Teil 5B. Öl Statt Nektar – Die Ölblumen (Dikotyle Vertreter) Anton Weber, Günter Gerlach & Stefan Dötterl

Teil 5B. Öl Statt Nektar – Die Ölblumen (Dikotyle Vertreter) Anton Weber, Günter Gerlach & Stefan Dötterl

Die großen wissenschaftlichen Leistungen von Stefan Vogel (1925–2015) Teil 5b. Öl statt Nektar – die Ölblumen (dikotyle Vertreter) Anton Weber, Günter Gerlach & Stefan Dötterl Abstract In the course of evolution, oil flowers originated in 11 plant families, and even within these families oil flowers often evolved in parallel in several subgroups or genera. Based on the morphological analyses and pollination observations of Stefan Vogel, in the present article significant representatives out of the dicotyledons are treated. With one exception, all families are of tropical or subtropical provenience. The exception are Primulaceae, in which about 40 % of the species in the genus Lysimachia offer fatty oil as a floral reward. Oil-offering species of Lysimachia exhibit a holarctic distribution, with a few species occurring also in Central Europe. Pollination is by bees of the highly specialised genus Macropis (Melittidae). Zusammenfassung Ölblumen haben sich im Laufe der Evolution in 11 Pflanzenfamilien entwickelt und selbst innerhalb dieser Familien sind sie oft mehrfach und voneinander unabhängig entstanden. Im vorliegenden Artikel werden, aufbauend auf den morphologischen Ana- lysen und Bestäubungsbeobachtungen von Stefan Vogel, wichtige Vertreter der Dikotyledonen vorgestellt. Die Familien sind meist tropisch- und subtropischer Provenienz. Eine Ausnahme bilden die Primulaceae, in der etwa 40 % der Arten der Gattung Lysimachia fettes Öl als florales Attraktans anbieten.Lysimachia bzw. ihre ölblütigen Vertreter haben eine holarktische Verbreitung und sind mit einigen wenigen Arten auch in Mitteleuropa vertreten. Die Bestäubung erfolgt durch hochspezialisierte Bienen, den sogenannten Schenkelbienen (Macropis, Melittidae). 1. Einführung Die bekannteste Art ist A. angustifolia aus Brasi- Im Folgenden werden in Kurzform alle Familien lien, die bei uns oft als Zierpflanze in zahlreichen der Dikotyledonen behandelt, die zur Gänze oder Farbvarianten gezogen wird. partiell Ölblumen enthalten. Die Reihenfolge richtet sich grob nach der Chronologie der Ent- deckung und Erforschung, nur Lysimachia, also jene Gattung, die auch mitteleuropäische Vertreter mit Ölblumen beinhaltet, wird an das Ende ge- stellt. Die Monokotyledonen werden in der nächs- ten Ausgabe dieser Zeitschrift behandelt. 2. Plantaginaceae: Angelonia, Basistemon, Monopera, Monttea Angelonia-Arten, die im Botanischen Garten der Universität Mainz kultiviert wurden, bilde- ten den Ausgangspunkt für die Entdeckung und Erforschung der Ölblumen. Tatsächlich handelt es sich bei Angelonia um eine hochinteressante Gattung, zu der Vogel und seine Schüler immer wieder zurückgekehrt sind. Verschiedene Aspekte wurden in nicht weniger als 13 Publikationen und Tagungsbeiträgen behandelt (z. B. Vogel 1974, 2002, Vogel & Machado 1991, Machado et Abb. 1: Ölblumen der Gattung Angelonia (Plantaginaceae). al. 2002). A-C: A. pubescens, D-F: A. integerrima, G-J: A. angustifolia. Blüte jeweils in Vorder- und Rückenansicht sowie längs geschnitten, der sackartige Sporn in B, C, F, H und J auf- Die Gattung Angelonia umfasst etwa 30 Arten, geschnitten und den Elaiophor zeigend; ka: Lippenkallus, sp: die von Mexiko bis Argentinien verbreitet sind. Sporn. (aus Vogel 1974, Abb. 10) 48 Abb. 2: Blüte von Angelonia pubescens (Plantaginaceae) in Abb. 3: Die Biene Centris brethesii (Apidae-Apinae-Centri- Rückenansicht; der rechte sackartige Sporn ist aufgeschnitten dini) beim Blütenbesuch von Monttea aphylla (Plantagina- und zeigt den aus dicht gestellten Öldrüsen bestehenden ceae). (Foto: A. A. Cocucci; Argentinien, Prov. La Rioja, Elaiophor (Trichom-Elaiophor). Vgl. dazu auch Abb. 1B. Tambillos, Los Tambillos). (Foto: G. Gerlach; Brasilien, Edo. Ceará, Fortaleza). Die Blüte hat auf der Rückseite zwei sackartige veröffentlicht wurde (Vogel 2002b). Er kann Ausstülpungen, in der sich je ein grünlich gefärbter im Internet unter der Adresse https://av.tib.eu/ Trichom-Elaiophor befindet. Er liegt an der fast media/15808 abgerufen werden. senkrecht gestellten Vorderwand der Ausstülpung und besteht aus dicht gestellten Drüsenhaaren mit Neben Angelonia sind bei den Plantagina- länglichen, mehrzelligen Köpfchen. ceae noch drei weitere Gattungen mit Ölblu- men gefunden worden: Basistemon (8 Arten), Die Beobachtung der Bestäubung gelang Monopera (2 Arten) und Monttea (3 Arten). An Vogel erstmals am 11. September 1964 an der Erforschung ihrer Ökologie und Bestäubung Angelonia biflora (Vogel 1974). Er konnte zwei sind die beiden argentinischen Schüler Vogels, Bienenarten feststellen, die zur Gattung Centris Alicia N. Sérsic und Andrea A. Cocucci, gehören: C. trigonoides und C. fuscata. Wie Vogel wesentlich beteiligt. Basistemon wurde eingehend mitteilt, näherten sie sich in rasantem Anflug den von Vogel & Cocucci (1995) studiert, wobei Blüten, landeten auf der Unterlippe, schlüpften Paratetrapedia-Arten als Hauptbestäuber fest- zur Hälfte in den Schlund, schabten mit den gestellt werden konnten. Für Monopera liegt Vorderbeinen das Öl aus den Ausstülpungen und bisher nur die Beobachtung vor, dass Caenono- führten in einem kurzen Schwebeflug Höselbe- mada bruneri als Bestäuber in Erscheinung tritt wegungen durch. (Aguiar & Melo 2009). Die Ölblütigkeit von Monttea wurde von Simpson et al. (1990) ent- Man muss nicht nach Südamerika reisen, um deckt, strukturelle und funktionelle Besonder- die Bestäubung von Angelonia zu sehen. Man kann heiten wurden später eingehend von Sérsic & dies bequem vor dem Bildschirm oder am Smart- Cocucci (1999) studiert. Tadey (2011) konnte phone tun: Zusammen mit einem professionellen als Bestäuber von Monttea aphylla drei Bienen- Filmteam drehte Vogel 1992 einen Dokumentar- arten beobachten, Mesonychium jenseni, Centris und Lehrfilm, der 2002 unter dem Namen „Be- brethesi und Centris vardyorum, wobei letztere auf stäubung von Angelonia hirta (Scrophulariaceae)“ Monttea spezialisiert ist. 49 3. Calceolariaceae: Calceolaria Untersuchungen stellte sich jedoch heraus, dass die Die Pantoffelblumen sind wegen ihrer aparten, Calceolarien nichts mit den Scrophulariaceen zu meist leuchtend gelben Blüten, deren Unterlippe tun haben und in eine eigene Familie, Calceola- schuhförmig aufgeblasen ist, beliebte und allge- riaceae, gestellt werden müssen, die zwischen den mein bekannte Zierpflanzen. Ihre Artenzahl wird Ölbaumgewächsen (Oleaceae) und den Gesneria- meist mit etwa 250–270 angegeben, doch gibt ceen steht (Olmstead 2001). Später wurde Po- es auch weitaus höhere Schätzwerte. Die Haupt- rodittia in Calceolaria eingegliedert (Andersson verbreitung hat die Gattung in den Anden, nach 2006). Blütenentwicklungsgeschichtliche Unter- Süden reicht sie bis zur Südspitze Südamerikas, suchungen zeigten, dass die Blüte aus Zweier-Wir- nach Norden hin gibt es auch in Mittelamerika teln aufgebaut ist und nicht von einem 5-zähligen und im südlichen Mexiko noch zahlreiche Arten. Bauplan hergeleitet werden kann (Mayr & Weber 2006). Die Blüte ist in der Grundstruktur viel eher Der Bauplan der Blüte ist komplex und wurde mit den Blüten der Ölbaumgewächse (Oleaceae) lange Zeit missverstanden. Der Kelch ist vierzäh- als mit den Scrophulariaceen in Beziehung zu set- lig, die Krone 2-lippig (ohne weitere Gliederung), zen, was perfekt zu den molekularen Daten passt. Staubblätter sind zwei vorhanden und der halb- unterständige Fruchtknoten ist aus 2 Karpellen Schneidet man den Schuh einer Calceola- aufgebaut. Man hat den Blütenbau traditionell als ria-Blüte längs durch, sieht man, dass er nicht Reduktionsform und Modifikation des 5-zähligen hohl bzw. leer ist (wie etwa beim Frauenschuh). Bauplanes der Braunwurzgewächse (Scrophula- Der apikale Teil der Unterlippe ist um- und in riaceae) interpretiert und angenommen, dass von den Schuh hineingeschlagen. Bei vielen Arten den 5 Kelchzipfeln die beiden unteren verwachsen trägt dieser Lappen einen einzigen, aus dicht ge- seien, die beiden Lippen der Krone aus 2 bzw. stellten Drüsen bestehenden Elaiophor auf der 3 miteinander verwachsenen Blütenblättern be- Unterseite. Dabei ist zu betonen, dass die topo- stünden, und die beiden Staubblätter Reste eines graphische Unterseite nicht, wie bei Angelonia und ursprünglich 5-zähligen Androeceums darstellen Diascia, die Innenseite des betreffenden Kronblatt- würden (wie das bei vielen Scrophulariaceen tat- abschnittes repräsentiert, sondern die morpho- sächlich der Fall ist). Grund genug jedenfalls, Cal- logische Außenseite. Noch häufiger ist, dass der ceolaria und zwei weitere Gattungen, Jovellana und in den Schuh ragende Lappen stark verlängert und Porodittia (= Stemotria), zu den Scrophulariaceen innerhalb des Schuhs nochmals umgeschlagen ist. zu stellen. Auf Grund molekular-phylogenetischer Die beiden Lappen bilden ein Tasche oder Falte, und das ist der Ort, an dem der Elaiophor (wiede- rum an der morphologischen Außenseite) gelegen ist. Wie schon erwähnt, muss die Biene oft ein akrobatisches Kunststück vollführen, um sich in die Blüte hineinzuzwängen und das Öl mit den Beinen abzusammeln. Bei einigen Calceolaria-Ar- ten ist ein Schlagbaum-Mechanismus nach Art des Wiesensalbeis vorhanden. Anlässlich seiner Südamerika-Reise 1969/70 konnte Vogel von Anfang Dezember bis Ende Februar ein Dutzend Calceolaria-Arten am Stand- ort (argentinische Kordillere) studieren und den Bestäubungsvorgang aufklären. Als Bestäuber Abb. 4: In der etwa 270 Arten umfassenden Gattung Cal- Centris Ta - ceolaria (Calceolariaceae) bieten mehr als 200 Arten Öl als konnte er Bienen der Gattungen und florales Attraktans an. Im Bild Calceolaria irazuensis. (Foto:

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