Dusko Goykovich Jazz-Trompeter Im Gespräch Mit Roland Spiegel

Dusko Goykovich Jazz-Trompeter Im Gespräch Mit Roland Spiegel

BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks Sendung vom 19.3.2010, 20.15 Uhr Dusko Goykovich Jazz-Trompeter im Gespräch mit Roland Spiegel Spiegel: Willkommen beim alpha-Forum, ich habe die Freude, Ihnen heute einen der besten Jazztrompeter der Welt vorstellen zu dürfen: Dusko Goykovich. Und er spielt jetzt erst einmal für Sie. (Goykovich spielt seine Eigenkomposition "Adriatica") Spiegel: Das waren Dusko Goykovich an der Trompete und Christian Elsässer am Klavier. Das war eine Komposition von Ihnen mit dem Titel "Adriatica". Goykovich: Ja. Spiegel: Das ist anscheinend eine Hommage an Ihr Herkunftsland. Goykovich: Ja, das kann man so sagen. Spiegel: Wissen Sie noch, wann Sie das geschrieben haben? Goykovich: Das war, wenn ich mich nicht täusche, irgendwann in den 80er Jahren. Damals habe ich schon eine ganze Weile "Balkan Jazz" geschrieben und diese Thematik und Melodik der Balkanländer in meinen Kompositionen verwendet. Damals waren wir, also meine Frau und ich, oft an der Adria zum Urlaub. Dort habe ich auch öfter mal dalmatinische Lieder gehört, also dachte ich mir, ich werde mal eine Komposition von mir dieser Gegend widmen, der dalmatinischen Adriaküste. Spiegel: Sie sind 1931 in einem Ort namens Jajce in Bosnien geboren. Goykovich: Ja, zufällig. Spiegel: Das heißt? Goykovich: Mein Vater hatte damals im Königreich Jugoslawien dienstlich etwas zu tun in diesem Ort. Alle seine vier Kinder sind in einer anderen Republik und in einer anderen Stadt geboren. Als ich auf die Welt kam, war er halt gerade in Jajce in Bosnien. Als ich so ungefähr sechs, sieben Monate alt war, sind wir umgezogen und ich bin nie mehr nach Jajce zurückgekommen. Spiegel: Aufgewachsen sind Sie dann in Belgrad. Goykovich: Ja, das stimmt, ich bin dann in Belgrad aufgewachsen. Spiegel: Seit mittlerweile gut 60 Jahren sind Sie Musiker bzw. machen Sie Musik. Goykovich: Ja, ich habe eigentlich erst recht spät mit der Trompete angefangen, denn ich war damals schon 15, 16 Jahre alt. Heute bin ich 78 Jahre alt, man kann sich also ausrechnen, wie lange ich nun schon Trompete spiele: Das sind tatsächlich über 60 Jahre. Spiegel: War die Trompete immer schon Ihr Instrument? Wie sind Sie zur Trompete gekommen? Goykovich: Ich habe davor am Gymnasium auch schon andere Instrumente gespielt: Wir hatten Schulbands, mit denen wir am Wochenende irgendwo zum Tanz aufgespielt haben. Ich habe dabei Gitarre gespielt und auch Klavier, aber als reiner Amateur. Erst dann, als ich die Trompete bekommen habe, habe ich gewusst: Das will ich spielen, das will ich richtig lernen, denn das ist mein Instrument. Ab meinem 16. Lebensjahr habe ich dann gleich in der Musikschule angefangen, Trompete bzw. zunächst einmal Kornett spielen zu lernen. Später kam dann noch das Flügelhorn dazu. Spiegel: Gab es da ein Schlüsselerlebnis? Hatten Sie irgendetwas gehört, sodass Sie dann gesagt haben, genau dieses Instrument müssen Sie auch spielen? Goykovich: Ja, es war so, dass es da einen Jungen gegeben hat, den ich in der Schulband gehört habe und der Trompete gespielt hat. Als ich da zum ersten Mal diese Trompete gehört habe, hat mir vor allem der Ton dieses Instruments sehr gut gefallen. Gleichzeitig gab es damals den Hollywoodfilm "Badende Venus" mit Harry James und der berühmten "Wassernixe" Esther Williams. Wir Jungs von der Schule sind mindestens 20 Mal am Nachmittag abgehauen, um uns diesen Film im Kino anzuschauen. Mir hat auch dort in diesem Film dieser Trompetensound sehr, sehr gut gefallen. Und dann gab es noch einen Film, der sehr wichtig gewesen ist in meinem Leben, das war der Film "Young Man with a Horn" mit Kirk Douglas. Dieser Film hat wirklich nachhaltig Eindruck auf mich ausgeübt und von da an war für mich klar, dass ich unbedingt auch Trompete spielen möchte. Spiegel: Es war damals so einfach möglich in Belgrad, einen Film aus dem kapitalistischen Westen anzuschauen? Goykovich: Ja, das waren Importfilme vor allem zum Ende der 40er und zu Beginn der 50er Jahre. Ich war damals 20, 21 Jahre alt. Aber auch davor schon hatten wir alle möglichen Hollywoodfilme gesehen. Zu diesem Film mit Kirk Douglas fällt mir gleich eine Anekdote ein. Viele, viele Jahre später, als ich in den USA mit der Band von Woody Herman unterwegs war, traten wir auch mal in der "Ed Sullivan Show" auf. Das waren immer Shows mit vielen verschiedenen Elementen: Das Ganze wurde auf einer Drehbühne präsentiert, auf der jeweils andere Künstler auftraten oder interviewt wurden. An diesem Abend war auch Kirk Douglas einer von denen, die da auftreten sollten. Ich ging vor der Sendung zufällig an seiner Garderobe vorbei und sah ihn, wie er gerade beim Schminken saß. Ich habe gefragt, ob ich kurz mal reinkommen dürfe. Er meinte, ich dürfe selbstverständlich reinkommen. Und dann habe ich es ihm erzählt: "Sie sind schuld, dass ich angefangen habe, Trompete zu spielen!" "Wieso?" "Sie erinnern sich noch an den Film 'Young Man with a Horn'?" "Ja, daran kann ich mich selbstverständlich erinnern." "Sehen Sie, als ich diesen Film gesehen habe, war klar, dass ich auch Trompete spielen möchte. Sie sind also schuld daran!" Wir haben dann noch so ungefähr zehn, 15 Minuten miteinander geplaudert und er machte damals erneut mächtigen Eindruck auf mich. Spiegel: Ich habe gelesen, dass Sie sich die erste Trompete, die Sie besessen haben, selbst bei einem Trödler gekauft hatten. Goykovich: Ja, das stimmt, die habe ich, wie das damals hieß, auf Kommission gekauft. Als ich eines Tages mit meinen Freunden am Schaufenster eines Ladens vorbeiging, habe ich darin ein ganz altes Kornett gesehen. Es war, wie ich später herausgefunden habe, ein belgisches Kornett, das möglicherweise sogar noch aus Napoleons Zeiten stammte: Es war total versaut und grün und nichts mehr hat funktioniert. Aber ich wollte es unbedingt haben und bin deswegen am nächsten Morgen gleich in diesen Laden gegangen, um zu fragen, was es kosten soll. Der Verkäufer sagte mir, das Kornett koste 500 Dinar. Das war damals der Gegenwert von weniger als einem Päckchen Zigaretten. Ich wollte das Instrument sofort kaufen, aber der Mann sagte, ich sollte es doch erst einmal ausprobieren, denn er glaube, dass so ziemlich alles kaputt daran sei. Ich musste ihm antworten, dass ich gar nicht spielen könne auf diesem Instrument, dass ich es aber trotzdem haben wolle. Also habe ich dieses Kornett gekauft, es gesäubert und repariert und dann damit angefangen. Spiegel: Auf diesem Instrument haben Sie dann Unterricht genommen? Goykovich: Ich bin dann gleich in die Musikschule gegangen, denn ich wollte wirklich Horn spielen lernen. Später habe ich dann eine richtige Trompete bekommen: Mein Bruder, der nach Australien emigriert war, hat mir eine geschickt. Aber am Anfang habe ich tatsächlich fast ein Jahr lang auf diesem kaputten Ding geübt, bis es komplett auseinandergefallen ist. Spiegel: Wann haben Sie denn zum ersten Mal Jazz gehört? Goykovich: Das war in der Zeit, als ich noch zur Schule ging. Das muss so ungefähr 1947 oder 1948 gewesen sein. Wir haben damals viel "Voice of America" gehört. Wir bekamen auch Platten vom amerikanischen Konsulat von der dortigen Leihbibliothek: Wir hörten sie uns an und gaben sie dann wieder zurück. Das waren damals noch diese großen Schellackplatten. Aber es war vor allem Willis Conover, den wir gehört haben. Er hat damals jeden Abend um Mitternacht eine Stunde lang Jazz gespielt in "Voice of America". Das haben wir alle gehört. Es gab ja ansonsten keine Platten oder gar Noten. Also haben wir uns eben im Radio hineingehört in den Jazz. Spiegel: Das war damals so ohne Weiteres möglich in Jugoslawien? Goykovich: Das Radiohören konnten sie einem doch nicht verbieten. Viel, viel später hat dann hier in Bayern das Jazzinstitut mal eine Biografie über mich gemacht. Der Mann, der das geschrieben hat, hat mich bei einem der Interviews gefragt, wie das damals unter der kommunistischen Regierung gewesen ist, wenn man Jazz hörte und spielte: Jazz zu spielen war wirklich fast verboten, d. h. man hat es fast nicht wagen können, als Musiker zu sagen, man spiele Jazz. Das gab es einfach nicht, denn das war kapitalistische Musik. Der Interviewer fragte mich dann, was denn für mich persönlich der Jazz bedeutet hat. Ich habe ihm gesagt, dass der Jazz für mich Freiheit bedeutete: Die Gedanken sind frei, das Spielen beim Jazz auch. Der Politkommissar kann mir nämlich nicht sagen, wie ich zu improvisieren, wie ich einen Blues zu spielen habe. Wenn ich damals Jazz gespielt habe, dann waren das für mich die einzigen Momente, in denen ich mich wirklich frei gefühlt habe. Aus diesem Grund haben wir damals gesagt: Jazz ist Freiheit! Ja, das kann man wirklich in diesem einen Satz so sagen. Spiegel: Es war also verboten und doch haben Sie Jazz gespielt. Haben Sie deswegen auch manchmal Schwierigkeiten bekommen? Goykovich: Ein paar Jahre lang war es wirklich schwer mit dem Jazz. Da gab es nur Volksmusik und Partisanenlieder und Musik aus Moskau usw. Dann aber haben sich Tito und Stalin 1948 verkracht und auf einmal war es erlaubt, Jazz zu spielen, auf einmal war das hip. Da durften wir als Jazzband auftreten und im Radio war auf einmal auch Jazz zu hören. Ich hatte damals das riesengroße Glück, schon mit 20, 21 Jahren in die Radio Big Band reinzukommen. Für mich war das ein wirklich großes Erlebnis. Spiegel: Das war während Ihres Musikstudiums in Belgrad? Goykovich: Ja, das war gerade nach dem Abitur. Spiegel: Sie sagten gerade diesen schönen Satz "Jazz ist Freiheit". Was hat Sie denn so fasziniert an dieser Musik? Weshalb hatten Sie das Gefühl, dass diese Musik Freiheit ausdrückt? Goykovich: Ich habe bei Conover in der Sendung Roy Eldridge gehört, Louis Armstrong, Dizzy Gillespie usw. Spiegel: Das waren alles Trompeter. Goykovich: Genau, aber auch Musiker mit anderen Instrumenten wie z. B. Charlie Parker usw. Wir haben gehört, wie da immer wieder über ein Thema improvisiert wird und es jedes Mal ein bisschen anders klingt.

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