Biographisches Handbuch Zur Geschichte Des Landes Oldenburg

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ein geregeltes Klassen- oder Kurssystem Suhrkamp, Johann Heinrich (genannt Pe­ unmöglich machte. S. dürfte lange Zeit ter), Verleger, * 28. 3. 1891 Kirchhatten, eine Art Einzelunterricht erteilt haben, der * 31. 3. 1959 Frankfurt a. M. zumindest den Vorteil hatte, daß dabei die In seinem Nachruf auf Peter S. schrieb unterschiedliche Vorbildung der Schüler Theodor W. Adorno 1959: „Selten fehlt der besser berücksichtigt werden konnte. De­ Hinweis darauf, daß er ein oldenburgi­ ren oft mangelhafte Grundkenntnisse ver- scher Bauer war. Er hat das weder ver­ anlaßten ihn, eine allen Knaben ab dem schwiegen noch viel Wesens daraus ge­ 10. Lebensjahr zugängliche Nebenschule macht; doch hätte er jederzeit den väterli­ einzurichten, an der Mathematik sowie die chen Hof übernehmen und führen können. für Seeleute notwendigen Fremdsprachen Aber wie sehr unterschied er sich von je­ gelehrt wurden. Trotz aller Bemühungen nen, die aus ihrem Bauernblut ein Ver­ S.s konnte unter diesen Bedingungen das dienst machen, für sich die Stimme des Ur­ Anspruchsniveau der Schule nicht beson­ sprungs beanspruchen. Er hat von seiner ders hoch sein und auch die Prüfungen Herkunft sich emanzipiert, sich standhaft entsprachen nicht den Anforderungen, die losgemacht, ohne die leiseste Konzession beispielsweise im benachbarten Bremen an die Ideologie von Blut und Boden ... In gestellt wurden. Die ständig steigenden einem schönen Prosastück, dessen Worte Ansprüche an das seemänische Personal lange Strecken von Schweigen mitkompo­ und die neuen Bremer Ausbildungsvor­ schriften führten schließlich dazu, daß die oldenburgische Regierung 1856 die pri­ vate Navigationsschule übernahm und von Grund auf umgestaltete. Der inzwischen 67jährige S. wurde bei dieser Gelegenheit in den Ruhestand versetzt, den er in Els­ fleth verbrachte. Hier starb er 1873 unver­ heiratet. W: Vollständiger Unterricht in Rechnen mit Zah­ len und Buchstaben und mit besonderer Rück­ sicht auf die Theorie zum Gebrauch für Schul­ lehrer und für Selbstbelehrung, Bremen 1824; Vollständiger Unterricht in Kopf- und Tafel­ rechnen für Schulen und zum Selbstunterricht, 2 Bde., Bremen 1827-1828; Anweisung zur Be­ rechnung einer Zahl, in Zeit von einer Stunde, bis auf 20 Ziffern, als Cubus oder als Cubik- wurzel, sowohl in Decimal- als Duodecimal- zahlen, Bremen 1840. L: Diedrich Konrad Muhle, Schweyer Chronik, 2 nieren, hat er die Unmöglichkeit der Rück­ Bde., 1834-1860, MS im Pfarrarchiv Schwei, kunft gestaltet". Diese „Unmöglichkeit der Abschrift in LBO; Nachrichten für Stadt und Rückkunft" bestimmte S.s Verhältnis zu Land, 1. 10. 1904; Wilhelm Lorey, Johann Hin­ seiner oldenburgischen Heimat und zu sei­ rich Suhr, in: Nachrichten für Stadt und Land, ner Familie, auch wenn er mehrmals zu 24. 12. 1934; Heinrich Rasche, Die Entwick­ lung des Berufs-, Berufsfach- und Fachhoch­ Besuchen und Vorträgen zurückkehrte. schulwesens im Lande Oldenburg von den An­ S. wuchs in Kirchhatten als ältester Sohn fängen bis zur Gegenwart, Diss. Münster 1951, des Landwirts und Tischlers Johann Fried­ Typoskript; Von der Großherzoglichen Naviga­ rich Suhrkamp (1855-1932) und dessen tionsschule Elsfleth zum Fachbereich Seefahrt Ehefrau Elise Katharina geb. Lange (1868- der Fachhochschule Oldenburg, Harpstedt 1959) mit drei Brüdern und zwei Schwe­ 1982; Otto-Erich Meißner, 120 Jahre Schiff- stern auf. Er war der Hoferbe, aber „Span­ fahrtsgeschichte an der oldenburgischen nung und Distanz" zur Herkunft began­ Unterweser. Chronik des Nautischen Vereins Niedersachsen von 1865, Oldenburg 1988; nen schon in der Schulzeit. Das Vorbild Adolf Blumenberg, Elsfleth. Stadt und Hafen des von S. geliebten Lehrers führte zu dem an der Weser, Oldenburg 1989. Wunsch, selbst Lehrer zu werden. Der Va­ Hans Friedl ter schlug ihm das rundweg ab; der Lehrer 724 Suhrkamp gab ihm heimlich Geigenunterricht, denn 1911 seine erste Lehrerstelle in Augustfehn die Beherrschung eines Musikinstruments an. Schon bald wurde er nach Idafehn war Voraussetzung für die Aufnahme in strafversetzt, weil er eine von einem Kolle­ das Oldenburger Lehrerseminar. Zur Auf­ gen verlassene schwangere Frau bei sich nahmeprüfung riß S. für drei Tage von zu aufgenommen hatte. 1913 wechselte er in Hause aus. Der Übergang ins Lehrersemi­ den bremischen Schuldienst über. Er hatte nar 1905, mit vierzehn Jahren, markierte wohl erkannt, daß er mit dem sittenstren­ äußerlich den Beginn der Emanzipation gen Oberschulrat -• Goens (1863-1946), vom Elternhaus. S. mußte auf das Hoferbe der 1913 zwanzig Lehrer disziplinarisch verzichten; seinen Unterhalt verdiente er bestraft hatte, über kurz oder lang zusam­ anfangs als Kopist eines Notars in Olden­ menstoßen würde. Für die Seminarausbil­ burg. Der grüblerische, an Literatur und dung und Unterhaltsbeihilfen mußte er Sprache Interessierte blieb auch unter den 1200 Mark an den oldenburgischen Staat Mitschülern mit seinen von der Jugendbe­ zurückzahlen. 1914 legte er in Bremen fast wegung geprägten Idealen „Disziplin, gleichzeitig seine zweite Lehrerprüfung Sitte und Reinheit" ein gleichwohl respek­ und als Externer das Abitur am Realgym­ tierter Fremder. Nur mit Georg von der nasium ab. Die Aufnahme des geplanten Vring (1889-1968) und Karl Steinhoff trat Germanistikstudiums in Berlin verhinderte er in eine lose Beziehung. In seinen Le­ der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, an benserinnerungen schildert Steinhoff dem S. als Kriegsfreiwilliger vom Herbst einen Besuch bei dem 19jährigen: „Suhr- 1914 an teilnahm, zuletzt als Leutnant der kamps Zimmer war ziemlich groß, aber Landwehr, ausgezeichnet mit dem Eiser­ nur mit Tisch, zwei Stühlen, Kommode, nen Kreuz und dem Hohenzollern-Hausor- Bett und Schrank ausgestattet . An Bil­ den. Diese Zeichen äußerer Tapferkeit ver­ der erinnere ich mich nicht, wohl aber an deckten für die Umwelt die schwere psy­ viele Bücher, viele im Vergleich zu dem chische Krise, in die S. wie manche seiner spärlichen Schatz an Lehrbüchern, wie Altersgenossen durch das Kriegserlebnis man sie auf den Seminarbuden antraf . geriet: Seit 1917 war er schwer krank, die (Das Zimmer) war von einer nüchternen letzten Kriegsmonate verbrachte er in Helligkeit". einer psychiatrischen Anstalt. Später hat S. die „ländliche Natur", die Ju­ Die Zeit der Weimarer Republik war im Le­ gendbewegung und die Literatur als die ben des Peter S. eine Zeit immer neuer An­ wesentlichen Eindrücke seiner Kindheit fänge. 1919 war er für einige Monate Leh­ und Jugend bezeichnet. Obwohl der Semi­ rer an der Odenwaldschule, dann bis 1920 narist viel Gegenwartsliteratur gelesen Sekretär von Rudolf G. Binding. Von 1921 habe, komme doch Friedrich Schiller der bis 1925 wirkte er als Dramaturg und Re­ größte Anteil an seinem Weg zu Büchern gisseur in Darmstadt. Nebenher veröffent­ zu: „Schiller verdanke ich die Weckung lichte er erste literarische Versuche. Als meiner Leidenschaft für Dichtung; viel­ Lehrer und Pädagogischer Leiter der mehr einer Schiller-Feier, die damals in Freien Schulgemeinde Wickersdorf kehrte Oldenburg mit Umzügen durch die Stadt, er von 1925 bis 1929 noch einmal in seinen in dem alle Schüler mitgingen, mit Auffüh­ ersten Beruf zurück. Anschließend arbei­ rungen des Hoftheaters, Feiern in allen tete er drei Jahre in der Zeitschriften-Re­ Schulen stattfand . Tage danach lief ich daktion des Ullstein-Verlages. Ende 1932 in der Stadt von Buchhandlung zu Buch­ begann S. dann jene Tätigkeit, die sein Le­ handlung ... in einem Fenster lag aufge­ ben fortan bestimmen sollte: Er trat in den S. Fischer Verlag, Berlin, ein, zunächst als schlagen ein altes Exemplar von Kabale Herausgeber der „Neuen Rundschau", ab und Liebe mit Kupfern. Einige Tage hinter­ einander stand ich einen Moment vor die­ Herbst 1933 als Vorstandsmitglied. S.s Be­ sem Fenster: an einem stürzte ich dann in rufung fand nicht überall Beifall. Klaus den Laden, ob ich das aufgeschlagene Mann notierte in seinem Tagebuch „Skan­ Buch aus dem Fenster einsehen dürfte? Es dal!" und charakterisierte ihn als einen dauerte lange, bis ich meinen Wunsch ge­ „gealterte(n) Wandervogel, ohne jede Be­ äußert hatte und der Buchhändler wies ziehung zur Literatur", attestierte S.s Auf­ mich nicht ab, sondern bestellte mich für satz „März 33" dann jedoch eine „ver­ einen der nächsten Tage. So fing es an". trackte Geschicklichkeit". Karl Korn Nach dem Abschluß des Seminars trat S. schrieb 1959: „Ob der alte S. Fischer, der 1934 starb, geahnt hat, was seinem Le­ den Suhrkamp Verlag, darunter Bertolt benswerk bevorstand, als er Peter Suhr­ Brecht, der mit S. seit 1919/20 freund­ kamp in sein Haus holte, wer vermöchte schaftlich verbunden war, und Hermann das zu sagen. Seine Wahl stand jedenfalls, Hesse, der vertraute Freund der beiden wie jeder, der die Entwicklung der Dinge letzten Jahrzehnte in S.s Leben. in Deutschland mitgemacht hat, weiß, Den neuen Verlag baute S. zum führenden unter einem Glücksstern. Suhrkamp . Literaturverlag der Bundesrepublik wurde im Jahre 1933/34 der Mann, dem Deutschland auf. Er setzte schwierige oder die Rettung des Erbes S. Fischers gera­ vergessene Schriftsteller ebenso durch wie dezu vom Schicksal vorherbestimmt unbekannte junge Autoren. Etikettierun­ schien". Die Fortführung der Verlagsarbeit gen wie konservativ oder progressiv waren ohne Anpassung an den Nationalsozialis­ ihm gleichgültig, wenn die literarische mus erforderte in den folgenden Jahren Qualität seinen hohen Ansprüchen ge­ alle Arbeitskraft und Phantasie von S. nügte. Seine Bedeutung für die Nach­ 1936 wurde er nach der Übernahme der kriegsliteratur zeigen einige Namen: Mar­ Aktien alleiniger

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