Hohenzollerische Heimat Jg49 1999

Hohenzollerische Heimat Jg49 1999

E 3828 HOHENZOLLERISCHE Herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein HEIMAT 49. Jahrgang Nr. 1 / März 1999 Der Übergangskreistag für den neuen Landkreis Sigmaringen am Eingang der Kreisberufsschule in Meßkirch am 27. April 1973. Vorlage: Kreisarchiv Sigmaringen. EDWIN ERNST WEBER: Die Entstehung des »Großkreises« Sigmaringen vor 25 Jahren Der Landkreis Sigmaringen in seiner heutigen Gestalt Bereich Sigmaringen-Saulgau-Pfullendorf-Meßkirch, wo konnte am 1. Januar 1998 seinen 25. Geburtstag feiern. Das bis 1973 die »äußeren« Kreisgrenzen noch immer mit den - abgesehen von gelegentlichen Reibereien und kleineren zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwischen dem Königreich Rivalitäten - zumeist einvernehmliche und kooperative Zu- Württemberg, dem Großherzogtum Baden und dem Für- sammenwirken der im Landkreis zusammengeschlossenen stentum Hohenzollern-Sigmaringen gezogenen Landes- 25 Städte und Gemeinden mit ihren etwa 130 000 Bewoh- grenzen identisch waren. nern im zurückliegenden Vierteljahrhundert hat weitge- hend vergessen lassen, unter welch massiven politischen Für den seit 1952 im gemeinsamen Bundesland Baden- Auseinandersetzungen und Erschütterungen der neue Ver- Württemberg zusammengeschlossenen deutschen Südwe- waltungsbezirk zu Beginn der 1970er Jahre zustande ge- sten war dabei die Kreisreform von 1972/73 bereits die kommen ist. Wohl an nur wenigen Brennpunkten in Baden- zweite Gebietsneugliederung innerhalb von nur wenigen Württemberg war seinerzeit die von der damaligen CDU- Jahrzehnten: Im damaligen preußischen Regierungsbezirk SPD-Koalition unter Ministerpräsident Hans Filbinger der Hohenzollerischen Lande waren 1925 die Oberämter betriebene große Kreisreform derart heiß umstritten wie im Sigmaringen und Gammertingen zum Landkreis Sigmarin- gen und die Oberämter Hechingen und Haigerloch zum Sigmaringen und mit diesem an die Region Oberschwa- Landkreis Hechingen vereinigt worden. Die badische Ge- ben/Ravensburg sammelt. »Wir haben nicht zwischen Bibe- bietsreform von 1936 hatte den bisherigen Amtsbezirk rach und Sigmaringen, sondern zwischen Ulm und Ravens- Pfullendorf zu Uberlingen und den Amtsbezirk Meßkirch burg zu wählen. Diese Entscheidung kann nur Ravensburg zu Stockach geschlagen, und die württembergische Verwal- heißen, wenn wir auch in Kauf nehmen müssen, daß der tungsneugliederung von 1938 schließlich brachte die Zu- Weg dorthin zunächst über Sigmaringen geht«, heißt es in sammenlegung der Oberämter Saulgau und Riedlingen zum einem Flugblatt der Bürgerinitiative. Im Großkreis Bibe- neuen Landkreis Saulgau. Obgleich alle diese von »oben« rach wäre das am Rande gelegene und des größten Teils sei- verordneten Gebietsreformen zumal bei vielen Bewohnern nes Umlandes beraubte Saulgau das fünfte Rad am Wagen, der aufgelösten Bezirke zunächst auf beträchtliche Vorbe- während die Stadt bei Sigmaringen ihren Verflechtungs- halte gestoßen waren und in den neuen Landkreisen ein und Nahbereich erhalten und überdies eine angemessene unübersehbarer Dualismus zwischen den neuen »Kreis- Rolle im Kreis-Konzert spielen könne. Bereits am 4. Febru- hauptstädten« und den früheren Amtsstädten herrschte, ar trifft sich der Saulgauer Gemeinderat, der sich noch im entwickelte sich in den neugeschaffenen Verwaltungsbezir- Dezember des Vorjahres mit 16 gegen eine Stimme für den ken erstaunlich rasch ein intensives Gemeinschafts- und Anschluß an Biberach ausgesprochen hatte, in Ostrach zu Zusammengehörigkeitsgefühl. Dazu trug in hohem Maße einem ersten Informationsgespräch mit dem Sigmaringer sicherlich die gemeinsam bewältigte Notzeit in den Kriegs- Kreisrat, und am 18. März stimmt das Stadtparlament in ei- und Nachkriegsjahren bei. ner Sitzung von seltener Dramatik mit zehn gegen sechs Stimmen für die Zuordnung zum künftigen Großkreis Sig- maringen. »Wir sollten dahin gehen, wo die meisten Freun- Der Kampf um den Landkreis Saulgau de sitzen«, rechtfertigt Bürgermeister Günther Strigl den Vor diesem Hintergrund stießen die im neuen Bundesland Sinneswandel und sieht nunmehr bei Sigmaringen weitaus Baden-Württemberg bereits seit der Mitte der 1950er Jahre bessere Entfaltungs- und Gestaltungschancen für seine diskutierten Pläne für eine neuerliche Kreisreform allent- Stadt als bei Biberach. Vergeblich bleibt die Intervention halben auf entschiedenen Widerstand in den Landkreisen. von Stadtrat Blank, der sich gegen den »lebensschwachen« Es bedurfte der Durchsetzungskraft einer Großen Koaliti- Kreis Sigmaringen ausspricht, der nur seiner Tradition we- on von 1966 bis 1972, um in der Reformeuphorie jener Jah- gen aufrechterhalten werden solle und dem Saulgau zum re eine radikale Neueinteilung der Verwaltungsbezirke Auffüllen diene. weitgehend ohne Rücksicht auf historisch gewachsene Zu- sammenhänge und Zugehörigkeiten durchzusetzen. Ein Nahezu zeitgleich zu Saulgau kippt auch in zahlreichen 1969 vorgelegtes Denkmodell der Landesregierung (sog. Umlandgemeinden der Stadt die Stimmung zugunsten eines Krause- oder 25er-Modell) hatte sogar eine Reduzierung Anschlusses an Sigmaringen um. Nachdem sich auch in der von bisher 63 auf 25 Landkreise vorgesehen und in unserem Göge eine Pro-Sigmaringen-Bürgerinitiative gebildet hatte Raum die Bildung der Großkreise Sigmaringen-Saulgau, und binnen kurzer Frist an die 1000 Unterschriften zusam- Konstanz-Stockach-Uberlingen, Ravensburg-Tettnang- mengekommen waren, sprechen sich zwischen Ende Febru- Wangen sowie Ulm-Biberach-Ehingen vorgeschlagen. In ar und Anfang April 1971 die Gemeinden Bremen, Hohen- Saulgau und zumal beim dortigen Landrat Dr. Wilfried tengen-Beizkofen, Oelkofen, Günzkofen und Ursendorf Steuer stieß dieser Plan einer Fusionierung mit dem hohen- und sodann auch Herbertingen und Marbach bei Bürgeran- zollerischen Nachbarkreis Sigmaringen sowie kleineren hörungen oder Gemeinderatsbeschlüssen mit großer Mehr- Teilen der Kreise Stockach (Raumschaft Meßkirch/Stetten heit für ein Zusammengehen mit Sigmaringen aus. Der Son- a. k. M.), Ehingen und Münsingen (Bereich Zwiefalten) so- derausschuß des Landtags für die Verwaltungsreform und fort auf massive Ablehnung. In wiederholten Entschließun- sodann auch das Landesparlament selbst respektieren die- gen des Kreistags sowie zahlreicher Gemeinderäte sprach sen Meinungsumschwung und weisen den Mittelbereich man sich statt dessen für den Erhalt des Landkreises Saulgau Saulgau nebst der Göge und dem Raum Herbertingen dem in seiner bisherigen Gestalt oder aber, falls dies nicht mach- künftigen Großkreis Sigmaringen zu. Landrat Dr. Steuer bar sein sollte, für einen Zusammenschluß mit Biberach zu bleibt nur die verbitterte Klage über die zu einem erhebli- einem »mitteloberschwäbischen« Großkreis aus. Zwei im chen Teil selbstverschuldete Auflösung und Vierteilung des Juli 1970 vorgelegte Kommissions-Gutachten (Dichtel- Kreises Saulgau, dessen Gemeinden auf die neuen Kreise Bi- bzw. Reschke-Gutachten) trugen dieser Stimmung Rech- berach, Sigmaringen, Ravensburg und Reutlingen aufgeglie- nung und sahen im Gesamtzusammenhang von nunmehr dert werden. insgesamt 38 bzw. 36 Landkreisen einen Großkreis Bibe- rach-Saulgau sowie einen Großkreis Sigmaringen einsch- Strittige Zuordnung des oberen Linzgaus ließlich des württembergischen Mengen sowie der badi- schen Raumschaften Pfullendorf und Meßkirch vor. Aller- Von kaum geringerer Brisanz und Dramatik ist das Kreisre- dings sollten nach den beiden Gutachten sämtliche neuen form-Geschehen im oberen Linzgau: Nachdem der Nord- Kreise in insgesamt 12 bzw. 13 Regionalverbände mit weit- teil des bisherigen Landkreises Überlingen zunächst dem reichenden Planungszuständigkeiten integriert werden - im geplanten Großkreis Konstanz-Überlingen-Stockach und Fall von Biberach-Saulgau sollte dies die Region Donau- sodann dem neu zu bildenden Seekreis Friedrichshafen zu- Riß mit Sitz in Ulm und im Fall von Sigmaringen die Regi- geordnet werden soll, kommt es in Pfullendorf im Frühjahr on Oberschwaben/Ravensburg sein. 1971 zu einem nach Auffassung vieler Umlandgemeinden »urplötzlichen« Meinungsumschwung und zu einem Ge- Eben diese Zuordnung nach Ulm, die Anfang 1971 in einer meinderats-Votum zugunsten eines Anschlusses an Sigma- Stuttgarter Regierungsvorlage übernommen wird, läßt in ringen. Ähnlich wie die Saulgauer sehen auch die Pfullen- der Stadt Saulgau sowie den benachbarten Göge-Gemein- dorfer im neuen Kreis Sigmaringen bessere Mitbestim- den einen »Bürgeraufstand« ausbrechen, wie ein Zeitungs- mungs- und Entfaltungschancen als an der Peripherie des bericht aus jenen hektischen Wochen vermeidet. Ende Janu- Seekreises. Ein Teil der Umlandgemeinden will diesen Pful- ar 1971 bildet sich in Saulgau eine Bürgerinitiative, die in- lendorfer Schwenk gen Sigmaringen indessen nicht mitma- nerhalb kürzester Zeit 1250 Unterschriften für einen chen und fühlt sich von der Stadt »überfahren«. Hattenwei- Anschluß der Stadt und ihres Umlandes an den neuen Kreis ler und Taisersdorf halten weiterhin am Seekreis fest, und 2 5obctt3oUcrtföc taube ^ Mitteilungen aus dem Geschichtsverein ker vor 90 Jahren in Straßburg. Im Anschluß an die Ver- anstaltung folgt ein Stehempfang. Prof. Dr. Schneider lehrt am Institut für Geophysik der Veranstaltungen im 2. Quartal 1999 Universität Stuttgart und ist ein international angesehe- ner Erdbebenforscher. I. Mitgliederversammlung III. Exkursion Die Jahresversammlung des Hohenzollerischen Ge- Der Hohenzollerische Geschichtsverein veranstaltet am schichtsvereins e.V. findet am Montag, 10. Mai, um 18.30 Samstag, 12. Juni, eine Ganztagesexkursion zur Ausstel- Uhr im Spiegelsaal des Prinzenbaus (Staatsarchiv)

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