewinnen, der formale Strukturkriterien aufweist, denen man durchaus objektive Geltung zusprechen kann, nämlich: Spontaneität des Verstandes, Autonomie der Vernunft und das Vermögen einer reflektierenden Urteilskraft. Hieraus werden dann drei weitere menschliche Fähigkeiten begründbar: Verantwortung, Menschenwürde und kultureller Fortschritt. Die „kopernikanische Wende“, die Kant mit der Hinwendung zur Vernunftkritik vollzogen hatte, erweist sich so als tragfähiger, als der Anspruch der „Entanthropomorphisierung unseres Weltbildes“, der von Lorenz und Vollmer erhoben worden ist, sowohl für die Begründung wissenschaftlicher Objektivität als auch für die (Selbst-)bestimmung des Menschen mit all ihren Folgen. Abstract In this thesis the question is focused, what original unity of cognition is more qualified to found the existence of scientifical objectivity: the unity of a transcendental self- consciousness or the ontological unity of a world in itself. The interest in this formal question is mainly motivated by the consequences, which result from the two conceptions of unity, for an objective definition of humanity. For the explanation of this context the transcendental philosophy of Immanuel Kant is compared to different conceptions, which all could be summed up under the term “metaphysical natural science”, these are: the monism of Ernst Haeckel, the evolutionary epistemology of Konrad Lorenz, Gerhard Vollmer and others as well as the sociobiology of Edward O. Wilson and its latest offspring, the evolutionary psychology. With the famous four questions of Kant: “What can I know?”, “What shall I do?”, “What may I hope?” and “What is man?” an inquiry is structured, which will show at its end that the, pretended more modern authors are not able to make a “revision of transcendental philosophy” (Vollmer) in “the light of currant biology” (Lorenz), instead of that, they fall behind the stance in epistemology, which was achieved by Kant in the 18 th century. So, in consequence, they create a representation of humanity that, in its arbitrariness and relativity, shows the absurdity of a project like a “biological based humanism” (Pinker). In contrast to this, Kants (much older) conception makes it possible to gain a concept of man, which shows formal criterias of structure that can have objective validity, these are: spontaneity of understanding, autonomy of reason and the faculty of a reflecting power of judgment. The following three human abilities are founded by those: responsibility, man’s dignity and cultural progress. As a result of this inquiry it can be maintained that the “Copernican turn”, that Kant performed with the concentration on the critique of reason, is more valid than the claim of a “De-anthropomorphizing of our worldview”, which was raised by Lorenz and Vollmer, as well as for the founding of scientific objectivity as for a (self-)definition of man with all its consequences. Key words: Transcendental Philosophy, Evolutionary Epistemology, human nature Schlüsselworte: Transzendentalphilosophie, Evolutionäre Erkenntnistheorie, menschliche Natur Inhalt 1 Einleitung............................................................................................................ 1 2 Metaphysische Implikationen des Evolutionsbegriffs........................................ 22 2.1 Kurzer Abriß der Evolution von Evolutionstheorien.......................................... 24 2.2 Transzendentalphilosophische Analyse des Evolutionsbegriffs......................... 43 2.2.1 Warum Evolution kein reiner Vernunftbegriff sein kann................................... 44 2.2.2 Der Evolutionsbegriff kann als Prinzip der reflektierenden Urteilskraft betrachtet werden ............................................................................................... 47 3 „Was kann ich wissen?“ Zum Problem der Vermittlung von Denken und Sein 55 3.1 Metaphysik.......................................................................................................... 55 3.1.1 Vorkantische Ideengeschichte: Descartes, Locke, Hume................................... 56 3.1.2 Kant..................................................................................................................... 66 3.2 Metaphysische Naturwissenschaft...................................................................... 75 3.2.1 Ernst Haeckel: Das biogenetische Grundgesetz und die ontogenetische Manifestation von phylogenetisch erworbenen Erkenntnisstrukturen................ 77 3.2.2 Konrad Lorenz: Kants Begriff des Apriorischen im Lichte gegenwärtiger Biologie............................................................................................................... 86 3.2.3 Gerhard Vollmers Erkenntnisproblem: „empirische Ontologie“ versus „hypothetischer Realismus“................................................................................ 93 3.3 Ontologische Einheit der Natur und die „Entanthropomorphisierung unseres Weltbildes“.......................................................................................................... 104 4 „Was soll ich tun?“ Zum Problem der Vermittlung von Sein und Sollen........... 108 4.1 Metaphysik, oder Freiheit und praktische Vernunft............................................ 110 4.2 Metaphysische Naturwissenschaft ..................................................................... 116 4.2.1 Die evolutionäre Relativierung von Ethik führt zu ihrer Destruktion als vernünftiges Prinzip............................................................................................ 123 4.2.2 Die „Biologisierung“ des kategorischen Imperativs erfordert zwingend das Postulat einer metaphysischen Weltvernunft...................................................... 126 4.2.3 „Wenn Ist nicht Seinsollendes ist, was dann?“................................................... 130 5 „Was darf ich hoffen?“ Zum Problem der Vermittlung von Kausalität und Zweck.................................................................................................................. 139 5.1 Metaphysi k. Zur Kritik der Urteilskraft.............................................................. 140 5.2 Metaphysische Naturwissenschaft...................................................................... 145 5.2.1 Naturwissenschaftliche Evolutionstheorie, der Zufall und die Teleonomie....... 146 5.2.2 Die Evolution der lebenden Materie................................................................... 150 5.2.3 Evolution, Fortschritt und Kultur........................................................................ 157 6 „Was ist der Mensch?“........................................................................................ 160 6.1 Die Wandelbarkeit des Abbildes der menschlichen Natur. Oder, wie man niemals einen formalen Begriff des Menschen gewinnen kann.......................... 163 6.1.1 „Hypothetischer Realismus“ und „Menschenbild“............................................. 164 6.1.2 „Empirische Ontologie“ und „menschliche Natur“............................................. 166 6.1.3 Die „menschliche Natur“ als Kampfbegriff. Zur Denunziation des vernünftigen Handelns........................................................................................ 168 6.2 Zur inhaltlichen Konsequenz eines Inbegriffs des Menschseins......................... 174 7 Das Problem der Einheit.....................................................................................

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