Heinrich von Stephan – „Vater des Deutschen Postwesens“ Als goldenes Zeitalter der Ansichtskarte bezeichnen Volkskundler die Jahre zwischen 1885 und dem Ersten Weltkrieg. Mit ihren Abbildungen von lauschigen Landschaften und idyllischen Stadtansichten trugen sie seinerzeit erheblich zur Förderung des Fremdenverkehrs bei. Die Deutschen waren schon immer ein reiselustiges Volk und ließen die Daheimgebliebenen gern an ihren Erlebnissen in der Ferne teilhaben. So verwundert es nicht, dass es auch ein Deutscher war, der die Idee mit der Postkarte hatte: Heinrich von Stephan. Stephan schlug 1865 auf der 5. Deutschen Postkonferenz in Karlsruhe die Einführung offener „Correspondenzkarten“ mit aufgedruckten Postwertzeichen vor. Sein Modell wurde mit dem Haupteinwand mangelnder Vertraulichkeit und zu erwartender Einnahmeausfälle abgelehnt. Die preußische Postverwaltung hielt es für unschicklich, die intimen Mitteilungen vor Augen nicht Befugter ungeschützt zu verschicken. Ernst Heinrich Wilhelm Stephan war ein hochintelligenter, genialer Kopf, der aus einfachen, kleinbürgerlichen Verhältnissen kam und sich bis ganz nach oben hocharbeitete. Geboren wurde Stephan am 07. Januar 1831 in Stolp als achtes Kind eines Schneidermeisters in Pommern. Früh fiel er durch seine außergewöhnliche Begabung auf. Die Reifeprüfung legte er vorzeitig und mit besten Noten ab. Daneben hatte er bei einem privaten Musiklehrer Geige und Klavier spielen gelernt. Mit guten Leistungen fiel Heinrich Stephan auch in seiner Lehrstelle bei der Stolper Post ab 20. Februar 1848 auf, so dass er, versehen mit einem ausgezeichneten Zeugnis, 1849 als Beamtenanwärter nach Marienburg kam. Seine mit Auszeichnung bestandene Prüfung zum Postassistenten eröffnete ihm den Weg zu einer beispiellosen Karriere, die 1895 mit der Ernennung zum Staatsminister ihren Höhepunkt fand. Wer über die Geschichte der Post spricht, der kommt an seinem Namen nicht vorbei. Nach Ableistung seines einjährigen Dienstes beim preußischen Heer wurde er nach einem kurzen Zwischenspiel beim Berliner Generalpostamt nach Köln zur Oberpostdirektion versetzt. Hier hatte er hauptsächlich mit der Bearbeitung überseeischer Postrechnungen zu tun. Dabei entstanden wohl die ersten Ideen für die Vereinheitlichung des internationalen Postverkehrs. Der berufliche Erfolg ermöglichte es Heinrich Stephan, am 16. Juli 1855 in Hannover die achtundzwanzigjährige ungarische Sängerin Anna Tomala zu heiraten, die jedoch bereits mit 35 Jahren starb. 1862 schloss Stephan seine Ausbildung endgültig mit der Absolvierung der Prüfung zum höheren Postdienst ab, ebenfalls wieder mit Auszeichnung. In den Jahren 1855/56 wirkte er als Bezirksaufsichtsbeamter in Frankfurt (Oder). Ihm verdankt die Stadt das stattliche Postgebäude in der Logenstraße. 1 Foto: Dr. Mernitz (VBIW) Foto. Tomaselli (VBIW) Foto: Tomaselli (VBIW) Fotos: Dr. Mernitz (VBIW) Grundsteinlegung war am 07.10.1899 und die Einweihung erfolgte am 24.08.1902. Anschließend kehrte er in das Generalpostamt Berlin zurück. Hier zählte die Ausarbeitung eines Paketposttarifs für das Gebiet des Deutsch-Österreichischen Postvereins zu seinen ersten Aufgaben. Sein Vorschlag wurde bei der deutschen Postkonferenz in München 1857 unverändert angenommen. Stephan versuchte auch, den Annahme- und Abfertigungsdienst durch die Einführung der Poststenographie zu beschleunigen, konnte sich mit diesen Ideen jedoch nicht durchsetzen. Im September 1858 vollendete er sein umfangreiches Werk „Die Geschichte der Preußischen Post von ihrem Ursprung bis auf die Gegenwart“, das entgegen dem Titel nicht nur die Geschichte der Post in Preußen, sondern die gesamte postalische Entwicklung in Europa darstellt. Dieses Standardwerk zur Postgeschichte erschien 1859 im Verlag der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei in Berlin. 2 Er verfasste neben seiner beruflichen Tätigkeit einen Leitfaden, später als Lehrbuch für die Ausbildung der Postbeamten unter dem Titel „Kleiner Stephan“ verbreitet. 1858 wurde Stephan, der sich z. T. im Selbststudium vier Fremdsprachen angeeignet hatte, in der Auslandsabteilung der preußischen Generalpostdirektion angestellt. 1860 war er als Vertreter auf der deutschen Postkonferenz in Frankfurt am Main, wo ihn die durch die zersplitterten Kleinstaaten (2) verursachten organisatorischen Probleme in seinem Reformwillen bekräftigten. 1862 und 1863 erreichte er Postverträge mit Belgien und den Niederlanden, 1864 mit Spanien und Portugal. Sechzehn Monate nach dem Tod seiner ersten Frau, am 24. September 1863, vermählte sich der inzwischen Zweiunddreißigjährige in Potsdam mit der zehn Jahre jüngeren Elisabeth Balde (1841 – 1926) aus Berlin. Zwischenzeitlich zum Leiter der Auslandsabteilung aufgestiegen, veröffentlichte Stephan 1866 eine Denkschrift, in der er der preußischen Regierung nahelegte, die Thurn- und Taxis‘sche Post in Besitz zu nehmen, sobald es die militärischen Gegebenheiten zuließen. Nach dem Sieg im Deutschen Krieg besetzte Preußen die Freie Stadt Frankfurt und zwang Thurn und Taxis, in einem Abtretungsvertrag dem preußischen Staat die Posteinrichtungen zu überlassen. Der Vertrag wurde am 28. Januar 1867 ratifiziert, und die Übergabe erfolgte am 1. Juli 1867. Im Anschluss an diese erhebliche Ausweitung des preußischen Postgebietes verfasste Stephan eine Denkschrift, in der er ältere Ideen zur Gründung eines globalen Postvereins im Geiste des Freihandels und des industriellen Fortschritts zusammenführte: Die Postverwaltungen sollten einen internationalen Postvertrag beschließen, der Portosätze und Gewichtsmaße vereinheitlichte und dem Prinzip folgen, dass jedes Land die im Inland aufkommenden Gebühren behalten sollte. 1868 wurde Stephan zum Geheimen Oberpostrat befördert. Bismarck lernte den tüchtigen Postbeamten kennen und war von seinen Talenten sichtlich beeindruckt. Daraufhin bestellte er Stephan zum Generalpostdirektor. Damit stand er nach Kriegsende und Gründung des Deutschen Kaiserreichs der gesamten Reichspostverwaltung vor und besiegelte im Winter 1872/73 den bereits länger verhandelten deutsch-französischen Postvertrag, außerdem schloss er neue Verträge mit Spanien und Portugal sowie einigen südamerikanischen Staaten. Der Generalpostdirektor sorgte bald für eine Vereinheitlichung der Gebühren und senkte dadurch entscheidend die Portokosten. Er führte das Briefgeheimnis ein. Er revolutionierte die Postzustellung durch den Einsatz neuer, moderner Technologien. Die Eisenbahn wurde für den Posttransport nutzbar gemacht und löste bald die Postkutsche ab. Regelmäßig verkehrende Postdampfer wurden bereitgestellt und die Luftpost erfunden: Stephan bereitete der Briefbeförderung per Zeppelin den Boden. In vielen schwierigen, bilateralen Verträgen schuf Stephan ein internationales Postbewusstsein, das Beförderungshemmnisse abbaute und die Grenzen für den Postverkehr durchlässig machte. Im Deutschen Reich schuf Stephan die Voraussetzungen für eine systematische Organisation der Feldpost Deutschlands erster Postminister war ein Anhänger des Fortschrittsglaubens seiner Zeit. Neuen Erfindungen und Technologien gegenüber immer sehr aufgeschlossen, förderte er den neuen Zeitgeist wo er konnte. 3 Zudem führte er einschneidende Reformen der Beamten- und Betriebsverhältnisse der Reichspost durch. Auf seine Initiative hin wurde für die Postbediensteten eine Unfall-, Kranken- und Altersversicherung eingeführt und die etwa 2000 unter seiner Leitung neu errichteten Postgebäude wurden mit modernen und zweckmäßigen Arbeitsräumen ausgestattet. Das 1882 eröffnete neue Postgebäude in Eschwege, wird heute nicht mehr genutzt. Das Foto stammt aus der Anfangszeit, denn erst ab 1883 war auf dem Turm die Installation für den Telegraphen angebracht. Foto: Tellgmann (Nachlaß) Stadtarchiv Eschwege Eschweger Kreisblatt vom 01. Mai 1874 Stadtarchiv Eschwege Zwar berichtet der Zeitungsartikel, daß sich Heinrich von Stephan in dieser Gegend aufgehalten hat, es ist aber nicht belegt, daß er in diesem Gasthaus übernachtet hat. Es ist wohl eher eine Namensgleichheit mit dem Besitzer, da der Nachname Stephan in dieser Region, auch heute noch, wie ein Blick ins Telefonbuch beweist, sehr häufig vorkommt. Schließlich wurde Stephan nach der Reichsgründung Staatssekretär des 1880 gegründeten Reichspostamtes. Zu seinen größten Leistung gehört, dass er es verstand, in der Situation des chronisch unterfinanzierten Reichshaushalts die erheblichen Überschüsse aus dem Postmonopol gegen den Widerstand des Reichsschatzamtes innerhalb seiner Behörde zu halten und zur Investition in die postalische und telefonische Infrastruktur zu nutzen. Im gesamten Reich wurden neue, teilweise luxuriöse Postämter errichtet, 4 was zu heftiger Kritik an der Verschwendungssucht des „Postbaumeisters“ Stephan und seinen „Postpalästen“ führte. Dabei hatten die Gebäude durchaus die Funktion, die Bedeutung der Post für die moderne Gesellschaft repräsentativ sichtbar zu machen. Die von Stephan veranlasste Gründung des Reichspostmuseums (5), eröffnet 1898, bildete den Höhepunkt und Abschluss dieser Strategie. Durch sein diplomatisches Geschick gelang es ihm, am 15. September 1874 Postvertreter aus 22 Staaten zum ersten Weltpostkongress in Bern zusammenzuführen. Aus dem dort gegründeten „Allgemeinen Postverein“ entstand später der „Weltpostverein“ (1), dem am Ende des Jahrhunderts außer China alle wichtigen Staaten der Erde angehörten und dessen Präsident er bis 1891 war. Mit ihm gelang es, im internationalen Postverkehr einheitliche Standards einzuführen und separatistische Hemmnisse abzubauen. Mit der Schaffung einer selbständigen Reichsbehörde
Details
-
File Typepdf
-
Upload Time-
-
Content LanguagesEnglish
-
Upload UserAnonymous/Not logged-in
-
File Pages9 Page
-
File Size-