Wie Schön Leuchtet Der Morgenstern How Beauteous Is the Morning Star BWV 1

Wie Schön Leuchtet Der Morgenstern How Beauteous Is the Morning Star BWV 1

Johann Sebastian BACH Wie schön leuchtet der Morgenstern How beauteous is the morning star BWV 1 Kantate zum Fest Mariae Verkündigung für Soli (STB), Chor (SATB) 2 Oboen da caccia, 2 Hörner 2 Violinen solo, 2 Violinen, Viola und Basso continuo herausgegeben von Reinhold Kubik Cantata for the Annunciation for soli (STB), choir (SATB) 2 oboes da caccia, 2 horns 2 violins solo, 2 violins, viola and basso continuo edited by Reinhold Kubik English version by Jean Lunn Stuttgarter Bach-Ausgaben · Urtext In Zusammenarbeit mit dem Bach-Archiv Leipzig Klavierauszug /Vocal score Reinhold Kubik C Carus 31.001/03 Inhalt Vorwort Vorwort 2 Die Kantate Wie schön leuchtet der Morgenstern BWV 1 nimmt innerhalb von Johann Sebastian Bachs Kantaten- Foreword 3 schaffen eine besondere Stellung ein. Zwar ist sie keines- wegs, wie die Nummer im Bach-Werke-Verzeichnis bei 1. Coro 5 oberflächlicher Betrachtung glauben machen könnte, die Wie schön leuchtet der Morgenstern erste Kantate des Komponisten. Mit diesem Stück wurde How beauteous is the morning star aber 1852 der erste Band der Gesamtausgabe seiner Werke eröffnet, die auf Initiative von Robert Schumann als Heraus- 2. Recitativo (Tenore) 26 geber der Neuen Zeitschrift für Musik, Moritz Hauptmann Du wahrer Gottes und Marien Sohn als amtierendem Thomaskantor und Otto Jahn als rührigem Thou Son of God and blessed Mary’s child Philologen aus Anlaß der 100. Wiederkehr seines Todesta- ges ins Leben gerufen worden war. Die Wahl gerade dieser 3. Aria (Soprano) 27 Kantate als Eröffnungsstück der Gesamtausgabe ist in mehr Erfüllet, ihr himmlischen göttlichen Flammen als einer Hinsicht Programm: Ihr liegt ein Choral zugrunde, Come fi ll now, o heavenly fl ames dessen Rahmenstrophen unverändert für den Eingangschor und den Schlußsatz verwendet wurden, und dessen inne- 4. Recitativo (Basso) 34 re Textstrophen ein Zeitgenosse Bachs geschmackvoll und Ein ird’scher Glanz, ein leiblich Licht pragmatisch abgewandelt hat, damit sie als Rezitative oder An earthly lamp, the body’s light Arien vertont werden konnten. Die Kantate unterlag damit nicht den Vorbehalten, die noch um die Mitte des 19. Jahr- 5. Aria (Tenore) 35 hunderts den „verruchten deutschen Kirchen-Texten“, wie Unser Mund und Ton der Saiten sie Carl Friedrich Zelter einmal bezeichnet hatte, entgegen- With our music and our singing gebracht wurden. Dank ihrer Bestimmung zum Fest Mariae Verkündigung durften die Herausgeber hoffen, auch die in 6. Choral 41 den katholischen Gegenden des deutschen Sprachraums Wie bin ich doch so herzlich froh wirkenden Musiker und Wissenschaftler davon überzeu- How joyful then my heart shall be gen zu können, daß die Edition der Werke Johann Sebas- tian Bachs ein nationales Anliegen war. Schließlich erweist sich die Kantate aufgrund der besonderen Umstände zum Zeitpunkt ihrer Entstehung als ein besonders sorgfältig ge- arbeitetes und ausgereiftes Stück, das sich vorzüglich in das seit 1765 bei der Herausgabe der Vierstimmigen Choral- gesänge durch Carl Philipp Emanuel Bach entworfene Bild einfügt, man sei von Johann Sebastian Bach „gewohnt ge- wesen, nichts als Meisterstücke zu sehen“. Die vorliegende Kantate Wie schön leuchtet der Morgen- stern ist zum 25. März 1725 entstanden, fünf Tage spä- ter erklang in der Karfreitagsvesper in St. Thomas die 2. Fassung der Johannes-Passion. Die Kantate bildet damit den Schlußstein in der langen Reihe von Choralkantaten, die Johann Sebastian Bach seit dem 1. Sonntag nach Tri- nitatis 1724 neu geschaffen und im Gottesdienst zur Auf- führung gebracht hatte, denn ab dem Osterfest 1725 hat Bach wieder die üblichen Kantatendichtungen vertont. Für die Komposition des Werkes stand mehr Zeit als ge- wöhnlich zur Verfügung: In Leipzig entfielen während der Fastenzeit nach dem Sonntag Estomihi die regulären Kantatenaufführungen bis zum Osterfest; das Fest Mariae Verkün digung wurde als ein sogenanntes Mittelfest auch Zu diesem Werk liegt folgendes Aufführungsmaterial vor: dann feierlich begangen, wenn es in die sonst kantatenlo- Partitur (Carus 31.001), Studienpartitur (Carus 31.001/07), se Zeit des „tempus clausum“ fiel. Zudem hatte Bach mit Klavierauszug (Carus 31.001/03), der Passions musik des Jahres 1725 vergleichsweise wenig Chorpartitur (Carus 31.001/05), Arbeit, da er die im Vorjahr entstandene Johannes-Passion komplettes Orchestermaterial (Carus 31.001/19). in einer revidierten Fassung wieder aufführen konnte, wo- bei obendrein wenigstens ein Teil der dabei eingefügten The following performance material is available for this work: Sätze älteren Werken entstammte. full score (Carus 31.001), study score (Carus 31.001/07), vocal score (Carus 31.001/03), choral score (Carus 31.001/05), Obgleich der Eingangschor vielschichtig angelegt ist – au- complete orchestral material (Carus 31.001/19). ßer den üblichen Streichern wirken zwei Soloviolinen, zwei 2 Carus 31.001/03 Hörner und zwei Oboen da caccia mit – wirkt er ausge- anhand anderer, besser belegter Fälle, vermutet werden sprochen transparent. Der Chor bildet in der im Laufe des kann – den Titel der Partitur recht getreu widerspiegelt: Jahres bewährten Manier eine eigenständige Schicht: Der Testo [statt: Festo] Annunciationis / Mariæ / Wie schön Cantus firmus wird vom Sopran in langen Notenwerten leuchtet der Morgenstern / â / 4. Voc: / 2 Corn. / 2 Haut- vorgetragen und in den exponierten Lagen durch ein Horn bois. / 2. Violini Concert[.] / 2. Violini Rip. / Viola. / e / klanglich verstärkt; die übrigen Choralstimmen liefern Continuo / di Signor / J. S. Bach. durch Imitationen, die gelegentlich auch die Choralmelo- die aufgreifen, die klangliche Grundlage. Die Wirkung des Der Stimmensatz wurde von Bachs Hauptkopisten Johann Orchestersatzes wird durch die beiden Solo violinen und Andreas Kuhnau angefertigt, die für die Aufführung benö- die Bläser bestimmt, die nach Art eines Concerto grosso tigten Dubletten (erhalten ist nur eine unbezifferte Con- paarweise miteinander wetteifern. Das Eingangsritornell tinuostimme sowie die Neuschrift der Oboe da caccia für und die Zwischenspiele sind recht umfangreich gehalten. Satz 3) wurden von Christian Gottlob Meißner, Johann Sie dienen einerseits dazu, die Solo instrumente zur Geltung Heinrich und Wilhelm Friedemann Bach ausgeschrieben. kommen zu lassen, andererseits nutzt Bach hier den Raum Johann Sebastian Bach hat die Stimmen durchgesehen und zu einer Erweiterung des harmonischen Spektrums, da sich mit Vortragsbezeichnungen versehen. Somit stehen der die Choralmelodie, die für die Vokalabschnitte bindend ist, Edition keine grundsätzlichen Hindernisse im Wege, auch fast durchgängig in der Grundtonart F-Dur aufhält. wenn Bach einige Schreibfehler seiner Kopisten übersehen hat und die Bogensetzung, insbesondere in den Sätzen 3 Satz 2, von Bach als Secco-Rezitativ dem Tenor zugewie- und 5, nicht durchweg einheitlich und eindeutig erfolgt ist. sen, ist eine Paraphrase der 2. Strophe des Kirchenliedes, in Eine kritische Ausgabe der Kantate ist mittlerweile auch in die der Textdichter mit der Erwähnung des Erzengels Ga- Band 28.2 der Neuen Bach-Ausgabe, hrsg. von Matthias briel geschickt eine Anspielung auf den Lesungstext zum Wendt (1995), erschienen. Für die Neuauflage der Parti- Fest Mariae Verkündigung (Luk 1, 26–38) eingeflochten tur wurde der Originalstimmensatz noch einmal zu Rate hat. gezogen. Die nun folgende Sopranarie, vom Dichter in daktylischen Leipzig, im September 1998 Ulrich Leisinger Versen gesetzt, ruft den Gläubigen zur Liebe auf. Als Be- gleitinstrumente hat Bach nur die Oboe da caccia und den Generalbaß gewählt. Der Quellenbefund ist insofern un- gewöhnlich als der Oboenpart zweimal vorliegt, einmal Foreword wie für die Oboe da caccia üblich im Altschlüssel notiert, ein zweites Mal in „Griffnotation“ umgeschrieben. Ob The cantata Wie schön leuchtet der Morgenstern BWV 1 diese zweite Abschrift des Kantatensatzes nur eine auffüh- (How beauteous is the morning star) occupies a special rungspraktische Hilfe für einen im Umgang mit der Oboe position in Johann Sebastian Bach’s cantatas. It is, indeed, da caccia unerfahrenen jungen Musiker darstellt, oder ob not the composer’s fi rst cantata, even though a superfi cial beide Oboen gemeinsam spielen sollen, um den anstren- glance at its Bach-Werke-Verzeichnis (Bach Works Cata- genden Part bewältigen und unbemerkt atmen zu können, log) number may give a different impression. However, ist bislang ungeklärt. this was – in 1852 – the opening work of the fi rst vol- ume of the fi rst complete edition of his works that was Das Baßrezitativ faßt die Choralstrophen 4 und 5 zu- published on the initiative of Robert Schumann as editor sammen: Nichts Irdisches bereitet der Seele Vergnügen, of the Neue Zeitschrift für Musik, Moritz Hauptmann as sondern allein der von Gott gesandte Freudenschein (für incumbent Thomaskantor and Otto Jahn as active philol- den der Morgenstern naheliegenderweise als Bild dienen ogist on the occasion of the 100th anniversary of Bach’s kann). Freudig beschwingt ist die nun folgende Tenorarie, death. The choice of exactly this cantata as the opening die die Choralstrophe „Zwingt die Saiten in Cythara“ pa- work of the complete edition captures the spirit of the raphrasiert: Die Erwähnung der Saiten, die zum Lobe des project in more ways than one: it is based on a chorale Himmelskönigs erschallen sollen, legt es nahe, in diesem whose framing verses were utilized unchanged for both Satz – wie im Eingangschor – die Soloviolinen heranzu- the opening chorus and the concluding movement, and ziehen, während auf die Mitwirkung von

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