Regisseur Altman bei Dreharbeiten in Paris: „Von Zeit zu Zeit muß man beleidigt werden“ FOTOS: SENATOR FILMVERLEIH Kino „MODE IST KRIEG“ Hans-Christoph Blumenberg über Robert Altmans Laufsteg- und Medien-Satire „Preˆt-a`-porter“ oison heißt ein Duft aus dem Haus und „Short Cuts“ nun also dem Textil- könnten veralbert werden, und sperrte Dior. Welches Gift mag da gemeint gewerbe seine geschätzte Aufmerksam- Altman aus. Auch Valentino, der ge- Psein? In den ersten Sekunden von keit schenkte, doch wußte natürlich je- schmeidige Römer, wollte mit dem be- Robert Altmans neuem Film streift die der, daß dieser ziegenbärtige Yankee ei- fürchteten Schelmenstück nichts zu tun Kamera über eine Reklame für das Par- nen ziemlich bösen Blick besitzt. haben. fum in einer Luxus-Boutique und beob- Karl Lagerfeld, der seine aparten Pla- Doch die meisten Stardesigner ließen achtet sodann den Schauspieler Marcel- titüden sonst in jede Kamera spricht, sich nicht lange bitten, selbst auf die Ge- lo Mastroianni bei einem Einkauf. Er ahnte gleich, er und seinesgleichen fahr hin, daß Altman ihr Gewerbe als ersteht zwei identische Krawatten von dekadentes Blendwerk entlarven wür- ausgesuchter Häßlichkeit. de. Nino Cerruti nahm’s gelassen: Die Kamera bleibt dran, ohne Robert Altman „Wenn man schon beleidigt werden Schnitt, und folgt dem Akteur auf die muß – und von Zeit zu Zeit muß man Straße. Ein paar Schritte nur, und schon hat mit seiner Modesatire „Preˆt-a`- beleidigt werden –, ist es immer besser, geht Mastroianni über den Roten Platz. porter“ den Couturier Karl Lager- von einer göttlichen Frau beleidigt zu Ganz sicher hatten wir uns in Paris ge- feld, 61, nicht amüsiert. Lagerfeld werden als von einer dummen Frau oh- wähnt, doch Altman spielt uns einen er- erwirkte durch ein Gerichtsurteil, ne Geschmack.“ Ähnlich dachten ver- sten Streich. Sollte Moskau die neue daß – in der deutschen Fassung, die mutlich Sonia Rykiel und Gianfranco Metropole der Mode sein? letzte Woche Premiere hatte – das Ferre´, Thierry Mugler und Jean-Paul Als Robert Altman im März 1994 mit Wort „Dieb“ getilgt ist, mit dem ihn Gaultier, Vivienne Westwood und Issey zwei Dutzend Weltstars und einem ge- ein fiktiver Konkurrent bezeichnete. Miyake, konservative Edelschneider waltigen technischen Troß bei den Pari- Hans-Christoph Blumenberg, 48, ebenso wie furchtlose Avantgardisten. ser Preˆt-a`-porter-Schauen auftauchte, Filmregisseur und Publizist mit be- Wovor sollten sie schon Angst haben? beäugte die Modebranche den Eindring- sonderem Interesse für Mode und In den designbesessenen Achtzigern wa- ling mit einer Mischung aus Hoffen und Stil, hat zuletzt die Komödie „Rot- ren die Modemacher zu Medienstars Bangen. Natürlich fühlte man sich ge- wang muß weg“ in die Kinos ge- aufgestiegen. In einer Dekade des allsei- schmeichelt, daß der weltberühmte Re- bracht. tigen Etikettenschwindels bot das exklu- gisseur von „Nashville“, „The Player“ sive Label aus Paris oder Mailand eine 220 DER SPIEGEL 13/1995 KULTUR Illusion von verfeinertem Geschmack. reicht, sondern eine luftige Farce. Ge- im Fond seiner Limousine an einem allzu Dem Designer traute man ein geheimes kämpft wird mit den leichten Waffen des hastig verzehrten Schinkensandwich er- Wissen von der kollektiven seelischen Boulevards. Mitunter sieht „Preˆt-a`-por- stickt. Befindlichkeit des Publikums zu. Plötz- ter“ so aus wie ein Stück von Georges So gerät Oblomow unter Mordver- lich galt der Couturier als Künstler, der Feydeau. In den Zimmerfluchten des dacht, springt vom Pont Alexandre und Schneider als Schamane. Grand Hotels kommt es zu intrigenrei- findet Unterschlupf in einer mit Mode- „Aufzeichnungen zu Kleidern und chen Liebeshändeln, kühl kalkulierten menschen vollgestopften Luxusherber- Städten“ nannte Wim Wenders 1989 erotischen Scharmützeln, ständig wech- ge. Dort gerät er mitten in den Mode- sein Filmporträt über Yohji Yamamoto. selnden Koalitionen. krieg. Der tobt auf engstem Raum. Drei Ein Jahr später widmete Martin Scorse- Eine nacherzählbare Geschichte be- harte Damen von den führenden Magazi- se seinem Freund Giorgio Armani einen sitzt dieser Film sowenig wie „Nash- nen Elle, British Vogue und Harper’s Ba- einfühlsamen 27-Minuten-Film mit dem ville“ (1975), „Eine Hochzeit“ (1978), zaar streiten um die Dienste eines iri- Titel „Made in Milan“, der den Kleider- „Health“ (1980) oder zuletzt „Short schen Starfotografen. Der mit allen Mit- künstler als romantischen Helden vor- Cuts“ (1993). Noch immer ist Altman teln Umworbene nutzt die Lage weidlich führt. vernarrt in offene Strukturen. Wie kein aus, lichtet die Kombattantinnen in aller- Wenders und Scorsese fanden in Yamamoto und Armani ver- wandte Seelen, besessene Krea- teure auf der Suche nach perfek- ten Schnitten, gültigen Formen. Die Mode schien durchaus dem Kino verwandt: ein fragiler Zwit- ter zwischen Kunst und Kom- merz, individuellem Ausdruck und den Zwängen des Marktes. Von Robert Altman mußte man erwarten, daß er die Mode- macher nicht ganz so ernst neh- men würde. Aber er tut ihnen nicht einmal den Gefallen, sie zu beleidigen. Sie sind nur Statisten in Altmans Spiel. Von ihrer schöpferischen Aura bleibt we- nig übrig in dem Film „Preˆt-a`- porter“. Für ihre Kollektionen nimmt sich Altman wenig Zeit, ihre Kulissenkämpfe begleitet er mit sanftem Spott. Natürlich mag er sie, die bunten Kerle, die kos- mopolitischen Egomanen, die Spieler, die Verrückten, doch er schaut ihrem Treiben aus der Entfernung zu. Was über die Mode zu sagen ist, sagt der Designer Thierry Mugler nach knapp fünf Minu- „Preˆt-a`-porter“-Star Loren: Striptease für Oblomow ten: „It’s all about looking good . and it’s all about getting a great anderer zeitgenössischer Regisseur ver- lei kompromittierenden Situationen ab. fuck, honey.“ steht er sich auf die Kunst des Episodi- Und steht am Ende doch als Verlierer da. Die mit „honey“ angesprochene schen. In das tückische Minenfeld der Gegen die eisernen Ladys Linda Hunt, Blondine heißt Kitty Potter, Reporterin Moden schickt er 31 Haupt- und unzähli- Tracey Ullman und Sally Kellerman ist von „FAD TV“, Veteranin vieler Fa- ge Nebenfiguren. Aber keine verliert er kein Macho-Kraut gewachsen. shion-Feldzüge. Kitty weiß: „Mode ist in seinem 132 Minuten langen Panorama Plötzlich spürt man ihn wieder in dem Krieg.“ Mit vereistem Lächeln ist sie an aus den Augen. sehr verspielten Film: den Zyniker vorderster Front tätig, nämlich „back- Ganz ohne einen roten Faden kommt Robert Altman, der es genießt, Ritua- stage“, da, wo die wirklichen Berühmt- der alte Zauberer nicht aus. Der ist aller- le der Demütigung zu inszenieren. heiten sich treffen. Und wer berühmt dings auffällig dünn gesponnen. Ordent- Doch die Stimmung bleibt vorwiegend bleiben will, kommt an Kitty Potter liche Geschichten haben Altman noch heiter. nicht vorbei, weder Cher noch Harry nie sonderlich interessiert. Marcello Ma- Dem klassischen Kinoliebespaar Lo- Belafonte. Kitty sucht den Nahkampf. stroianni spielt einen geheimnisvollen ren/Mastroianni gönnt Altman ein wun- Sie ist eine der wahren Heldinnen des italienischen Schneider, welcher einst in derschönes Comeback mit einer melan- Films. „Preˆt-a`-porter“ handelt nicht von die glorreiche Sowjetunion auswanderte cholischen Pointe. Als es dem alten der Macht der Mode, sondern von der und den Namen Oblomow angenommen Charmeur endlich gelungen ist, die An- Macht der Medien. hat. gebetete in sein Hotelversteck zu locken, Robert Altman hat ein Vierteljahr- Jener reist nach Paris, um seine große belohnt ihn die Dame mit einer Strip- hundert nach „M.A.S.H.“ wieder einen Liebe (Sophia Loren – wer sonst?) wie- teasevorstellung: wie vor über 30 Jahren Kriegsfilm gedreht. Aber da das derzutreffen. Die ist seit Jahrzehnten mit in Vittorio De Sicas „Gestern, heute und Schlachtfeld sich nicht in Korea befin- dem Präsidenten des französischen Mo- morgen“. Marcello ist so hingerissen wie det, sondern nur in „Gay Parree“, wird desyndikats verheiratet, einem graume- einst im Mai. Und schläft auf der Stelle dem Betrachter keine böse Satire ge- lierten Widerling, der denn auch alsbald ein. Besser trifft es ein Sportreporter der DER SPIEGEL 13/1995 221 . KULTUR Reporterinnen-Trio Hunt, Ullman, Kellerman: Keine Gnade für den Macho Washington Post, der im Auftrag seines Blat- tes über die angebliche Ermordung des Mode- Basinger, Cher in „Preˆt-a`-porter“ präsidenten berichten „Ist das noch Mode?“ soll. Der junge Mann muß sich sein Hotel- Nur Kitty Potter, die unermüdliche zimmer mit der Kolle- Frontberichterstatterin, versteht die gin vom Houston Welt nicht mehr. Und kommt unverhofft Chronicle teilen. zur Vernunft. Kitty Potter kriegt einen Eine lange Modewo- Wutanfall: „This is fuckin’ fruitcake che lang verlassen die time. I mean, is that fashion? Is there a beiden kein einziges message up there?“ Nein, Altman hat Mal die Suite. CNN keine Botschaft, weder für Kitty Potter und Sky-TV informie- noch für die Zuschauer von „Preˆt-a`-por- ren zuverlässig über STUDIO X ter“. Sein Film bleibt unberechenbar: den Stand der Dinge manchmal eine zynische Komödie über beim Mordfall und auf die Macht der Medien, mitunter ein amü- den Laufstegen. Was FOTOS: GAMMA / sant-absurdes Verwirrspiel über das En- der ruhende Reporter Filmpaar Roberts, Robbins: Kleines Alkoholproblem dederMode, fastimmer hinreißend kurz- aus dem Fernsehen weilig, aber selten wirklich giftig. aufschnappt, gibt er synchron als Origi- bringt das Kunststück fertig, auch in ei- In den USA ist Altmans jüngstes Werk nalrecherche an seine Redaktion weiter. nem pinkfarbenen Chanel-Kostüm nicht rasch
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