ZEITSCHRIFT FÜR GESCHICHTE, VOLKS- UND HEIMATKUNDE Nummer 5 Mai 2006 Band 45 Der Bau der Reichsautobahn bei Friedewald Erinnerungen von Georg Pfromm, Friedewald Schau ich aus meinem Fenster in der Vachaer Straße nach Norden, sehe ich die nicht enden wollende Kette der Fahrzeuge auf der Autobahn. Der star- ke Reiseverkehr gehört schon zum All- tag. An die Meldungen im Verkehrsfunk über Staus und Unfälle, gerade aus dem Bereich Friedewald, hat man sich ge- wöhnt. Dabei ist es gerade erst 16 Jahre her seit der Wiedervereinigung der bei- den deutschen Staaten und damit der Möglichkeit hier überhaupt zu fahren, obwohl die Autobahn schon seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhun- derts existiert. (7) Talbrücke Richelsdorf im Bau. Im Mittelgrund links die zwei Pfeiler der 1939/40 nicht fertiggestellten Brücke. Nach der Machtübernahme Adolf Hit- lers 1933 begann man mit dem Bau der Reichsautobahnen. Die Pläne lagen si- zu. Noch vor der „Wende“ wurde auf schlummerte 40 Jahre einspurig in Eine Außenstelle des Autobahnamtes cher schon in den Schubladen, denn die DDR-Gebiet eine internationale Grenz- Richtung Eisenach dahin. Erst nach der Kassel war in Friedewald im Haus Vol- erste europäische Autobahn zwischen abfertigung und eine neue Talbrücke „Wende“ 1990 wurde der sogenannte kenand untergebracht. Dort waren Köln – Bonn wurde schon 1932 dem über die Werra von einer westdeut- „Thüringer Zipfel“ ausgebaut und die Heinrich Volkenand und Heinrich Dei- Verkehr übergeben. Die Autobahn von schen Firma gebaut. In Herleshausen zweite Brückenhälfte erstellt. Alles seroth beschäftigt. Für den Außen- Frankfurt nach Darmstadt war die wurde eine neue, groß angelegte Grenz- konnte jetzt nicht schnell genug gehen. dienst stand ihnen ein Motorrad zur Nächste. Hier machte unter anderem abfertigung, wohlgemerkt von der Mit einem solchen Verkehrsaufkommen Verfügung. der Rennfahrer Bernd Rosenmeyer sei- BRD, errichtet. Der Grenzverkehr ging hatte niemand gerechnet. An der Ab-/Auffahrt von Friedewald (1) Die Autobahn A 4 im Thüringer Zipfel vor der Grenzöffnung ne Rekordversuche auf einem Merce- aber immer noch über Richelsdorf nach Auch in Untersuhl/Gerstungen musste war eine Autobahnmeisterei und ein des-Benz Rennwagen und fand dabei Wommen. Die Talbrücke Wommen eine neue Talbrücke errichet werden. Rasthaus geplant, was aber nicht zur den Tod. Ausführung kam. Zu der Zeit gab es in Deutschland 4 Hiermit beende ich meine Erinnerun- Mill. Arbeitslose bei 66 Mill. Einwoh- gen, die den Autobahnbau betreffen. nern. Die Not war groß, Hausieren und Sollte ich Wichtiges vergessen haben? Betteln gehörte schon beinahe zum All- Ich bin gerne bereit mich darüber zu tag. Von Haus zu Haus gingen viele für unterhalten und vorhandene Lücken zu ein Almosen von ein paar Pfennigen füllen. oder einem Teller Suppe. In fast allen Orten gab es eine Herberge „zur Hei- mat“, so auch in Friedewald. Als mit Bildnachweis dem Bau der Reichsautobahnen begon- Die Fotos wurden mit freundlicher Ge- nen wurde, waren über Nacht die Ar- nehmigung des Amtes für Straßen- und beitslosen, die man geringschätzig Verkehrswesen Frankfurt/Main der fol- „Tippelbrüder“ nannte, von den genden Publikation entnommen: Straßen verschwunden. Michael Antenbrink, Stefan Buitkamp, Mit großen Schritten wurden die Ulrich Hansel: Bundesautobahn A4 Bad Strecken nach Norden und Osten ange- Hersfeld-Erfurt 1989–1992–1995. Her- gangen. Die sogenannte HA – FRA – BA ausgegeben vom Amt für Straßen- und (Hamburg – Frankfurt – Basel) wie die Verkehrswesen Frankfurt/Main 1995. Autobahn vor dem 2. Weltkrieg genann- te wurde, baute man bis hinter Kassel. Als ich 1941 als Soldat in der Garnison Weimar war, so erinnere ich mich, war die Autobahn hier schon bis einschließ- lich Hermsdorfer-Kreuz, Richtung Gera »Mein Heimatland«, monatliche Beilage zur und Berlin fertig. »Hersfelder Zeitung«. Gegründet von Wilhelm Neuhaus. Hitlers Plan, eine schnelle Verbindung Schriftleitung: Ernst-Heinrich Meidt nach dem Osten zu schaffen, wurde (8) Vorschubrüstung der Weihetalbrücke Druck und Verlag: Hoehl-Druck, 36251 Bad Hersfeld (2) Grenzöffnung November 1989 im Bereich der heutigen Anschlussstelle Gerstungen durch den begonnenen Krieg gestoppt. 20 17 Baumaterial. Hier musste erst die vor- Fahrbahn verlegt, mit Zapfstellen für stehende Sandsteinmauer zurückver- die Betonherstellung. Die Installation setzt werden. und die Betreuung der Arbeitslager Durch die Firma Nuhn aus Gersdorf, wurde vom Schmied Wilh. Deiseroth heute Ortsteil von Kirchheim, wurde ein ausgeführt. Brunnen am Waldrand, etwa 50 m vom An verschiedene Namen von Bauunter- Autobahnlager entfernt, gebohrt. nehmen erinnere ich mich noch gut. So Natürlich alles ohne Motorkraft. Der wurde der schwierige Abschnitt zwi- Bohrer war in T-Form etwa 35 bis 40 cm schen der Kesselbachtalbrücke und der breit. Mittels Hebearm wurde der Boh- Breitzbachtalbrücke von der Kasseler rer samt Gestänge hoch gehoben und ei- Baufirma Gg. Reisse ausgeführt. ne viertel Wendung von Hand gedreht Zwischen dem Teilstück Kesselbachtal- und wieder fallen gelassen. Aus heuti- brücke und Eichhorstbrücke war die ger Sicht eine mühevolle Arbeit. Mus- Firma Gg. Chr. Bödecker aus Eschwege kelkraft war gefragt. maßgeblich tätig, sowohl bei den Erd- Die vier Arbeiter, die ihn betätigten, arbeiten als auch beim Brückenbau und wohnten bei dem Schmiedemeister bei den Unter- und Überführungsbau- Wilh. Aug. Deiseroth in der Haupt- ten „Große Hohle“, „An der Hand“ und straße 7. Da ich dort von 1937 bis 1940 vor der Ziehbachtalbrücke. eine Lehre als Huf- und Wagenschmied Auch die Baufirmen Stephan und Möl- machte, habe ich noch vieles in guter ler aus Friedewald waren als Subunter- Erinnerung. nehmer mit dem Bau von kleineren Immer wieder musste der Bohrer neu Durchlässen betraut. (3) Gezimmerte Gewölbe der Talbrücke Richelsdorf 1939/40 geschärft werden und die ganze Mann- Die Firma Karl-Wilh. Zilch aus Friede- (5) Herstellen der Betonfahrbahndecke 1940 durch die Firma Hermann Milke, Soest schaft war dazu nötig, um ihn ins wald hatte bis zu 7 Lkw der Marke Büs- und Berlin-Wannsee Schmiedefeuer zu heben und wieder auf sing in Betrieb, zum Teil mit Kipper. Man kam in Hessen nur bis Obersuhl. hatten. Der Wagnermeister Georg Fäl- den Amboss zu bringen. Die Bohrge- Die Baustelle war Tag und Nacht hell stand aus Stahlplanken. gelegenen Schneise zwischen den Tal- Von Sachsen durch Thüringen bis Ei- ber aus Kleba hatte sich für Erdarbeiten stänge waren etwa 4 bis 5 Meter lang erleuchtet, denn es wurde in drei Der Kies und der Sand kam per Waggon brücken Gießlingskirche und Kesseltal- senach war die Strecke schon fertig. angeboten. Zunächst musste der Unter- aus 4-kant Stahl mit beidseitigem Ge- Schichten gearbeitet. Zum Gerätepark zum Bahnhof Malkomes und Hönebach. brücke niedergegangen. Er war am Die durchgehende Verbindung nach grund erforscht werden. Dafür wurden winde. Wenn neue Gewindestücke ange- gehörten dampf- und dieselangetriebe- Von hier musste der Kies bzw. Sand per Morgen mit 9 weiteren Ballons zu einer Hamburg wurde erst Jahre nach dem 2. große Löcher (ca. 2 x 2 Meter) in ent- bracht werden mussten, geschah auch ne Bagger mit Seilzug, die auf Gleisen Hand auf die Lkw verladen werden. Wettfahrt in Bitterfeld gestartet. Das Weltkrieg fertiggestellt. sprechender Tiefe, mit Kreuzhacke und das im Schmiedefeuer. Einen Elektro- fuhren. Außerdem wurden Feldbahn- Auch die Fahrer mussten mit Hand an- war für uns ein Erlebnis, so etwas hat- Die Trasse in Hessen nach Osten war Schaufel ausgehoben. Schweißapparat gab es in der Dorf- loks mit gleichem Antrieb eingesetzt, legen. An der Baustelle musste das Ma- ten wir noch nicht aus der Nähe gese- 1936 im Raum Kirchheim schon soweit Zu den Vorarbeiten gehörte auch das schmiede noch nicht. Ich als Lehrling mit denen große Erdbewegungen ausge- terial meistens auch wieder per Hand hen. fertig, dass mit den Planungen im Ge- Roden der Wurzelstöcke. Das wurde musste den Blasebalg ziehen. führt wurden. So wurde z. B. der abgeladen werden. Bei der Erstellung Der Sonntagsausflug für uns Jungen biet Friedewald begonnen werden durch die Firma Sebastian Zimmerer Dazu fällt mir eine kleine Begebenheit Damm von der Sternwarte bis zur Au- der Brückenpfeiler hatte man schon ei- ging zu den Baustellen der „Autobahn“ konnte. aus München ausgeführt. Hierzu ver- ein. Da ja diese Arbeiten immer erst tobahn aufgeschüttet. nen Steilaufzug für den Beton. oder zum Autobahnlager bei Hönebach Über die Trassenführung im Raum wendete man einen Dreibock mit Fla- nach Schichtende am Abend getätigt Ein paar Namen von Männern, die da- Barackenlager waren errichtet worden, und Siebenbornen, wo es Limonade Friedewald gab es verschiedene Varian- schenzug und Axtpickel. Es war eine wurden, muss uns entgangen sein, dass mals an der Trasse arbeiteten fallen mir als Unterkunft für die Arbeiter. Bei Sie- gab. ten. Eine Trasse sollte bei „Lichts Wies- schwere Arbeit bis die Wurzelstöcke ein Stück glühende Kohle in einen Ritz ein: Georg Bätz aus der Motzfelder benbornen gab es zwei Lager und eben- Zu Beginn des 2. Weltkrieges war die chen“, mitten durch den Seulingswald zerkleinert waren und als Brennholz im Ambossstock gefallen war. Als wir Straße war Lokführer, Adam Ries aus falls eines unweit der Abfahrt Hönebach Fahrbahn im Raum Friedewald fertig- führen. Hier legte aber die Forstver- verwendet werden konnten. am nächsten morgen in die Schmiede Lautenhausen war Schlosser. Anton und Friedewald. gestellt, bis auf die Auffahrt und die waltung wegen Gefährdung des Wild- Das Autobahnlager befand sich auf dem kamen,
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