ZwanzigJahreund achtundvierzigTage Zerstörungund Wiederaufbau des Nationaltheaters1943-1 963 I amstag, 2. Oktober 1943. Im .'. Münchner Nationaltheater ist die VorsLellungvon Euger d'Nberts Tiefland, einer der Lieblings- opern des Führers, ohne Störung über die Bühne gegangen.Die Bühnenar- beiter haben es dank der vorverlegten Anfangszeit geschafft, die Kulissen, in denen eben noch Pedro Sebastian<.r erwürgt hat, ins Magazin zu bringen. Zu Vorbereitungen für die am näch- sten Tag angesetzter' Meistersingervon Nürnlerg ist keine Zeit mehr, denn ge- gen elf Uhr ertönt Sirenengeheul. Die RoyalAir Forceist mit 250 Maschinen im Anflug. Während Markierungsflug- zeugegrüne, gelbeund weiße Kas- DasDenkmal König Max l. Josephs vor dem ausgebrannten Nationaltheater 1945 kaden absetzen, um die Angriffsziele zu kennzeichnen, widt ein britischer immer noch so Ehrfurcht gebietend Als am Nachmittag des 30. April Bomberverband nach dem anderen in den Himmel empor, als könnte L945 die 7 . US-amerikanische Armee seine tödlichen Lasten ab. Zwölf nichts sie erschüttern. Doch dahinter in die ,,Hauptstadt der Bewegung" Brandbomben treffen das Opernhaus, öffnet sich der Abgrund: Das Meister- einmarschierte, erwartete sie eine das solort Feuerfängt. Die Sprink- werk Carl von Fischers ist im Innern Ruinenlands chaft. Die Altstadt war leranlage funktioniert nicht, weil vollständig ausgebrannt. Verschont zu 60 Prozent zerstört. 7,5 Millio- eine Bombe die sie speisende Steig- geblieben sind nur die Umfassungs- nen Kubikmeter Schurt bedeckten leitung zerrissen hat. Der aus dem und Grundmauern sowie die beiden das Stadtgebiet - die Dimension Luftschutzkeller heraufstürmende Seitentrakte des Gebäudes. dieser Trümmermenge lässt sich LöschLrupp wird von dem gewaltigen nur durch einen Vergleich ermessen: Luftdruck zurückgestoßen. Bis er Im Winter wurde das in dieser Nacht Die höchste Pyrarnide der Welt, die sich zu den Brandherden vorkämpfen ebenfallsdurch Bombenbeschädigte Cheops-Pyramide, hat ein Volumen kann, ist es schon zu spät: Die Hitze Prinzregentheater renoviert und für von 2,5 Millionen Kubikmeter. Von ist so groß, dass selbst die eiserne die Bespielung durch die Bayerische den vier staatlichen Bühnen waren Bühnenkonstruktion schmilzt. Fast Staatsoper bühnentechnisch umge- drei so schwer beschädigt, dass sie zwei Stunden dauert das schauder- baut. Von Mai bis Juli 1944 fanden nicht mehr bespielt werden konnten: hafte Schauspiel,dann drehen die dort 28 Vorstellungen statt, die letzte das Cuvilli6s-Theater, das Gärtner Maschinen ab. am 30. Juli 1944. Wiederwar es die platztheater und das Nationaltheater. Im Morgengrauenschalen sich aus Oper Tieflandvon Eugen d'Albert. Verschont geblieben war nur das dem beißenden Qualm allmählich die Zum 1. September 1944ließ Reichs- Prinzregententheater, das abermals Konturen des mächtigen Baus heraus. propagandaminister Joseph Goebbels, als Ausweichspielstätte diente: Die Die Hauptfassadeam Max-Joseph nunmehr,.RejchsbevollmächLigter Bayerische Staatsoper nahm dort am Platz mit ihrem tempelförmigen fur den totalen Kriegseinsatz", alle 15. November 1945 mit Beethovens Vorbau ist zerschunden, ragt aber Theater schließen. Fidelio den Spielbetrieb auf. WIEDERAU FBAU DES NATIONALTH EATERS Das erst kurz vor Kriegsende, am 21. Der Verschwendereröffnet. Der Titel INHALT April 1945, bei einem Luftangriff war Programm: Kostenexplosion trnd derAlliierten beschädigt e Gärtner Fehlplanungen führten zum ersten und Wiederauf- 1,4 Zerstörung platztheater war das erste dieser drei Bauskandal in Bayern nach dem Krieg, bau des Nationaltheaters Theater, das wiederhergestellt wurde. zum sogenannten Residenzthea Nagano 5 Abschied von Kent Während die BayerischeStaatsoperet- terskandal. 6-7 Interview mit te im Theater an der Schornstraße ab Kristina Wuss 7. Dezember 1945 den SPielbetrieb Auf die Dauer konnte das kleine 8 Vorschau Künstlergespräche aufrecht erhielt, wurden in ihrem Prinzregententheater das große Haus 9 Vorschau KulturZeit und Stammhausdie Kriegsschädenbes.i- nicht ersetzen. Sein größter Nachteil Wanderungen tigt. Der WiederaufbauverlieI zügig war, dass es nur knaPP 1100 Plätze 10 Opernbesprechung und reibungslos. Für rund 1,3 Milli fasste und Karten kaum zu bekom- Nürnberg onen RM wurde das Haus sPielfähig men vr'aren, 71 Gedenktage gemacht, weitere 1,7 Millionen DM In der,.TheaLergemeindeMünrhen" 12 Opernbesprechung brachten es später auf Hochglanz. Mit war dieOpernkartenmisere zu Beginn Erl der Operette Eine AIacht inVenedigvon der fünfziger Jahre das Da capo-The 13 In memoriam Max Proebstl Johann Strauß konnte das Theater ma. Im Spätherbst 1951 hatten einige 74 IBS Straßennamen-Rätsel am Cirlnerplrtz bereitsam Samstag Mitglieder das Lamentieren satt. 15 Rezension Kinderbuch dem 19. Juni 1948, einen Tag vor der Sie gründeten den Verein ,,Freunde mit dem Ziel, 16 Rezension Wagner Währungsreform, feierlich neu eröff- des Nationaltheaters" und Politik für einen Neuerscheinungen net werden. Öffentlichkeit baldigen Wiederaufbau des Nati- Von Anfang an Problemegab esbeim onalthi.aLerszu gewinnen.Da der alten Residenztheater von Franqors Hausherr, das Kultusministerium, Cuvillids, der Heimat des Bayerischen nicht müde wurde, seine Untätigkeit Staatsschauspiels.Der prachtvolle mit der Haushaltsnot zu begründen, Rokokobau war durch einen Angriff fingen die,,Freunde"an, Geld zu und SePtember IMPRESSUM am L8. Mätz 1944 zerstört worden. sammeln. Im August Das Repräsentativschauspieldes Frei- 1952 veranstalteten sie in der Neu Wiederauf @ coptryight: staates eröffnete im Mai 1946 in dem hauser Straße ihre erste Vorstand des lnter€ssenv€reinsdes unter tätiger Mithilfe der ,,Freunde bau Tombola. Der Erfolg war über BayerischenStaatsopernpublikums e V neu errichteten Theater wältigend: Die Münchner kauften fast (IBS)- Die Münchner Opernfreunde der Residenz" am Brunnenhof. Angesichts der kata- 2,5 Millionen 50-PfennigLose, der Postfach10 08 29 | 80082 München strophalen Verhältnisse dort war ern Reinerlös der Tombola betrug rund R€daktion: Theaterneubau dringend erforderlich 570 000 DM. Mit diesemGeld sollte Ulrike Ehmann (verantw.) ibs.presse@mnet'mai].d€ Die Idee, Cuvilli6s' Wunderwerk der Riesenruine zu einem die histo- zu rekonstruieren, erwies sich rische Bausubstanz schützenden Dach G€staltung: exakt Ingrid Näß1 als nicht realisierbdr:Das Theater verholfen werden. Durch das Residenztheater-Fiasko war Das IBSJoürnal erscheint viermal jahrli.h hätte lediglich 500 Zuschauerplät- Der Bezugspreisist im Mitgliedsbeitrag ze gehabt, die Sicht auf die Bühne der Wiederaufbau des Nationalthea- wäre zu schlecht und für moderne ters für die Verantwortlichen in den Jahresabonnementfü Ni.htmitglieder Bühnentechnik kein Platz gewe Ministerien und im bayerischen Land (einschl.Zustellung). € 15,- sen. Man entschloss sich daher, auf tag zum heißen Eisen geworden, ,las PreislisteNr. 7, gilltig seit Anzeigen sie tunlichst vermieden. 1. Dezember 2008 seinen Grundmauern ein modernes anzufassen Schauspielhausfür 1000 Personen zu Kultusminister Schwalber weigerte Gesamth€rst€llung: das von den Druck& Medien SchreiberGmbH errichten. Die Fertigstellungverzöger sich monatelang, ,,Freun Kolpingring 3 | 82041 Oberhaching te sich von Monat zu Monat, und vom den" gesammelte Geld anzunehmen. Voranschlag (1,2 Millionen DM) bis Im Mai 1953 ,,streckte Finanzminister Hand Jostvoges J Monika Beyerle Scheller I zur Fertigstellung (über 12 Millionen Zietsch endlich die Öffentliche Ulrike Ehmann Hans Köhle I DM) verzehnfachten sich die Kosten. aus" (SZ) und nahm einen sYmbo- HelgaS.hmöger EvaWeimer Nach dreijähriger Bauzeit wurde am lischenScheck über 100 000 DM in Ehrenmitglieder: 28. Januar 1951 das technisch befrie- Empfang. Im Oktober 1953 starteten Heinrich Bender Borkh Grube llnge lEdita architektonisch belanglose die ,,Freunde" ihre zweite Tombola. mva Sir PeterJonas Hellmuth Matiasek I digende, I es im Laufe der Jahre Aribert Reimann lPeter Schn€ider und finanziellruinöse neue Resi' Zehn sollten Peter Schreier PeterSeiffert denztheater mit Ferdinand Raimunds werden. WIEDERAU FBAU DES NATIONALTH EATERS Die 1953/54 im Auftrag des Landbau- 1-956/57 war jedoch keine Mark für durchzuführen. Bis 31. März unter- amtes durchgeführten Sicherungsar- den Wiederaufbau vorgesehen. Im zeichneten195 097 Personen,90 beiten an der Ruine wurden als ,Vor- Juli 1956 gab der Münchner Stadtrat Prozent davon Münchner, den Aufruf. bereitungentür den Wiederaufuau" überraschend bekannt, dass das Cuvil- Der Gegenbeweiswar erbracht. deklariert. Im Frühjahr 1954 schrieb Dr. L. aus der Georgenstraße richtete die Oberste Baubeh<irdeschließlich damalsfolgenden Leserbrief an die einen ,,Ideen Wettbewerb" für einen SZ:,,SohnClaudius, geb. 7.6.1954, \eubau aus:Tnnerhalb der Crund- und TochterSophia, geb. 2.5.1956, mauern der Ruine sollte ein modernes hoffen, daß das Theater fertig ist, Theater entstehen. Eine originalge- bis sie beide das ,opernfähige' Alter treue Rekonstruktion stand nicht erreicht haben." zur Debatte, im Gegenteil: Der neue Kultusminister Rucker liebäugelte Doch die Politiker verkannten mit einer kühnen modernen Lösung. abermals die Zeichen der Zeit. Der Ein erster Preis mrrde nicht verlie- bayerische Landtag lehnte im Juni hen. Das beste Wettbewerbsergebnrs 1957 den Antrag, eine Sonderfinan erzielte der Entwurf von Gerhard zierung zu prüfen und die seit Jahren Graubner, den man mit einem ,,unver- eingefrorenen Tombola-Gelder der bindlichen Vorprojekt" beauftragte. ,,Freunde" dem Wiederaufbau zuzu führen, ab. Das Nationaltheater blieb Zu Beginn desJahres 1955 be- eine Ruine,
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