1. / 2. August 2020 / Nr. 31 www.katholische-sonntagszeitung.de Einzelverkaufspreis 2,60 Euro, 6070 Sommerfrische zumeist Eine kleine Madonna im Für Gerichtigkeit und in deutschen Landen Botanischen Garten Politik mit Werten Sonnenuntergänge am Meer, Wan- Im Botanischen Garten in Augs- Er kämpfte stets für seine morali- derungen über Bergwiesen oder burg liegt der Lieblingsplatz von schen Grundsätze: Der verstorbene Ruhe unter Schwarzwald-Bäumen: Schwester M. eresia Wittemann, frühere SPD-Vorsitzende Hans- Die Bischöfe in Deutschland ma- Persönliche Referentin von Bischof Jochen Vogel war Katholik – chen dieses Jahr häufi g in heimi- Bertram. Mehr verrät die Serie und brachte dies engagiert in schen Gefi lden Urlaub. Seite 28 zum Buch: Seite 27 die Politik mit ein. Seite 4 Vor allem … Priesterjubilare trafen Liebe Leserin, lieber Leser sich in St. Ottilien ar es, wie Korrespondent WAndreas Drouve in den rstmals mit Bischof Bertram trafen sich die Priesterjubilare in St. Ottilien. In der Klos- Raum stellt (Seite 2/3), „eines terkirche stellte sich der Bischof mit den Teilnehmern im gebotenen Corona-Abstand der barbarischsten Verbrechen“ E der Menschheit? Oder ein frie- zu einem Erinnerungsfoto auf. Pfarrer Franz Neumair (links) und Monsignore Josef densbringender Einsatz, der Philipp gehörten zu den angereisten Geistlichen, die auf die längste Zeit priesterlichen eine noch viel höhere Opferzahl Wirkens zurückblicken können, nämlich auf 65 Jahre. Seite 13 verhinderte? Die Meinungen über den Einsatz der Atombom- be durch die USA am 6. August 1945 gehen auch 75 Jahre nach der Katastrophe auseinander. Jüngere Forschungen bezweifeln, dass das Kriegsende eine direkte Folge der Bombe war. Japans Kriegsrat habe erst am Morgen des 9. August begonnen, die be- dingungslose Kapitulation zu beraten – nach Kriegseintritt der UdSSR und vor der Bombe auf Nagasaki. Diese Argumentation vergisst freilich die Warte von US-Präsident Harry S. Truman: Er musste möglichst viele seiner Soldaten retten. Und er sah wohl die „Chance“, ein sehr teures Projekt von nationalem Interes- se, an dem sich auch Japan ver- suchte, zu testen. Abertausende bezahlten das mit dem Leben. Selten, dass Beweggründe im Nachhinein völlig klar zu Tage treten – selbst für den unmittel- bar Handelnden. Vollkommene Klarheit aber muss heute überall darüber herrschen, dass es ein zweites Hiroshima oder Nagasa- ki niemals geben darf. Ihr Johannes Müller, Chefredakteur Foto: Michael Rabl Fotos: KNA, Müller, pba/Schnall KNA,Fotos: Müller, 2 THEMA DER WOCHE 1./2. August 2020 / Nr. 31 ATOMBOMBE ÜBER HIROSHIMA Der Tod um 8.15 Uhr Alltag täuscht: In der Stadt ist die Katastrophe auch nach 75 Jahren präsent Im Friedensgedächtnismuseum: ein Dreirad vom 6. August 1945. Das Kenotaph erinnert an die Zigtau- send Toten der Atombombe. Die Stadtführerin zeigt Fotos und erläutert die furchtbare Dimension des Atombombenabwurfs. Fotos: Drouve enschen wogen abends wenigen in seiner Grundstruktur Gay“ war vom pazifischen US-Trup- und Blumen abgelegt. Die Anteil- durch Ladenpassagen mit erhalten, trotz schwerster Beschädi- penstützpunkt Tinian gestartet und nahme ist auch drei Generationen Mblinkenden Buntlichtern. gungen. Der Rest der Stadt fiel fast Stunden durch die Nacht geflogen. später ungebrochen. Schulklassen Adrett gekleidete Leute verschwin- komplett in Schutt und Asche. Hier Die Sicht auf Hiroshima war klar, erleben hier Geschichte. den in Boutiquen, Schuhläden oder spielte sich eine der erschütternds- als die Besatzung die Bombe aus- Restaurants. Man isst hier gerne ten Tragödien der Menschheit ab. klinkte. Anhaltspunkt war eine stra- Schlichter Steinblock Okonomiyaki – herzhafte Pfannku- Oder sollte man besser sagen: eines tegisch wichtige Flussbrücke beim chenschichtwerke mit Kohl, Speck der barbarischsten Verbrechen? heutigen „Atomic Bomb Dome“. Am angrenzenden Fluss fällt und Eiern. Radler sind auf dem Weg Explosionswelle, Radioaktivität der Blick hinüber auf den „Atomic nach Hause, Kinder mit geschul- Trumans Todesbefehl und die enorme Hitze, die am Bo- Bomb Dome“. Zwei Straßenzüge terten Musikinstrumenten: Alltag den um 3000 bis 4000 Grad lag, dahinter führt der Weg vor einen in Hiroshima, einer Zwei-Millio- 8.15 Uhr. Das war an jenem Tag wirkten auf komplexe Weise zu- schlichten Steinblock mit einem nen-Metropole im Südwesten Ja- der Moment, der die Geschichte sammen. Zehntausende Zivilisten Foto. Hier steht man am sogenann- pans. Es scheint zunächst, als wäre Hiroshimas in ein Davor und ein starben sofort, bis Ende Dezem- ten Hypozentrum, jenem Punkt, nie etwas gewesen. Danach zerriss. In einer Höhe von ber 1945 waren örtlichen Angaben der der Abwurfstelle am nächsten Am Fluss Motoyasu-Gawa 600 Metern über der Stadt deto- zufolge 140 000 Tote registriert. war und wo sich seinerzeit eine herrscht eine eigentümliche Ruhe, nierte die Atombombe, die den Hinzu kam ungezähltes Leid durch Klinik befand. Das Foto, im No- die die Gedanken aufwühlt und Spitznamen „Kleiner Junge“ trug, Langzeitschäden. vember 1945 vom US-Militär auf- dazu zwingt, sich der Vergangen- „Little Boy“. Den Befehl hatte Herzstück der proklamierten genommen, zeigt eine verheerende heit zu stellen. Dort, wo das Spie- US-Präsident Harry S. Truman ge- „Friedensstadt“ Hiroshima ist der Ruinenlandschaft mit Hiroshimas gelbild des „Atomic Bomb Dome“ geben, drei Tage später folgte ein Friedenspark. Hier flackert die ewi- Bergen im Hintergrund. im Wasser verschwimmt. Der Kup- zweiter Abwurf auf Nagasaki. Kurz ge Friedensflamme über dem Frie- Das Leitmotiv Frieden setzt sich pelbau, vormals eine Ausstellungs- darauf ergab sich Japan. Damit en- densteich, erinnert ein Kenotaph gut 20 Gehminuten von der Ab- halle der regionalen Industrie- und dete, wenige Monate nach der Kapi- an die Todesopfer, geht es hinein in wurfstelle entfernt in der Weltfrie- Handelskammer, ist eine Ruine, ein tulation der deutschen Wehrmacht, eine unterirdische Gedächtnishalle. dens-Kathedrale fort. Der nüchter- Gerippe, als Mahnmal erhoben zum auch hier der Zweite Weltkrieg. Über die Gärten verteilen sich meh- ne, betongraue Bau ist gewiss kein Weltkulturerbe. Der „Kleine Junge“ wog vier Ton- rere Dutzend Memorials und Monu- architektonisches Schmuckstück, Im Zentrum Hiroshimas blieb nen, war drei Meter lang und maß mente, darunter das Friedensdenk- aber darum geht es nicht. Initiator das Gebäude nach dem Morgen 70 Zentimeter im Durchmesser. mal der Kinder. Mancherorts haben war der deutschstämmige Jesuit des 6. August 1945 als eines der Das B-29-Bomberflugzeug „Enola Besucher farbige Friedensbändchen Hugo Lassalle (1898 bis 1990), der 1./2. August 2020 / Nr. 31 THEMA DER WOCHE die Katastrophe von Hiroshima in einer kühlen Sachlichkeit, die gera- seiner Gemeinde Noboricho über- de deswegen umso drastischer und lebte. 1954 wurde die Kathe drale schonungsloser wirkt. Wer sich da- geweiht. rauf einlässt, sollte gefestigt sein. Das Innere ist hoch aufgeris- Nicht zufällig warnt ein Schild am sen, der Altar weit zurückgesetzt. Zugang davor. Auf Schwarzweiß- Auf den biblischen Motiven der fotos, die Hiroshima vor und nach Buntglasfenster fallen stoisch und der Zerstörung zeigen, folgen abge- bedrückt wirkende Gesichter auf, dunkelte Saalbereiche, in denen eine die unter dem Eindruck der Gräu- gespenstische Stille herrscht, die das el Hiroshimas zu stehen scheinen. Herz schwer werden lässt. Umso tröstlicher ist es, wenn am Vormittag fröhliches Kinderge- Exakt jene Minute kreisch vom Schulhof gegenüber gedämpft hereindringt. Auf einem Einzelschicksale geben der ano- Ständer im Eingangsbereich liegen nymen Masse Gesichter und Na- in mehreren Sprachen – einge- men. Vitrinen zeigen zerfetzte Klei- schweißt in Plastik – Kopien jener der von Opfern, auch von Kindern. aufwühlenden Rede aus, die Papst Oder ein geschmolzenes Fahrrad in Johannes Paul II. im Februar 1981 mehreren Teilen. Oder Reste eines beim Besuch in Hiroshima hielt. Dreirads. Eine Uhr, geborgen aus einem Frisörladen, stand auf 8.15 Dem Frieden verpfl ichtet Uhr. Es war exakt jene Minute, in der die Zeit in Hiroshima stillstand. „Krieg ist das Werk von Men- Historische Fotos zeigen, was mit schen“, klagte seinerzeit der Heilige Menschen passierte, die einer Atom- Vater an, „Krieg ist die Zerstörung katastrophe ausgesetzt werden. Oder menschlichen Lebens. Krieg ist Tod. die erst kurz nach der Nuklearexplo- An die Vergangenheit zu erinnern, sion in die Stadt beziehungsweise bedeutet, sich selbst für die Zukunft das Trümmerfeld kamen. zu verpfl ichten. An Hiroshima zu Die Verstrahlungen führten zu erinnern, bedeutet, Nuklearkrieg Haarausfall, Diarrhöe, hohem Fie- zu verabscheuen. An Hiroshima zu ber, roten Punkten auf der Haut. erinnern, bedeutet, sich selbst zum Viele der Opfer starben. Ergreifend Frieden zu verpfl ichten.“ Draußen sind auch Videos mit Berichten von vor der Hauptfassade ist der Papst Zeitzeugen, die sich auf Knopf- in Form einer Büste zugegen. druck in separaten Kabinen abrufen Wie lässt sich eine Vergangenheit Der Atomic omb Dome“ war bis zum Abwurf die Ausstellungshalle der regio- lassen. bewältigen, die kaum bewältigt wer- nalen Industrie- und andelsammer. Weil das ebäude als eines der wenigen in Das Museum entlässt die Besu- den kann? Im Friedenspark gelingt rundzügen erhalten blieb ist es heute ein Smbol der Stadt. cher sprach- und fassungslos und dem Friedensgedächtnismuseum mit dem Gedanken „Bitte, niemals die schwierige Balance zwischen mehr“. Das Tageslicht draußen tut Erinnerungskultur, Abschreckung, zugänglich, allerdings mit limi- Exponate, Fotos, Infotafeln und gut,
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