ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Göttinger Naturkundliche Schriften Jahr/Year: 2005 Band/Volume: 6 Autor(en)/Author(s): Knolle Friedhart Artikel/Article: Die Naturhöhle Lehmschacht bei Bad Grund/Harz als Geotop und Biotop 203-210 Göttinger Naturkundliche Schriften 6, 2005: 203-210 © 2005 Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen Die Naturhöhle Lehmschacht bei Bad Grund/Harz als Geotop und Biotop F r i e d h a r t K n o l l e The natural cave “Lehmschacht” (Index No. 4127/44 of Lower Saxony Speleological Index) in the extension area of the Winterberg limestone quarry is an extraordinary important geotope, bat hibernation cave and FFH biotope in the Iberg-Winterberg karst near Bad Grund in the Lower Saxony part of the Harz Mts. The Lehmschacht cannot be replaced by all means of biotope management. 1 Lage und Höhlenbeschreibung und frei hängenden Seilverlauf ermöglicht. Unterhalb der Umsteigstelle geht der Der Eingang des Lehmschachtes befindet sich Schacht wieder in senkrechten Verlauf über, am Iberg-Westhang bei Bad Grund knapp süd­ der zu einer weiteren Umsteigstelle zwingt. Hier lich des Hüppelweges, der zwischen Iberg und bei fast 40 m Tiefe zweigt, zunächst an eine Winterberg verläuft, in 519 m ü. N N . Den Parallelspalte gebunden, der Korallengang ab; Einstieg markiert eine steilwandige Pinge, die an seinen Wänden sind devonische Riff-Fossi­ mit einem Höhlenverschluss gesichert ist und lien herausgewittert. Hier fanden sich hölzerne einer etwa mit 140780° E streichenden Kluft Relikte des historischen Bergbaus - Balken, eine folgt, an der die Höhle angelegt ist. Direkt un­ Fahrt und eine Bühne. Offenbar sind Bergleu­ terhalb des Eingangs befindet sich eine kleine te dem natürlichen Schacht bis in diese Tiefe bergbaulich ausgeräumte Kammer; große gefolgt und haben hier den aus verwitterten Kalzitkristalle eines hydrothermalen Ganges lie­ Eisenerzen bestehenden Höhlenlehm ausge­ ßen die Bergleute hier Eisenerz vermuten. räumt, griffen aber auch die hier an mehreren Unterhalb der Kammer erweitert sich der Stellen anstehenden Gangerze an. Im hinteren Schacht und führt mit etwa 80° Neigung nach Gangteil ist die alte Sinterdecke über den berg­ unten; die Breite beträgt ca. 1.5 - 2 m. Dieser baulich herausgekratzten Lehmen noch erhal­ erste Schachtteil wird in 20 m Tiefe von einer ten. Am Gangende kann man noch einige Meter Verengung abgeschlossen, an der sich einem kreisrunden phreatischen Gang folgen, Versturzblöcke verfangen haben. Der anschlie­ bis er zu eng wird. Bemerkenswert sind gut ßende, etwas engere Schachtteil leitet in 30 m erhaltene, teilweise kristallklare Sinterbildungen. Tiefe in einen Überhang; der Schachtverlauf Wieder am Beginn des Korallenganges, hat knickt jetzt nach SE zurück. Hier befindet sich man einen eindrucksvollen Blick in die 15m eine Umsteigstelle, die einen sicher geführten tiefer liegende Halle des Englischen Doms - 203 Abb. 1: Grund- und Längsriss des Lehmschachtes (nach Kempe 1971, ergänzt durch U. Fricke) 204 benannt nach den Entdeckern dieser Teile des Englischen Dom wieder zum Vorschein und Lehmschachtes. Dessen Boden aus Versturz- fließt in einer kleinen Rinne an der Westwand blöcken und Balkenresten liegt in 55 m Tiefe der Halle nach SE. An der Ostwand liegt ein und fällt nach NW zu einem kleinen Gang ab, bis zu zwei Meter hoher Rücken aus feinem der bis - 60 m Tiefe reicht. Die Fortsetzung ist Lehm, dessen Kamm der darüber liegenden verschwämmt - ein kleines Sickerwassergerinne Hauptkluft folgt - offenbar also Ablagerun­ verschwindet hier. Die Decke des Ganges ist gen aus Sickerwässern dieser Kluft. An der von drei Klüften bestimmt, zwischen denen Westwand und auf der Sohle davor liegen zackige Mittelrippen stehen geblieben sind. An Trümmer von Wandsintern, die sich in einem der Decke des Domes sind Schwerspatnester fortgeschrittenem Stadium der Auflösung be­ angeschnitten. finden. Im Gerinne sind abgerollte Kalke und Auch der Englische Dom ist in seiner Aus­ Gangmineralien zu finden. Korrosive dehnung durch Klüfte bestimmt. Eine östli­ Sickerwässer haben hier alte Sinterpartien wie­ che leitet in den nach unten führenden Gang, der zur Auflösung gebracht; an mehreren Stel­ eine mittlere zieht in den Schacht hinauf und len ist der Formenschatz des Korallenriffes deut­ eine westliche bildet die Wand des Domes. In lich herausgewittert. Auch feinste mineralische der südlichen Ecke des Domes fuhrt diese Spal­ Kluftfüllungen ragen bis zu einem Dezimeter te in Form eines engen Kamines (Hensler-Ka- in den Raum hinein. Im Bodenbereich der min, benannt nach dem britischen Entdecker) Lehmsedimente findet man durch Tropfwasser weiter nach unten. Sie ist gleichmäßig geformt entstandene Lehmpyramiden, die durch seit­ und stößt in 65 m Tiefe auf eine horizontal lich wegspritzende Tropfen teilweise waagerecht laufende Erweiterung der gleichen Spalte. Von in die Tropfstelle hineinragen. dieser Spalte, in der gerade zwei Personen Platz Am Ende der Halle senkt sich die Decke bis finden, zweigt rechtwinklig eine Erweiterung auf den Lehm, nur das Rinnsal hat sich eine mit dem Einstiegsloch zur Unteren Halle ab. kleine Öffnung freigehalten - eine Spalte, in Die Drahtseilleiter bzw. das Seil, die man tun­ der das Wasser verschwindet, zieht weiter in lichst oben im Englischen Dom einbindet, hän­ den Berg. Wenn die Spalte in der Halle einen gen danach auf 5 m Länge frei im Raum. alten Canon darstellt, müßte es hier eine Diese Halle war lange Zeit der größte be­ Höhlenfortsetzung geben, die durch Graben kannte Einzelhohlraum im Iberg. Sie ist ca. 40 freigelegt werden könnte. m lang und 10 m breit, die Höhe beträgt im Auch die Untere Halle scheint das Produkt Schnitt 5 m, jedoch gehen Kamine an den von korrespondierenden Sickerwässern zu sein, Deckenklüften sehr viel höher hinauf. Von die mehrere parallel streichende Spalten bis zur Norden her ergießt sich ein großer Versturzberg Auflösung der Zwischenwände erweiterten. in die Halle, möglicherweise eine frühere Ver­ Ebenso ist auch der Schacht auf die Korrosion bindung zum Englischen Dom verschüttend. von Sickerwässern zurückzuführen. Spärliche Über den Versturz kann man in eine Decken­ Wandsinter und kleine Stalaktiten gibt es nur spalte klettern, die aber bald verstürzt ist. Diese an wenigen Stellen. Spalte setzt sich in Mäandern an der Hallen­ decke nach Süden fort; möglicherweise han­ delt es sich um den oberen Teil eines Canons. Der Abfluss müsste dann nach SE erfolgt sein, unter dem Iberg hindurch in Richtung Teufels­ tal. Am Fuß der Versturzmassen kommt wahr­ scheinlich das Sickerwassergerinne aus dem 20 5 2 Erforschungsgeschichte mangels Material nur etwa 20 m ab. Aus die­ ser Zeit stammt der Name ”Lehmschacht”. Erst Pfingsten 1969 war genügend Material Phase 1: Historischer Bergbau und der für solche Unternehmungen nötige größere Personenkreis vorhanden. C. Falland, Der Lehmschacht wurde wahrscheinlich R. Bork, L. Möller, P. Gürtler, F. Reinboth, A. durch Bergleute zu Beginn der Neuzeit Wunsch und S. Kempe erreichten den Engli­ erstmals entdeckt. Sie befuhren ihn bis zum schen Dom. Die tiefer führende Spalte wurde Korallengang und besuchten sicherlich auch bemerkt, konnte aber aus Materialgründen den Englischen Dom; die Untere Halle schei­ nicht erforscht werden. nen sie nicht betreten zu haben. Der Bergbau Im Winter 1969/70 bekam die Arbeitsge­ beschränkte sich auf die kleine Kammer am meinschaft für niedersächsische Höhlen Kon­ Einstieg und die Ausräumung des Korallen­ takt zu Eric Hensler, der sein Iberg-Material ganges. Förderung und Fahrung geschah wohl mit einem Plan des Lehmschachtes schickte. durch Haspeln. Im Korallengang wurde eine Der Plan zeigte auch einen Querriss der Unte­ Kratze mit Stielrest gefunden. In der oberen ren Halle - man konnte von der Einstiegstelle Kammer gibt es einige Bohrlöcher, die auf Berg­ aus nur die gegenüberliegende Wand und den bau nach der Einführung des Schwarzpulvers Boden sehen, der von Fragezeichen begrenzt hinweisen. Womöglich waren es Bergleute, die wurde. Diese Fragezeichen wurden vom 28.2. mit Abraumversturz den Zugang vom Engli­ -1.3.1970 gelöscht, als C. Falland, S. Kempe, schen Dom zur Unteren Halle versperrten. F. Reinboth, H. Schröder, M. Seeger und A. Auf dem Plan von E r n st (1868) ist der Lehm­ Wunsch die Untere Halle erreichten. schacht nicht erwähnt; der Plan von A h r e n d Die Gesamttiefe des Lehmschachts beträgt (1832) schließt das fragliche Gebiet aus. Son­ 76 m - damit ist er nach dem Westlichen Kern­ stige Dokumente aus der Bergbauperiode sind bergschacht (-137 m), der Frankenberghöhle nicht bekannt. (-123 m) und dem Eisensteinstollen-Höhlen­ system (-136 m) derzeit die vierttiefste Höhle des Harzes. Anfang der 90er Jahre wurden Phase 2: Royal Army 1945/46 Befahrungen durchgeführt mit dem Ziel, den Schacht für zukünftige Forschungen zu sichern. Die zweite Entdeckung der Höhle erfolgte im 1994 fand eine Grabung im Randbereich der Winter 1945/46, als die britischen Höhlenfor­ Unteren Halle statt, bei der hinter einem scher Eric Hensler und Harold Dunnington Versturz ca. 10m Fortsetzung dokumentiert von der Royal Army den Auftrag erhielten, die werden konnten. Westharz-Höhlen zu untersuchen. Ihr Trupp erreichte am 30.11.1945 den Grund des Hensler-Kamines; die Untere Halle wurde aus Materialmangel nicht befahren. 3 Mögliche Fortsetzungen Fortsetzungen des Lehmschachtes sind insbe­ Phase 3: Moderne Höhlenforschung sondere am Ende der Unteren Halle zu erwar­ ten, wo ein periodischer
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